Pflegeheime suchen nach Alternativen zu bewegungseinschränkenden Maßnahmen

Vorkehrungen in Pflegeheimen, die die Bewegungsfreiheit von Bewohnern einschränken, sind nicht unumstritten. Immer mehr Einrichtungen suchen nun nach Alternativen.

Bettgitter am Pflegebett - heikles Thema für Heime 

Vorkehrungen in Pflegeheimen, die die Bewegungsfreiheit von Bewohnern einschränken, sind nicht unumstritten. Immer mehr Einrichtungen suchen nun nach Alternativen.

Bettgitter oder Haltegurte an Rollstühlen: Die Amtsgerichte in Thüringen genehmigen nach Angaben des Justizministeriums jährlich in etwa 1000 Fällen Vorkehrungen, die die Bewegungsfreiheit von hilfsbedürftigen Erwachsenen einschränken. Betroffen sind unter anderem Pflegebedürftige in Altenheimen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können und deshalb einen offiziellen Betreuer zur Seite haben.

Können sie die zu ihrem Schutz getroffenen Vorkehrungen nicht mehr ohne fremde Hilfe überwinden, gilt dies als freiheitsentziehende Maßnahme. Sind Pflegebedürftige nicht in der Lage, selbst zuzustimmen oder abzulehnen, müssen derartige Einschränkungen gerichtlich genehmigt werden.

Hauptgrund für solche Einschränkungen ist nach Beobachtungen von Pflegeexperten die Angst der Heime vor Sturzverletzungen bei Bewohnern. Auch die Sorge, dass Demenzkranke weglaufen könnten, spielt eine Rolle. "Die Standards zur Sturzprophylaxe haben zum Beispiel Bettgittern Vorschub geleistet", sagte Nadine Lopuszanski, Landesvorstandsmitglied im Dachverband bpa der privaten Pflegeanbieter. Heimbetreiber fürchteten, von den Krankenkassen zur Zahlung verpflichtet zu werden, sollten Bewohner wegen Sturzverletzungen behandelt werden müssen. Das sorge für Verunsicherung beim Personal.

"Das ist schwer wieder aus den Köpfen herauszukriegen", erklärte Lopuszanski, selbst Leiterin eines Heims in Arnstadt. Zunehmend suchten die Heime aber nach Alternativen. Sie böten etwa Kraft- und Balancetraining für die hilfsbedürftigen Menschen an oder stellten Niedrigbetten auf, die die Verletzungsgefahr bei Stürzen aus dem Bett verringerten. Angela Börner, Pflegewissenschaftlerin vom Pflegestützpunkt Jena, sieht vor allem Wissensdefizite beim Personal.

Am Amtsgericht Weimar gingen im vergangenen Jahr 40 entsprechende Anträge ein, wie Direktorin Carolina Brauhardt sagte. Nur zehn wurden genehmigt. Häufig seien die Anträge überhaupt nicht erforderlich. Wenn sich etwa Pflegebedürftige wegen einer Lähmung ohnehin nicht fortbewegen und auch ihren Willen nicht mehr äußern könnten, sei ein Bettgitter auch keine genehmigungsbedürftige Vorkehrung. Könnten Pflegedürftige noch selbst zustimmen oder ablehnen, reiche eine mündliche Erklärung gegenüber dem Heim.

"Wir prüfen solche Anträge sehr restriktiv", erklärte die Richterin. Es sei auffällig, dass manche Heime Betreuer oder Angehörige von Bewohnern dazu drängten, freiheitsentziehende Maßnahmen zu beantragen - um sich selbst abzusichern. "Ich habe meine Zweifel, ob das gut durchdacht ist."

Pflegewissenschaftlerin Börner sieht dennoch Fortschritte. "Früher wurde zu häufig und unbedacht zu solchen Maßnahmen gegriffen." Allmählich entwickelten die Einrichtungen mehr Sensibilität. "Da ändert sich gerade etwas." Anteil daran habe ein Leitfaden der Landesregierung mit Empfehlungen zum Umgang mit Freiheitseinschränkungen. Zudem gebe es immer mehr technische Hilfsmittel, etwa Sensormatten auf dem Fußboden, die beim Betreten Alarm geben und an die Schwestern-Rufanlagen angekoppelt werden könnten.

In Thüringen leben nach amtlicher Statistik rund 27.000 auf Pflege angewiesene Menschen in mehr als 450 Heimen. Insgesamt sind mehr als 94.000 Thüringer pflegebedürftig.