Lungenspezialist warnt vor Gesundheitsbelastung von Polizisten

Panik will der Berliner Lungenspezialist Christian Witt nach der Untersuchung von 45 Berliner Polizisten nicht schüren. Doch die Metall-Belastung in ihrem Blut ist auch keine Lappalie. In der Affär

Panik will der Berliner Lungenspezialist Christian Witt nach der Untersuchung von 45 Berliner Polizisten nicht schüren. Doch die Metall-Belastung in ihrem Blut ist auch keine Lappalie.

In der Affäre um schadstoffbelastete Schießstände der Berliner Polizei hat der Charité-Lungenspezialist Christian Witt mehr Aufmerksamkeit von der Politik gefordert. “Es ist nicht in Ordnung, dass man die Leute damit allein lässt”, sagte Witt der Deutschen Presse-Agentur. Die untersuchten Polizisten klagten zum Beispiel über tränende Augen, Husten, Kopfschmerzen und Bindehautentzündungen. “Wir stehen bei den Untersuchungen noch völlig am Anfang”, sagte Witt. Es gehe nicht um Panikmache. Die möglichen Zusammenhänge zwischen Munition, Schießständen und Gesundheitsproblemen der Beamten sollten aber auch nicht heruntergespielt werden.

Bei Blutanalysen von Schießtrainern und SEK-Polizisten an der Charité sind erhöhte Werte des Schwermetalls Antimon aufgefallen. Darüber hatte am Mittwochabend das rbb-Magazin Klartext berichtet. Der Stoff ist beim Bundesinstitut für Risikobewertung zum Beispiel im Zusammenhang mit Kinderspielzeug als krebserregend eingestuft. Im Blut von 43 der 45 bisher untersuchten Beamten wurden die zulässigen Grenzwerte teilweise um das zwei- bis vierfache überschritten, berichtete Witt.

Zusammenhang zwischen Munition und Gesundheitsbelastung ist nicht neu

Der Zusammenhang mit Munition sei dabei nicht neu, es gebe bereits Beobachtungen bei US-Soldaten, ergänzte er. Eine direkte Verbindung mit einer Belastung leicht über den Grenzwerten und Krebserkrankungen gebe es bisher jedoch nicht, betonte der Arzt.

Antimon könne sich überall im Körper ablagern, sagte Witt. Extrem erhöhte Mengen des Metalls im Körper stehen im Verdacht, Lungentumore auslösen zu können. Diese Gefahr sieht Witt bei den Berliner Untersuchten jedoch nicht. “Wir sollten hier keine Psychose erzeugen”, betonte er. Eine systematische Untersuchung hält er dennoch für angebracht. “Es geht darum zu differenzieren, aber auch ernsthaft zu reagieren.” Bisher seien die Polizisten freiwillig als Patienten gekommen – und nicht im Rahmen einer Studie. Das bisherige Reagieren der Politik trotz Beschwerden von Beamten geht für Witt “ein Stück in Richtung Fahrlässigkeit”.

“Das Zwischenergebnis ist schlimmer als befürchtet – und es kann noch schlimmer kommen”, sagte Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion. “Innensenator Henkel muss endlich seine Fürsorgepflicht wahrnehmen. Es ist unverständlich, weshalb es immer noch keine gesundheitlichen Angebote für die erkrankten Polizisten und kein klares Verfahren für mögliche Entschädigungen gibt.”

Viele Schießstände, die von der Polizei genutzt wurden, sorgten in den vergangenen Jahren für Probleme, weil in ihnen Schadstoffe gemessen wurden. Bei einigen waren krebserregende Mineralfasern wie Asbest in Baustoffen enthalten. Bei anderen war die Belüftung so schlecht, dass sich Schadstoffe, die beim Schießen entstehen, in der Luft sammelten. Von ursprünglich 73 Schießbahnen der Polizei werden momentan nur noch wenige genutzt.

“Man kann das Schießen nicht abschaffen, und andere Munition gibt es auch nicht”, sagt Lungenspezialist Witt. Belüftungsanlagen in Schießständen ließen sich aber verbessern. Und auch Masken könnten helfen.

Text und Foto: dpa /fw