Potenziale und Grenzen von Registern

Register stellen stets eine Momentaufnahme dar. Deutschland hat bei der Erhebung von Daten Nachholbedarf.

Register stellen stets eine Momentaufnahme dar. Deutschland hat bei der Erhebung von Daten Nachholbedarf.

Einige der Hauptanwendungsgebiete von Big Data und künstlicher Intelligenz in Medizin und Forschung dürften die Analyse großer Datenmengen sowie die Identifikation von Zusammenhängen zwischen Risikofaktoren, Erkrankungen und Komorbiditäten von Patientinnen und Patienten werden. Das setzt voraus, dass vor allem epidemiologische Informationen zur Häufigkeit und Verbreitung von Krankheiten in demografisch abgrenzbaren Gruppen systematisch erfasst werden.

"Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medizin ist nur vorstellbar, wenn wir über hochwertige Registerdaten verfügen", erklärte Professor Wilhelm Haverkamp, stellvertretender Klinikdirektor und Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie an der Charité, in einer Session zu Registern in der Kardiologie auf den DGK-Herztagen 2019. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung will den Aufbau patientenbezogener Register fachbereichsübergreifend bis 2024 zwar mit bis zu 13,5 Millionen Euro fördern. Den Status-quo bewertet Haverkamp negativ: "Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Entwicklungsland."

Haverkamp stellte in seinem Vortrag einige bereits bestehende Register aus dem Bereich Vorhofflimmern vor. Eines davon ist das vom Kompetenznetz Vorhofflimmern etablierte Basis-AF-Register. In dieses sind zwischen 2004 und 2006 Daten von 9.582 PatientInnen mit dokumentiertem Vorhofflimmern eingeflossen, die zu 39,5 Prozent von Universitätskliniken beziehungsweise großen akademischen Kliniken, zu 24,5 Prozent aus regionalen Krankenhäusern sowie zu 27,5 Prozent aus kardiologische Praxen und 8,5 Prozent aus internistischen oder allgemeinmedizinischen Praxen stammen. "Auf diese Weise ergibt das Register ein repräsentatives Bild der Versorgungsrealität in Deutschland", schreibt das Kompetenznetz auf seiner Internetseite. Mit 57.262 eingetragenen PatientInnen mit Vorhofflimmern ist das internationale Register Garfield-AF noch einmal deutlich umfangreicher.

"Registerdaten sind vergänglich"

Die Aussagekraft von Registern bleibt begrenzt. "Registerdaten sind vergänglich", sagt Haverkamp. Sie würden immer nur eine Momentaufnahme darstellen und müssten interpretiert werden. "In der Katheterablation hat sich sehr viel verändert", meint Haverkamp. Hier habe es deutliche Fortschritte gegeben. In den älteren Registern würde dieser Fortschritt nicht berücksichtigt. Tendenzen, ergänzend zu Studien stärker "Real-World-Data" aus der Gesundheitsversorgung zu nutzen, sind auch in der Kardiologie zu sehen. In das dänische Ablationsregister werden beispielsweise die Daten aller PatientInnen eingespeist, die einen Katheter aufgrund von Vorhofflimmern abladiert bekommen haben.

Professor Christian Hamm, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Universitätsklinikums Gießen-Marburg, wies in seinem Vortrag über das Gary-Register (German Aortic Valve Registry) auf einige grundlegende Regeln für die Interpretation von Register-Daten hin. "Ein Register soll die Therapie nicht groß beeinflussen", sagte Hamm. Es könne aber helfen, Hypothesen zu entwickeln. Ein Ersatz für kontrollierte randomisierte Studien seien Register nicht.

Das Gary-Register enthält Daten von etwa 125.000 Patientinnen und Patienten, bei denen entweder eine Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) beziehungsweise ein chirurgischer Aortenklappenersatz vorgenommen wurden. Das Register liefert regelmäßig Daten wie beispielsweise, dass sich zwischen 2011 und 2015 die Zahl der an deutschen Herzzentren vorgenommenen Transkatheter-Aortenklappen-Implantationen mehr als verdoppelt habe. Doch Hamm rät bezüglich der Beurteilung der Wirksamkeit von Therapien zu einem kritischen Umgang mit den Datenmengen. Ob ein chirurgischer Eingriff nun besser sei als TAVI und bei welchen Patientinnen und Patienten, lasse sich ausschließlich mit Hilfe des Registers nicht begründen.

Referenzen:
1. DGK Herztage 2019. Session „Versorgungsforschung – Welche Fragen können Register wirklich beantworten?“ Berlin, 12. Oktober 2019
2. Overbeck, Peter: „TAVI in Deutschland: Deutliche Abnahme der Mortalität“ (2017). https://www.kardiologie.org/herzklappenersatz/tavi-in-deutschland-deutliche-abnahme-der-mortalitaet/12241578
3. https://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de/de/forschung/register-epidemiologische-studien-nicht-interventionelle-studien/basis-af-register