Politik und Wirtschaft richten sich auf Dauer-Pandemie ein

Mit Bereitschaftsverträgen will die Bundesregierung die Impfstoff-Versorgung bei Pandemien sichern, ein Zehn-Punkte-Plan soll die Wirtschaft stärken und die Impfpflicht Druck aufbauen.

10-Punkte-Plan, um Deutschland als Industriestandort zu stärken

Vor dem Hintergrund einer Corona-Bilanz mit bislang 18,7 Millionen Infektionen, 132.000 Toten und einem Wertschöpfungsverlust der deutschen Volkswirtschaft von 350 Milliarden Euro – pro Kopf der Bevölkerung fast 4.300 Euro – haben die deutschen Industrieverbände ein Zehn-Punkte-Programm zur Stärkung der Resilienz bei künftigen Krisen und Pandemien entwickelt.

Dazu zählt eine durchgehende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und insbesondere des Gesundheitssystems. Vor allem müsse die elektronische Patientenakte zügig vorangetrieben werden, unter anderem auch für eine Impfsurveillance, um künftig das Pandemiemanagement zu erleichtern. Um den globalen Gesundheitshandel auch über die Corona-Krise hinaus zu erleichtern, sollten alle Länder, die der Welthandelsorganisation WTO angehören, sich rasch auf ein WTO-Gesundheitsabkommen einigen.

Ferner bedürfe es bundesweit einheitlicher Kriterien und Vorgaben zur Arbeitsquarantäne und einheitlicher Flexibilisierungsoptionen zur Arbeitszeit; Sonderregeln sollten zur Aufrechterhaltung der Logistik und Lieferketten etabliert werden.

Unternehmen brauchen zur Pandemiebekämpfung ein übersichtliches Regelwerk. Unternehmen und Betriebsärzte müssten frühzeitig in Impfkampagnen einbezogen werden und Impfstoffe ohne Kontingentierung erhalten. Für betriebsärztliche Impfungen müsse eine belastbare gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Der Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland müsse für Gesundheitsgüter gestärkt werden. Zulassungsprozesse für dringend benötigte medizinische Güter müssten unter Wahrung der Qualitätssicherung beschleunigt und in der EU und den USA gegenseitig anerkannt werden.

Der effektivste Weg, die Pandemie wirksam einzudämmen, sei eine weltweite Impfkampagne. Die Aufhebung von nationalen Handelsbarrieren in Form nationaler Exportverbote für Impfstoffe, impfrelevante Vorprodukte oder Produktionsausrüstung könne die Impfstoffproduktion  deutlich beschleunigen und die Versorgung von Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützen. 

Krankenhäuser: Corona-Belegung auf Rekordniveau, hohe Personalausfälle

Vor dem Hintergrund der seit Mitte Februar wieder steigenden Inzidenz melden die Krankenhäuser einen Anstieg der hospitalisierten Corona-Patienten um 60 Prozent seit Anfang Februar auf über 24.000 Patienten. Die weitaus meisten werden auf Normalstationen versorgt, müssen aber von übrigen Patienten isoliert werden, was erhöhten Personalbedarf erfordert. Zugleich melden 90 Prozent der Krankenhäuser coronabedingte Personalausfälle, die über den saisonal üblichen Krankenständen liegen. Bei der Hälfte der Kliniken liegen die Ausfälle  beim Pflegepersonal zwischen 5 und 20 Prozent über dem üblichen Krankenstand, bei 40 Prozent sogar noch höher.  In Prozent der Kliniken können Intensivkapazitäten als Folge von Personalmangel nicht komplett betrieben werden.

Arztpraxen: überwiegend Viertimpfungen, fast keine Erstimpfungen

Nach Angaben des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung haben die Vertragsärzte in  der zweiten Märzwoche insgesamt fast 660.000 Impfungen (Vorwoche: 641.000) vorgenommen. In der gesamten Impfkampagne werden 85,4 Millionen Impfungen erreicht. Beteiligt haben sich zuletzt 25.212 Praxen mit 49.152 Vertragsärzten; zu Spitzenzeiten im Dezember 2021 lagen die Zahlen fast doppelt so hoch. Aktuell könnte die Zahl der Impfungen problemlos gesteigert werden.

Das Impfgeschehen verlagert sich dabei immer stärker auf Wiederholungsimpfungen. Für den 17. März meldet das ZI beispielsweise insgesamt 162.000 Impfungen, darunter 95.810 Viertimpfungen und 52.741 Drittimpfungen, aber nur 3.528 Erstimpfungen. Daher gibt es so gut wie keine Fortschritte bei jenem Viertel der Bevölkerung, die bislang überhaupt keinen Impfschutz haben. Auch die gegenwärtig laufende Informations-und Werbekampagne der  Bundesregierung scheint daran nichts zu ändern.

Vor diesem Hintergrund findet am heutigen Montag eine Anhörung von Experten und Organisationen des Gesundheitswesens zu den verschiedenen Gesetzesentwürfen für eine Impfpflicht im Gesundheitsausschuss des Bundestages statt. Sie waren am Donnerstag in erster Lesung kontrovers beraten worden; die zweite und dritte Lesung finden Anfang April statt.

Bundeskabinett beschließt Langfrist-Verträge für Impfstoffversorgung

Mit fünf Impfstoffherstellern – BioNTech, Bietergemeinschaft CureVac/GSK, Bietergemeinschaft Wacker/CordonPharma, Celonic und IDT Dessau – schließt die Bundesregierung Pandemiebereitschaftsverträge, die im Fall des Andauerns der Covid-19-Pandemie oder einer neuen Pandemie den Zugriff auf Produktionskapazitäten der Unternehmen gewähren. Die Verwaltung und das Management übernimmt das neu errichtete Zentrum für Pandemieimpfstoffe und –Therapeutika beim Paul-Ehrlich-Institut im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsministeriums. Der Bund zahlt den Unternehmen ein jährliches Bereitschaftsgeld dafür, dass die Kapazitäten erhalten und zeitnah für die Produktion von Impfstoffen zur Verfügung stehen. Die Kosten für die Jahre 2022 bis 2029 werden mit bis zu 2,861 Milliarden Euro angegeben.