Nächtliche Allergie-Symptome ohne ersichtliche Ursache

Durch Vertreter der Gattung Ficus verursachte Krankheiten haben schon seit langem eine arbeitsmedizinische Bedeutung. Hier finden Sie Fallvorstellungen mehrerer betroffener Patienten.

Anamnese: Der 32-jährige M. Markus, Zivilingenieur, Nichtraucher, ohne familiäre und persönliche atopische ­Vorerkrankungen, litt seit mehr als einem Jahr an nächtlicher Dyspnoe, Hustenattacken und Rhinokonjunktivitis. Verschiedene Therapieversuche blieben erfolglos, nur in den Ferien war der Patient praktisch beschwerdefrei. Mit Verdacht auf allergisches Asthma bei Hausstauballergie (bis 3 Monaten vor der Überweisung war im Haushalt eine Katze vorhanden) erfolgte schliesslich durch den Hausarzt die Überweisung auf die Allergiestation.

Allergologische Abklärung

Die Routine Prick-Tests auf Inhalationsallergene, inkl. Katzenepithelien, und auf Nahrungsmittel in der Über­sicht verliefen alle negativ. Der Total IgE-Se­rum-Spiegel war mit 105 kU/l im oberen Norm­be­reich, der Phadiatop-Test als Inhalationsscreen und spezi­fi­sche IgE (RAST) auf Hausstaubmilben waren mit <0,35 kU/l negativ. Im Blutbild zeigte sich eine Eosino­philie von 7,9%, im Metacholin-Provoka­tionstest kam es zu einem FEV1,-Abfall bei kumulativ 800 µg Metacholin. Die zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführten ­Skarifikationstests mit Eigenstaub­proben aus dem Staubsauger verliefen negativ. Zu diesem Zeitpunkt fand man keine Erklärung für die Asthma- und Rhinokonjunktivis-Symptomatik bis Kommissar «Zufall» zur Hilfe kam.

Verlauf

An einem Samstagmorgen bei Putzarbeiten und Reinigung einer 1,5 m neben dem Bett stehenden Grünpflanze kam es zu Lippenschwellung, juckenden, generalisierten urtikariellen Effloreszenzen und zu pfeifender Atmung. Bei den zur Testung mitgebrachten Blättern und Zweigen handelte es sich um Ficus benjamina (Fb) (Abb. 1). 

Ein Reibtest mit dem fein pulverisiertem Blatt und ein Prick-zu-Prick-Test mit Blatt und Saft aus dem Stengel waren stark positiv (Quaddel von 9 mm Durchmesser) (Abb. 2). Pricktests bei fünf Kontrollpersonen fielen negativ aus. Die spezifische IgE-Bestimmung mit dem damals zur Verfügung stehenden RAST-Test war mit 66 PRU/ml stark positiv. Nach Entfernung der Ficus-Pflanze aus der Wohnung kam es innert drei Monaten zu Beschwerdefreiheit. Die bronchiale Hypersensitivität verminderte sich auf eine PD20 von 2550 µg Metacholin und der RAST-Wert auf 22 PRU/ml.

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Diagnose

Asthma bronchiale allergicum, allergische Rhinokonjunktivitis und akute Urtikaria bei monovalenter Sensibilisierung auf Ficus benjamina.

Kommentar

Im Jahre 1985 wiesen Axelsson et al. [1] erstmals auf Ficus benjamina (Fb) als Inhalationsallergen bei beruflich exponierten Gärtnern und Angestellten von Pflanzenverleihfirmen hin. Später berichteten sie auch über nichtberuflich exponierte Atopiker, die durch Kontakt mit der Pflanze sensibilisiert wurden und an entsprechenden respiratorischen Symptomen litten [2]. Der oben geschilderte Fall einer monovalenten ­Fb-Allergie bei einem Nichtatopiker wurde 1993 von uns publiziert [3]. Im gleichen Jahr erfolgte eine Publikation aus der Allergiepoliklinik in Basel und der Allergiestation in Zürich, in welcher über 12 Fälle berichtet wurde, die an einer Fb-Allergie litten. Die Mehrzahl der Patienten waren polyvalent sensibilisiert. Nur bei zwei Individuen (inkl. des oben Geschilderten) lag eine monovalente Überempfindlichkeit auf Fb vor. [4]. Drei interessante Kasuistiken werden weiter unten ausgeführt.

