Ländliche Patientenversorgung durch "Hightech-Rucksack" verbessern

Ärztinnen und Ärzte vor allem auf dem Land entlasten, ältere Patientinnen und Patienten besser betreuen und die Arbeit des Praxispersonals aufwerten: Die Telemedizin-Assistenz soll gleich in mehrfacher Hinsicht helfen. Trotz einiger "Stolpersteine" läuft das Projekt gut an.

Hausbesuche durch speziell geschulte Telemedizin-AssistentInnen

ÄrztInnen vor allem auf dem Land entlasten, ältere PatientInnen besser betreuen und die Arbeit des Praxispersonals aufwerten: Die Telemedizin-Assistenz soll gleich in mehrfacher Hinsicht helfen. Trotz einiger "Stolpersteine" läuft das Projekt gut an.

Einen Monat nach dem Startschuss für das neue Telemedizin-Projekt in Rheinland-Pfalz haben beteiligte Hausärztinnen eine positive Zwischenbilanz gezogen. Die Idee sei nützlich, das Konzept stimme. Auch die ersten praktischen Erfahrungen seien gut, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle noch etwas hake.

Herzstück des vom Gesundheitsministerium gestarteten Pilotprojekts sind speziell geschulte Telemedizin-AssistentInnen (TMA), die mit einem mit Hightech vollgepackten Rucksack zu den PatientInnen nach Hause fahren, wichtige Gesundheitsdaten erfassen und diese an die HausärztInnen weiterleiten. Die ÄrztInnen vor allem in ländlichen Regionen sparen sich lange Fahrwege und können sich anschließend über Video mit ihren PatientInnen unterhalten. Das nötige technische Equipment reicht vom Tablet-PC bis zum Mini-EKG-Messgerät.

Vertraute Gesichter mit technischer Ausstattung in den eigenen vier Wänden

"Den Charme dieses Projekts macht aus, dass ein bereits vertrauter Mensch aus dem Praxisteam vor den Patienten steht und sie nun neu mit digitaler Unterstützung zu Hause befragt und untersucht", erklärt Barbara Römer, die Präsidentin des rheinland-pfälzischen Hausärzteverbandes. Sie beteiligt sich mit ihrer Gemeinschaftspraxis in Saulheim (Landkreis Alzey-Worms) an dem Projekt.

"Der Start war gut. Wir sind immer noch sehr angetan von dem Projekt", berichtet die Hausärztin Nadine Durmazel aus Alzey, die ebenfalls zu den Pionierinnen gehört. Den Kernpunkt des Projekts beschreibt sie so: "Die Technik kommt mit einem Menschen zu dem Patienten."

Insgesamt 24 Hausarztpraxen und bis zu 56 ÄrztInnen sowie bis zu 46 TMA in vier ländlichen Regionen wollen sich an Modellversuch beteiligen

An dem TMA-Modellversuch wollten sich laut Gesundheitsministerium insgesamt 24 Hausarztpraxen und bis zu 56 ÄrztInnen sowie bis zu 46 TMA in vier ländlichen Regionen beteiligen: Alzey in Rheinhessen, Bad Bergzabern/Dahn in der Pfalz, Betzdorf/Kirchen/Wissen im Norden von Rheinland-Pfalz und Daun in der Eifel. 14 Praxen erhalten zudem ein Elektroauto für CO2-freie Fahrten, darunter auch die Praxen von Römer und Durmazel.

Nicht nur den beiden Ärztinnen bringt das Konzept Erleichterungen, auch ihre Mitarbeiterinnen sind froh über den erweiterten Aufgabenbereich. "Unsere TMA, die eine ausgesprochen erfahrene Mitarbeiterin ist, blüht mit der neuen Aufgabe richtig auf. Sie ist sehr froh über die Aufwertung ihrer Tätigkeit", erzählt Römer. Ähnlich auch die Situation in Alzey: "Unserer Assistentin macht die Tätigkeit Freude, auch die Fahrt mit dem E-Auto. Das funktioniert wunderbar", berichtet Durmazel.

Technische Entlastung besonders für ältere PatientInnen

Die PatientInnen reagieren, so jedenfalls Römers Erfahrung, ausgesprochen positiv auf die Neuerung. "Sie haben "Ja" gesagt, weil eine vertraute Person aus der Praxis zu ihnen kommt und die digitale Technik mitbringt", berichtet die Verbandschefin. "Sie müssen weder auf einen Knopf drücken noch sich um die korrekte Anwendung kümmern." Und fügt hinzu: "Ich halte nichts von Apps oder anderen Projekten, die gerade dieses Patientenklientel - nämlich ältere, in ihrer Alltagskompetenz stark eingeschränkte Menschen - schlichtweg überfordern würden, wenn sie mit digitalen Anwendungen alleine gelassen werden."

In Alzey läuft bei dem Projekt bereits alles rund. "Wir verwenden die Basisausstattung, das heißt das EKG, und beschränken uns zunächst einmal darauf", berichtet Durmazel. Das EKG-Gerät habe eine sehr gute Qualität und helfe ÄrztInnen bei einer sofortigen Lagebeurteilung. "Man kann zudem einen Kameraschwenk beispielsweise auf die Blutzuckerwerte machen und als Arzt oder Ärztin den Patienten direkt Handlungsanweisungen geben und merken, ob das angekommen ist und umgesetzt werden kann."

Ein paar Haken gibt es noch

In Saulheim hat die TMA bereits die ersten Hausbesuche mitsamt Videokonferenzen erledigt. "Mit allen Problemen, die dazugehören", berichtet Römer. "So haben wir beispielsweise in Saulheim aktuell technische Probleme mit dem Internet. Mal funktionierte deshalb der Ton nicht, mal war das Bild weg."

Auch an einem weiteren Punkt hakt es noch. Sie habe bei sich in der Praxis die Erfahrung gemacht und auch von anderen beteiligten KollegInnen gehört, dass noch nicht alle Praxen vollständig mit den Medizingeräten aus dem Koffer ausgestattet seien, berichtet Römer. "Bei uns in der Praxis ist der Rucksack mit Tablet, EKG und dem Pulsoximeter zur Messung der Sauerstoffsättigung des Blutes da. Uns fehlt noch das digitale Blutdruck- und das Blutzuckermessgerät."

Ohne ÄrztInnen geht es nicht

Die Präsidentin des Hausärzteverbands zeigt Verständnis für die anfänglichen Probleme und hofft auf baldige Lösung. "Das sind die Stolpersteine bei einer Innovation, noch ist das alles im Rahmen", sagt Römer.

Bei allem technischen Fortschritt und Aufwertung der Assistentinnen sei es aber wichtig hervorzuheben, dass es "ohne Arzt nicht geht", betont Römer. ÄrztInnen müssten dem Team vorstehen, das gebe den TMAs Sicherheit. "Wenn es Schwierigkeiten vor Ort gibt, können sie anrufen und der Arzt kann sich per Video dazu schalten. Der Patient wiederum weiß, der Doktor ist - wenngleich auch nur digital - dabei."