Robotik in der Altenpflege - Wenn die Maschine Hilfe braucht

Welche Technologien sind sinnvoll für Pflegeheimbewohner? Und wie können sie so gestaltet werden, dass sowohl ihre Bedürfnisse respektiert als auch ihre Würde gewahrt werden kann?

So gelingt der sinnvolle Einsatz von Robotern in der Pflege

Google liefert zum Suchbegriff "Pflegeroboter" überwiegend niedliche, menschenartige, weiß-glänzende Modelle – ein Kindchen-Schema in Apple-Optik. Der humanoide Roboter Pepper zum Beispiel wurde in Deutschland bereits getestet. Der Hersteller von Pepper "Humanizing Robotics & AI" wirbt mit dem integrierten "Social Happiness Paket" für Pflegeheime. Pepper spricht, kann Ratespiele spielen, Witze erzählen und Mobilitätsprogramme mit Menschen durchführen. Der "Happiness Hero" will Freude bereiten und liebt es, unter Menschen zu sein. Glaubt man dem Versprechen, ist Pepper der geborene Entertainer in den Pflegeheime, denn er bringt den pflegebedürftigen Menschen endlich die Aufmerksamkeit entgegen, die sie verdienen und der Pflegekraft Zeit, sich um die Arbeit zu kümmern.  

Technisch ist im Bereich Robotik schon sehr viel möglich – Roboter lernen schnell und werden mit jedem Modell besser.

Zwei Haken an der Sache fallen bei näherer Betrachtung auf: Erstens wird die Pflegekraft und der Patient nicht mit in die Entwicklung der Pflegeroboter einbezogen. Die technischen Innovationen fragen nicht nach dem tatsächlichen Bedarf. Zweitens wirft die Simulation von sozialem und emotionalem Austausch ethische Fragen auf. 

Sanne: integrierte Roboterentwicklung für die Pflege

Das hat auch die interdisziplinäre Forschungsgruppe des Forschungsprojekts "ReThiCare - Rethinking Care Robots" erkannt. Das Projekt wird von der Volkswagen Stiftung gefördert und geht folgenden Fragen nach: "Wann sind welche Technologien wirklich sinnvoll für alte Menschen und Pflegekräfte? Und wie können sie so gestaltet werden, dass sowohl die Bedürfnisse der Menschen respektiert als auch ihre Würde gewahrt werden kann?" Um Antworten darauf zu finden und den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln, hat die Forschungsgruppe viel Zeit in Pflegeheimen verbracht, beobachtet, Notizen gemacht und überraschende Einsichten gewonnen: Es musste darum gehen, eine Interaktion herzustellen, die gegenseitig ist, Langeweile vertreibt und aktiviert.

Daraus entstand die Idee eines mobilen Roboters, der Hilfe bei der Ausübung seiner Arbeit benötigt. Angepasst an die Bedürfnisse und Vorlieben der Senioren entwickelten die Forschenden einen saugfähigen Roboter in Form einer orangefarbenen Katze mit großen Kulleraugen. Sanne, so der Name der Saugroboter-Katze, fährt sich in der Einrichtung schon mal an einer Ecke oder unter dem Tisch fest und muss dann von den Bewohnern befreit werden, damit sie weiter saugen kann. Das ist unterhaltsam, aktiviert gleichzeitig zum Streicheln und zur Handdesinfektion und nimmt der Pflegekraft Arbeit ab. Behutsame Tests in Seniorenheimen mit Demenzpatienten haben durchweg positive Ergebnisse erzielt. Nicht ein Patient fühlte sich von Sanne irritiert oder bedroht. 

IntiMe und IntiMu: "Pflegeroboter" mal anders 

Auch dem Wunsch der Bewohner nach Pflanzen in der Einrichtung, dem aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens des Personals sonst nicht stattgegeben werden konnte, konnte die Forschungsgruppe entsprechen. Sie entwickelte einen Plant Watering Robot, der selbständig gießt, so dass die Pflegekräfte keine Zeit darauf verwenden müssen. Ihm zuzusehen bringt den Heimbewohnern Spaß und Abwechslung, und sie müssen manchmal den Weg für ihn freiräumen, da er nicht immer ganz reibungslos funktioniert.   

Wie sich herausstellte, ist ein weiteres wichtiges und auch sensibles Thema für Senioren das Erleben von Intimität und Sexualität. Die Forschungsgruppe entwickelte zwei Tools, IntiMe und IntiMus. Eine mit Sensoren bestückte Decke, die vibriert, wenn man sie auf den Körper legt sowie einen Handschuh mit mehreren Öffnungen, durch den sich die Senioren gegenseitig berühren und Vibrationen und Geräusche erzeugen können. Die Geräte sind diskret und erlauben eine vorsichtige Annäherung an die Bedürfnisse der Senioren und ihre Erkundung. 

Pflegeroboter mal anders gedacht – das könnten die wahren Happiness-Heroes sein.

Referenzen:

  1. https://www.tatup.de/index.php/tatup/article/view/6958/11707
  2. https://dl.acm.org/doi/10.1145/3491102.3517463
  3. https://www.volkswagenstiftung.de/aktuelles-presse/themenschwerpunkt-kuenstliche-intelligenz-und-die-gesellschaft-von-morgen
  4. https://humanizing.com/de/pepper-roboter-humanoider-roboter-von-softbank-robotics-fuer-handel-messen-empfaenge-showrooms-happiness-hero/