Ficus benjamina, gelegentlich auch F. benjamini genannt, ist ein Vertreter der über 600 Arten umfassenden Gattung Ficus, welche zur Familie der Maulbeerbaumgewächse (Moraceae) gehört. Namen in englischer Sprache sind weeping fig, Java oder Ceylon willow und Bali [2] oder willow fig tree [5]. Als deutsche Bezeichnung wird Benjaminbaum angegeben [5], der Begriff Ficus benjamina ist aber bei uns am besten bekannt. Fb wächst natürlicherweise in subtropischen und tropischen Regionen, wo er eine Höhe von vielen Metern erreichen kann. Seine Blätter sind klein und ganzrändig und können bei einer etwa 1,5 m grossen Pflanze eine Oberfläche von über 3 m2 einnehmen [1]. Der durch Insekten transportierte Pollen liegt umgeben von stark reduzierten Blütenblättern in einem eingestülpten, später fleischig werdenden Fruchtkörper, welcher bei Fb als kleine, rote beerenartige Struktur imponiert. Charakteristisch für alle Ficusarten ist der Gehalt eines milchigen Saftes (Latex) in den Blättern und den Ästen der Pflanze (Abb. 1, Detail). Weitere bekannte Vertreter der Ficus-Familie sind Ficus carica. mit der essbaren Feige als Fruchtkörper und Ficus elastica der indische grossblättrige Gummibaum, aus welchem auch Kautschuk gewonnen wird. Aus dem Rindenbast südamerikanischer Ficusarten haben zudem die Azteken ihr Papier, das amatl, hergestellt [6].

Durch Vertreter der Gattung Ficus verursachte Krankheiten haben schon seit langem eine arbeitsmedizinische Bedeutung. Ficus carica enthält die phototoxisch wirksamen Substanzen 5- bzw. 8- Methoxypsoralen, insbesondere bei Feigenpflückern sind deshalb phototoxische Dermatitiden beschrieben worden, aber auch irritative Kontaktekzeme sind bekannt [7]. Obwohl der Pollen von nordamerikanischen, windbestäubten Vertretern der Maulbeerbaumgewächse schwere pollinotische Beschwerden verursachen kann, scheint der Pollen von Ficusarten aufgrund der speziellen Bestäubung keine respiratorischen Symptome auszulösen [8].

In unseren Breitengraden dient Fb ornamentalen Zwecken, er ist eine genügsame, beliebte und dementsprechend weitverbreitete Zierpflanze. Das Allergen ist im Latex lokalisiert und wird entweder beim Schneiden von Blättern und Ästen freigesetzt oder aber wahrscheinlich durch Ausscheidung an die Blattoberfläche abgegeben, wo es sich an den darauf liegenden Staub binden und zur entsprechenden respiratorischen Symptomatik führen kann.

Eine serologische Untersuchung ergab eine erhebliche Kreuzreaktivität zwischen verschiedenen Vertretern des Genus Ficus, die entsprechend dem Grad der Verwandtschaft abnahm [9]. Die Charakterisierung des Allergens des Ficus-benjamina-Latex mittels der Immunoblottechnik ergab elf Banden, davon waren drei sogenannte «major allergens» mit einem Molekulargewicht von 25, 28 und 29 kD. Interessanterweise wurden in einigen Seren auch Hinweise für eine Kreuzreaktivität mit dem Latex aus Hevea brasiliensis [10], dem potenten Allergen in latexhaltigen Gummiartikeln [11,12], festgestellt.

Zusammenfassend lassen sich bei Patienten, die eine Respirationsallergie gegenüber Fbentwickelt haben, zwei Gruppen identifizieren: Nichtatopiker, die beruflich oder nichtberuflich stark exponiert sind, und beruflich und nichtberuflich meist mässig exponierte Atopiker. Bei der heutzutage ubiquitären Verbreitung ist Ficus benjamina häufig auch am Arbeitsplatz vorhanden, wobei auch eine nicht­ berufliche, wenig ausgeprägte, aber langdauernde Exposition zur Sensibilisierung führen kann.

