Kontroversen in der Pneumologie

Nicht alle Patientinnen und Patienten mit COPD profitieren von inhalativen Steroiden (ICS) und bei Exazerbationen ist längst nicht immer ein Antibiotikum indiziert. Es empfiehlt sich, differenziert vorzugehen – das wurde auf der Sitzung "Kontroversen in der Pneumologie" beim Online-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) deutlich.

Inhalative Steroide bei COPD-PatientInnen – ja oder nein

Nicht alle PatientInnen mit COPD profitieren von inhalativen Steroiden (ICS) und bei Exazerbationen ist längst nicht immer ein Antibiotikum indiziert. Es empfiehlt sich, differenziert vorzugehen – das wurde auf der Sitzung "Kontroversen in der Pneumologie" beim Online-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) deutlich.

Die Leitlinien empfehlen inhalative Steroide bei COPD eher zurückhaltend einzusetzen. Aus Sicht von Prof. Dr. Johann Christian Virchow vom Universitätsklinikum Rostock, verursacht die Zurückhaltung in der Verschreibung von inhalativen Steroiden aber mehr Schaden als Nutzen. Virchow empfahl, ICS bei jedem Stadium der COPD in Erwägung zu ziehen, insbesondere (aber nicht ausschließlich) wenn:

Virchow sagte aber auch, dass bei Vorliegen eines niedrigen BMI Vorsicht geboten ist, auch bei Vorliegen eines Emphysems (CT gesichert) ohne Exazerbationen und beim klassischen Pink Puffer sind ICS kontraindiziert.

Hinsichtlich des Kosten-Nutzen-Verhältnisses meinte Virchow, dass eine Therapie mit ICS nicht mehr so teuer sei. Landen PatientInnen aufgrund einer akuten Exazerbation der COPD hingegen im Krankenhaus, sei das tatsächlich teuer.

Prof. Dr. Henrik Watz vom Pneumologischen Forschungsinsitut an der LungenClinic Grosshansdorf gab hingegen zu bedenken, dass für die Mehrzahl der PatientInnen mit COPD eine Therapie mit inhalativen Steroiden ohnehin nicht indiziert ist. Denn die COPD sei noch immer eine neutrophile Atemwegserkrankung, anti-inflammatorische Effekte von ICS auf die neutropile Entzündung aber molekular nicht möglich. Hinzu kommt, dass unter ICS verstärkt Pneumonien auftreten. Watz bestätigte allerdings auch, dass bei häufigen Exzazerbationen und Bluteosinophilen eine ICS-Therapie indiziert ist.

Übrigens weisen die Hygienemaßnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie einen positiven Effekt auch bei COPD auf: Sie haben zur einer Abnahme der akuten Exazerbationen geführt, bestätigten sowohl Watz als auch Virchow.

Antibiotika bei der akuten COPD-Exazerbation: Ja oder Nein?

Akute Exazerbation befeuern den Circulus Vitiosus bei COPD und damit die Krankheitsverschlechterung deutlich. Prof. Dr. Martin Witzenrath von der Berliner Charité befürwortete deshalb auch den Einsatz von Antibiotika zur Verhinderung von akuten Exazerbationen.

Ein Cochrane Review kommt 2018 zu dem Schluss, dass Antibiotika akute Exazerbationen bei COPD (AE-COPD) um bis zu 81% reduzieren können; besonders ITS-Patienten profitieren von einer AB-Gabe. Bei Anzeichnen einer bakteriellen Exazerbation profitieren Patientinnen und Patienten nach Einschätzung von Witzenrath generell von einem Antibiotikum. Die Nebenwirkungen einer Kurzzeit-Antibiotikatherapie (3 bis 5 Tage) auf das Mikrobiom seien vernachlässigbar.

Kritisch sieht Prof. Dr. Gernot Rohde, Universitätsklinikum Frankfurt, die Rolle von Antibiotika bei akuten Exazerbationen. Zu einem großen Teil werden Exazerbationen durch Infektionen ausgelöst, manche sind bakteriell, andere aber eben auch viral.

Die Leitlinien empfehlen bei akuter Exazerbation so vorzugehen:

Für Antibiotika lägen nur wenig bis keine kontrollierten Studien vor, betonte Rohde. Auch sprächen sowohl die zunehmende Antibiotika-Resistenz gegen eine AB-Therapie als auch Nebenwirkungen wie gestörte Darmflora und in deren Folge Durchfall bzw. eine Infektion mit C. difficile. Antibiotika sollten in der Regel nicht zur Therapie der AE-COPD angewendet werden weil:

Beide stimmten darin überein nur dann ein Antibiotikum zu geben, wenn eine Indikation dazu vorliegt. Doch welche PatientInnen sollten denn nun konkret ein Antibiotikum erhalten und welche eher nicht?

Eher Antibiotika bei PatientInnen mit purulentem Auswurf und erhöhtem CRP

Sollten beispielsweise COPD-PatientInnen mit purulentem Auswurf und 4 Exazerbationen mit einem Antibiotikum behandelt werden? Rohde erinnerte daran, dass ein purulenter Auswurf nicht automatisch auf eine akute bakterielle Infektion hinweist. Er könne auch Ausdruck der Kolonisation sein oder einfach nur so vorhanden sein aufgrund von Neutrophilen, die den Auswurf verfärben. Trotzdem hätten einige Studien gezeigt, dass es eine Korrelation zwischen purulentem Auswurf und positiver Bakterienkultur gebe. "Wir wissen aber nicht ob diese Bakterien gerade der Auslöser der Exazerbation sind." Für eine bakterielle Infektion spreche die Höhe der Entzündungswerte. Haben PatientInnen deutlich erhöhte Entzündungsparameter, Leukozytose, CRP über 50 – sollte eher ein Antibiotikum verordnet werden. Maßgeblich sei dabei auch, wie schwer die Exazerbation ist, etwa ob Patient noch respiratorisch insuffizient seien.

Witzenrath betonte, dass bei allen PatientInnen überlegt werden müsse, ob überhaupt ein Infekt die Exazerbation auslöst oder ob etwas anderes zugrunde liege. So muss z.B. die kardiale Funktion abgeklärt werden. Kann man von einer Infektion ausgehen, sei zu prüfen, ob PatientInnen deutlich mehr Dyspnoe aufweisen, deutlich mehr und purulenteres Sputum als normalerweise auftritt nicht nur morgens sondern über den Tag verteilt. Für Witzenrath sind das Anhaltspunkte, die eher auf eine bakterielle Infektion hindeuten. Sei das CRP erhöht und liege über 30, haben PatientInnen schon häufiger mit einer bakteriellen Exazerbation zu kämpfen gehabt, dann würde er eher ein Antibiotikum verordnen.

Bei PatientInnen, die häufiger akute Exazerbationen aufweisen lohnt sich ein HR-CT. Weisen diese PatientInnen Bronchiektasen auf, sollte ein Antibiotikum gegeben werden. Wie Rohde bestätigte, ist dann bei jeder Exazerbation in der Regel ein Antibiotikum indiziert.

Referenzen:
127. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM)
Sitzung: Kontroversen in der Pneumologie, 19. April 2021, 13 bis 14.15 Uhr