Lepra - auch 150 Jahre nach Entdeckung des Erregers noch keine Impfung

Einige Menschen sind verstümmelt, andere teilweise gelähmt: Lepra ist auch fast 150 Jahre nach der Entdeckung des Erregers in vielen Ländern nicht ausgerottet. Doch anders als beim Coronavirus ist ein Impfstoff immer noch nicht auf dem Markt.

Krankheit durch COVID-19 weiter aus dem Fokus geraten

Einige Menschen sind verstümmelt, andere teilweise gelähmt: Lepra ist auch fast 150 Jahre nach der Entdeckung des Erregers in vielen Ländern nicht ausgerottet. Doch anders als beim Coronavirus ist ein Impfstoff immer noch nicht auf dem Markt.

Seit gut einem Jahr sind das neue Coronavirus Sars-CoV-2 und die damit verbundene Krankheit COVID-19 das Thema rund um den Globus. Millionen Menschen infizieren sich, viele sterben. Mut machen die kürzlich zugelassenen Impfstoffe - entwickelt im Rekordtempo von wenigen Monaten.

Andere Krankheiten wie Tollwut, Malaria, Ebola, Tuberkulose und viele mehr sind seit Beginn der Corona-Pandemie aus dem Fokus geraten, obwohl ebenfalls etliche Millionen Menschen von ihnen betroffen sind - vor allem jenseits der Industrienationen. Auch Lepra gehört dazu. Ausgangsbeschränkungen und Unterbrechungen in der Gesundheitsversorgung könnten in den nächsten Jahren zu abertausenden zusätzlichen Infektionen führen, die es ohne Corona womöglich nie gegeben hätte, warnen Hilfsorganisationen weltweit. Medikamente fehlen vielerorts, coronabedingt kommt es zu Lieferengpässen.

Später Behandlungsbeginn steigert Risiko einer bleibenden Behinderung

Jenifer Gabel von der Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) in Würzburg, deren Mitarbeiter seit 1957 gegen viele Armutskrankheiten aktiv sind, sagt: "Wir haben mit den Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Ausbreitung zu kämpfen, weil unsere Leute in vielen Ländern nicht mehr an die Menschen rankommen." Gerade in ärmeren Ländern sei die Lage kritisch. "Neue Fälle können wir nicht finden und dementsprechend nicht behandeln." Ein später Behandlungsbeginn bedeute, dass das Risiko einer bleibenden Behinderung steige. Frühzeitige Behandlungen mit einem Mix aus Antibiotika seien wichtig, um solche Schäden zu verhindern. "Das ist eine Riesensorge von uns", sagt Gabel anlässlich des Welt-Lepra-Tages am 31. Januar.

Lepra wurde schon in der Bibel erwähnt und an Mumien im alten Ägypten nachgewiesen. Lepra-Bakterien zerstören die Haut und die Schleimhäute und befallen Nervenzellen. Der Erreger Mycobacterium leprae wird wahrscheinlich per Tröpfcheninfektion übertragen. "Eine Berührung allein führt noch nicht zu einer Infektion, der Kontakt muss eng und längerfristig sein", erklärt Gabel. Die durchschnittliche Inkubationszeit betrage drei bis vier Jahre, manchmal aber auch bis zu 20 Jahre.

Coronabedingte Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren erschweren die Fallsuche

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldete für das Jahr 2019 mehr als 200.000 Neuinfektionen weltweit. Die Statistik für das Jahr 2020 wird wahrscheinlich weniger Fälle aufweisen, glauben die Experten beim Würzburger Hilfswerk. "Jedoch nicht, weil sich tatsächlich weniger Menschen infizieren, sondern weil coronabedingte Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren die Fallsuche zusätzlich erschweren." In Deutschland gilt Lepra seit den 1920er Jahren als ausgerottet.

Die Krankheit ist heilbar, aber etwa vier Millionen Menschen weltweit müssen mit teils schwersten Behinderungen leben - und mit Stigmatisierung. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) können nur fünf Prozent der Weltbevölkerung überhaupt erkranken, der Rest ist immun. Bei mehr als jedem zehnten Menschen wird die Krankheit so spät entdeckt, dass körperliche Schäden bestehen bleiben.

Klinische Tests für Impfstoff sollten 2020 in Brasilien starten

Bei Mathias Duck wurde 2010 Lepra diagnostiziert. Heute gilt er als geheilt. Der Theologe mit deutschen Wurzeln lebt in Paraguay und leitet bei der internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke (Ilep) den Ausschuss der Lepra-Betroffenen. "Ich möchte keine Krankheit gegen die andere ausspielen", sagt der 42-Jährige. Aber vernachlässigte Krankheiten wie Lepra müssten wieder sichtbarer werden, trotz Corona und seinen massiven Folgen für das gesellschaftliche Leben in vielen Ländern.

"Es geht denen, die Macht, Geld und das Sagen haben, derzeit an die Haut", fasst der dreifache Vater die Pandemie-Auswirkungen zusammen. Weil von Corona alle Gesellschaftsschichten gleichermaßen betroffen seien, sei sehr viel Geld investiert worden, um gegen die Krankheit COVID-19 ein Mittel zu finden. "Wir brauchen diesen Impfstoff gegen Corona", sagt Duck, das sei keine Frage. Aber es sei schon verwunderlich, dass es gegen Lepra auch nach Jahrzehnten noch keinen Impfstoff gebe.

Seit rund 20 Jahren wird an einem Impfstoff gegen Lepra gearbeitet. 2020 sollten in Brasilien - wo Lepra sehr verbreitet ist - wichtige klinische Tests starten. "Doch da hat uns und unseren Partnern die Pandemie leider einen Strich durch die Rechnung gemacht", erläutert DAHW-Forschungskoordinatorin Christa Kasang. In diesem Frühjahr soll es nun losgehen. Sollten sich die bisherigen Testergebnisse im Verlauf der Studie bestätigen, sei mit einer Zulassung des Impfstoffes 2025 zu rechnen - mehr als 150 Jahre nach der Entdeckung des Lepra-Erregers 1873.