Kasuistik

Die 35-jährige Frau litt seit zwei Jahren vor allem in den Sommermonaten auf dem Balkon an einer rezidivierenden Rhinokonjunktivitis sowie an perennialen nächtlichen Augen- und Nasenbeschwerden.

Die Anamnese für atopische Erkrankungen war ­negativ. Keine Symptome bei Kontakt mit den zwei ­eigenen Katzen. Seit ­mehreren Jahren stand ein Ficus ­benjamina im Schlafzimmer neben dem Bett, und auf dem Balkon züchtete sie einen Bonsai-Ficus. ­Zurückschneiden des Bonsai löste urtikarielle Exantheme an unbedeckten Körperstellen aus. Hautteste mit Inhalationsallergenen inklusive Katzenepithel und Milben waren negativ.

Ein Prick-zu-Prick-Test mit dem Blatt von Fb und dem Bonsai waren 4+ positiv, ein Pricktest mit dem Blatt- und Zweigextrakt 2+ positiv. Ein konjunktivaler Provokationstest fiel ebenfalls positiv aus. Eine Spirometrie ergab normale Werte. Das Gesamt-IgE war 116 kU/l, ein Inhalations­screen (SX-1) war negativ. Spezifische IgE gegenüber Ficus spp. waren positiv (Klasse 4; 21,3 kU/l).

Somit konnte die Diagnose einer ­Rhinoconjunctivitis allergica und allergische Kontakt­urtikaria bei monovalenter Sensibilisierung gegenüber Fb gestellt werden. Nach Entfernen des Ficus aus dem Schlafzimmer und Vermeiden des Kontaktes mit dem Bonsai traten keine Beschwerden mehr auf.

Die 41-jährige Sekretärin mit familiärer ­atopischer Vorbelastung (Mutter Asthmatikerin, Bruder ­leidet an Heuschnupfen) litt während der letzten zwei Pollen­saisons an einer leichten Rhinokonjunktivitis. In den Wintermonaten traten morgendlicher Juckreiz der Konjunktiven sowie diskrete Lidschwellungen auf, weswegen sie sich in augenärztliche Behandlung begab.

Ab dem Frühjahr traten akut rezidivie­rende starke Schwellungen beider Augenlider im Sinne eines Angioödems auf, welche der Anlass zur allergo­lo­gi­schen Abklärung waren. Pricktests mit Inhalationsallergenen waren positiv gegenüber Baum-, Gräser- und Kräuterpollen. Scratchteste mit Eigenstäuben und ein Prick-zu-Prick-Test mit dem Blatt von Fb waren negativ. Das Gesamt-IgE betrug 385 kU/l, spezifische IgE gegenüber Ficus spp.waren positiv (Klasse 3; 8,6 kU/l), spezifische IgE gegenüber Gräsern und Esche ebenfalls in der Klasse 3 und gegenüber Erle und Beifuss in der Klasse 2 nachweisbar. Bluteosinophilie von 10%.

Trotz negativem Pricktest auf Fb konnte auf Grund des Nachweises spezifischer IgE auf Ficus spp. die Diagnose "allergische Konjunktivitis und Lidschwellungen (Angioödem) bei Sensibilisierung gegenüber Ficus benjamina und Rhino­conjunctivitis pollinosa" gestellt werden. Während der Abklärung erlitt die Patientin zwei ­weitere Schübe ausgeprägter Lidschwellungen, die vorübergehend den Einsatz von systemischen Kortikosteroiden und Antihistaminika notwendig machten. Nach Entfernung des Ficus aus der Wohnung erfolgte Beschwerdefreiheit während einer sechsmonatigen Nachbeobachtungszeit.

