Patienten mit Atemwegsproblemen: Tops und Flops der täglichen Praxis

Liebe Kolleginnen und Kollegen,da wir gerade beim Thema künstliche Intelligenz waren: Haben Sie schon von der „Klug entscheiden“-Initiative gehört oder gelesen? Gemeint ist diesmal der Mensch, also Sie persönlich. Nicht alles, was aus Amerika zu uns kommt, ist gut, die „Choosing wisely“-Kampagne aber wohl eher schon.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

da wir gerade beim Thema künstliche Intelligenz waren: Haben Sie schon von der „Klug entscheiden“-Initiative gehört oder gelesen? Gemeint ist diesmal der Mensch, also Sie persönlich. Nicht alles, was aus Amerika zu uns kommt, ist gut, die „Choosing wisely“-Kampagne aber wohl eher schon. Sie wurde vor fünf Jahren vom American Board of Internal Medicine (ABIM) gestartet. Mit dem Ziel, nicht indizierte Untersuchungen und Maßnahmen zu reduzieren, die Kommunikation mit Patienten und Angehörigen zu stärken, die gemeinsame Entscheidungsfindung voranzubringen und die Ressourcenallokation zu verbessern. Über 60 amerikanische Fachgesellschaften haben sich der Initiative zwischenzeitlich angeschlossen und Top- bzw. Flop-Listen mit medizinischen Maßnahmen erstellt, die die Ärzte lieber bleiben lassen sollten.

Top- und Flop-Listen für ärztliche Maßnahmen – auch in der Pneumologie

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hat dieses Konzept unter dem Titel „Klug entscheiden“ aufgegriffen, um ihren Beitrag gegen Über-, aber auch gegen Unterversorgung zu leisten. Sie hat ihre Schwerpunktfächer bzw. die sie vertretenden Fachgesellschaften dazu aufgerufen, jeweils fünf evidenzbasierte Positiv- und Negativempfehlungen für ihr Fachgebiet zu veröffentlichen. Bei den Positiv-Empfehlungen geht es um diagnostisch-therapeutische Maßnahmen mit klarem Nutzen, die häufig nicht durchgeführt werden. Die Negativ-Empfehlungen adressieren dagegen diagnostisch-therapeutische Maßnahmen, die zwar häufig durchgeführt werden, für den Patienten aber nicht nutzbringend sind.

Die „klugen“ Empfehlungen aus den Fachgesellschaften wurden im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht und sind auf der Website der DGIM downloadbar. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat ihren Beitrag im Mai veröffentlicht. Falls Sie ihn nicht gelesen haben sollten oder Ihr Erinnerungsvermögen testen möchten – wir fassen die zehn Empfehlungen hier nochmal zusammen:

Die Positivempfehlungen

  1. Jeder Raucher soll eine Messung der Lungenfunktion erhalten.
  1. Jedem Raucher mit einer chronischen Lungenerkrankung soll eine strukturierte Tabakrauchentwöhnung angeboten werden.
  1. Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen sollen ab dem 60. Lebensjahr gegen Influenza   und Pneumokokken geimpft werden.
  1. Nach einer akuten Exazerbation einer COPD, die zu einem Krankenhausaufenthalt führte, soll eine pneumologische Rehabilitation erfolgen.
  1. Bei Adipösen, Diabetikern, Patienten mit Vorhofflimmern und Patienten mit Hypertonie, die über Schnarchen berichten, soll die Diagnostik zum Ausschluss eines Schlafapnoesyndroms erfolgen.

Die Negativempfehlungen

  1. Eine akute unkomplizierte Bronchitis bei Patienten ohne chronische Lungenerkrankung soll nicht mit einem Antibiotikum behandelt werden.
  1. Bei einer niedrigen klinischen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie und negativen D-Dimeren soll keine CT-Angiographie der Lunge durchgeführt werden.
  1. Bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD soll eine Therapie mit Inhalatoren nicht begonnen oder geändert werden, ohne dass der Patient im Gebrauch des Inhalationssystems geschult ist und die korrekte Anwendung der Inhalatoren überprüft wurde.
  1. Bei Patienten, denen im Krankenhaus wegen einer akuten Verschlechterung ihrer Erkrankung eine Langzeit-Sauerstofftherapie verordnet wurde, soll ohne Überprüfung der Notwendigkeit (weiter  andauernde Hypoxämie)  keine Weiterverordnung erfolgen.
  1. CT-Screening für Lungenkrebs soll bei Patienten mit einem niedrigen Risiko nicht durchgeführt werden.

Wer viel kann, kann auch verzichten

Nach den Vorstellungen der Protagonisten soll „Klug entscheiden“ eine konkrete Hilfe bei der Indikationsstellung zu diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sein. Zudem soll die Initiative grundsätzlich dafür sensibilisieren, klug zu entscheiden und nicht alles medizinisch Machbare zu tun.

Unsere Meinung dazu: Eine selbstkritische Reflexion des eigenen täglichen Handelns ist für jeden Arzt angebracht – und wird von den verantwortungsvollen Kollegen auch regelmäßig betrieben. Klug entscheiden klingt einfach, ist in der Praxis aber häufig ein komplexer Vorgang, der nicht selten durch verschiedene und teilweise schwer beeinflussbare Faktoren erschwert wird.

Die abgedroschene Phrase vom „Weniger ist mehr“ hat in der Medizin an so manchen Stellen ihre Berechtigung. Sie umzusetzen erfordert vor allem zwei Dinge: Mut und Kompetenz. Denn nur wer viel kann, kann sich auch trauen, guten Gewissens auf das eine oder andere zu verzichten.

Referenz:

Jany B et al. Klug entscheiden … in  der  Pneumologie. Dtsch Arztebl 2016;113(19):A930-33.