Die 21-jährige Zahnarztgehilfin mit leichter saisonale Rhinokonjunktivitis von Februar bis Juli litt seit einem Jahr, mit Beginn im Winter, zusätzlich an einer perennialen Symptomatik mit behinderter Nasen­atmung, Nasenfluss und zuletzt auch an asthmatischen Beschwerden. Während der Ferien am Meer war sie praktisch beschwerdefrei.

Zu Hause hatte sie zwei Katzen, einen Chinchilla und es bestand Hundekontakt bei den Eltern. Sie besass einen Ficus benjamina, und auch in der Zahnarztpraxis war eine solche Grünpflanze vorhanden. Es war ihr aufgefallen, dass beim Schneiden und Reinigen der Pflanze zu Hause jeweils Hautrötungen und Schwellungen auftraten. Ein Zusammenhang mit den respiratorischen Beschwerden und Fb war ihr nicht ersichtlich. Die Routine Prick- und Intrakutantests mit Inhalationsallergen inkl. Pollen (Eschenpollen wurde zum damaligen Zeitpunkt nicht routinemässig getestet!) fielen negativ aus, ebenfalls Skarifikationstests mit Eigenstäuben und mit Katzen-, Chinchilla- und Hunde-Epithelien.

Ein Prick-zu-Prick-Test mit Ficusblatt war fraglich positiv, jedoch ein RAST/CAP mit Fb mit Klasse 5 (73 kU/l) massiv positiv, mit Hausstaubmilbe, Tierepithelien und Latex aber negativ. Ein Metacholin-Provokationstest zeigte einen FEV1-Abfall von 35% nach kumulativ 800 µg Metacholin. Vier Monate nach Entfernung des Ficus zu Hause und im Geschäft war sie beschwerdefrei, ausser bei Anstrengung. Der Metacholintest blieb bei einer PD20 von 800 µg Metacholin weiterhin positiv, die sIgE auf Fb fielen auf Klasse 4 (30,1 kU/l) leicht ab. Nur mit der serologischen Untersuchung konnte eine monovalente Fb-Allergie bei einer offenbar Nichtatopikerin bestätigt werden.

Literatur:
  1. Axelsson G., Skedinger M, Zetterström O: Allergy to weeping fig – a new occupational disease. Allergy 1985; 40: 461–4.
  2. Axelsson IGK, Johansson SGO, Zetterström O: A new indoor allergen from a common non-flowering plant. Allergy 1987; 42: 604–11.
  3. Schmid P, Stöger P, Wüthrich B: Severe isolated allergy to Ficus bernjamina after bedroom exposure. Allergy 1993; 48: 466–7.
  4. Bircher A, Wüthrich B, Langauer S, Schmid P: Ficus benjamina, ein perenniales Inhalationsallergen von zunehmender Bedeutung. Schweiz Med Wochenschr 1993; 123: 1153–9.
  5. Gerth van Wijk H: A dictionary of plantnames. Den Haag: Martinus Nijhoff, 1911: 543–546.
  6. Hunter D: Papermaking. 2. Aufl. New York: Dover, 1978: 25–29.
  7. Benezra C, Ducombs G, Sell Y, Foussereau J: Plant contact dermatitis. Toronto/Philadelphia: BC Decker, 1985: 189.
  8. Wodehouse RP: Hayfever plants. 2. Aufl. New York: Hafner, 1971: 102–104.
  9. Axelsson I, Johansson S, Larsson P, Zetterström 0: Serum reactivity to other indoor ficus plants in patients with allergy to weeping fig (Ficus benjamina). Allergy 1991; 46: 92–98.
  10. Axelsson I, Johansson S, Larsson P, Zetterström 0: Characterization of allergenic components in sap extract from the weeping fig (Ficus benjamina). Int Arch Allergy Appl Immunol 1990; 91: 130-135.
  11. Fabro L, Mühlethaler K, Wüthrich B: Anaphylaktische Reaktion auf Latex, ein Soforttypallergen von zunehmender Bedeutung. Hautarzt 1989; 40: 208–211.
  12. Bircher AJ, Langauer S, Levy F, Wahl R. The allergen of Ficus benjamina in house dust. Clin Exp Allergy. 1995;25: 228–33.

Erstveröffentlichung auf medizinonline.ch