Prof. Jalid Sehouli: Der Digitale Studientag 2022

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der gynäkologischen und urologischen Onkologie wird immer wichtiger. Im Interview spricht Initiator Prof. Jalid Sehouli über die Highlights des neuen Formats.

Das sollten Sie über den Studientag 2022 wissen 

  1. Der Studientag präsentiert Neuigkeiten zu Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Nachsorge in der gynäkologischen und urologischen Onkologie.
  2. Therapie von BRCA-Mutationen muss über die klassischen Leitlinien hinausgehen, neue Studien und innovative Ansätze sind notwendig.
  3. Highlights im Bereich Gynäkologische Onkologie sind Therapien mit  PARP-Inhibitoren.

Warum gibt es den Digitalen Studientag?

Mit dem Studientag sollen sowohl Patienten als auch Ärzte angesprochen werden. Es wurden kompakte Informationen aus der gynäkologischen Onkologie und der urologischen Onkologie präsentiert, aktuelle Studien zu Eierstock-, Gebärmutterkörper- und Gebärmutterhalskrebs sowie Blasen-, Nieren-, und Prostatakrebs und und neue Behandlungsmöglichkeiten wie die individualisierte Therapie vorgestellt.

Rückblick für Ärzte: Studientag im Video

Ärztinnen und Ärzte können sich die für sie wichtigen Highlights vom Studientag 2022 nochmal im Rückblick als Video ansehen:

Herr Dr. Sehouli spricht über den Studientag 

esanum: Haben Sie bereits Zahlen, wieviele Ärztinnen und Ärzte, aber auch wieviele Patientinnen und Patienten am Digitalen Studientag 2022 teilgenommen haben?

Sehouli: Bei der Veranstaltung in diesem Jahr waren mehr als 200 Ärztinnen und Ärzte digital zugeschaltet und in etwa doppelt so viele Patientinnen und Patienten. Dieses Format haben wir ursprünglich zum Weltkrebstag ins Leben gerufen, der ja auch immer in der gleichen Woche wie unser Studientag liegt. Die klinische Forschung ist eine der wesentlichen Säulen für die weitere Erhöhung der Überlebensraten und zur Verbesserung der Lebensqualität unserer Patientinnen und Patienten.

Wir wollen dort komplexe Themen, wie Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Nachsorge besprechen, aber auch über Fortschritte berichten. Das Schöne ist, dass sich die Studienqualität regional, national und auch international verbessert hat. Dafür haben wir den Studientag ins Leben gerufen, um zum einen die Frauenmedizin in den Fokus zu stellen, zum anderen auch, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass wir immer mehr auch genderunabhängige, tumorentitäts-übergreifende innovative Therapieansätze sehen, die aus der Systembiologie kommen. Aus diesem Grund haben wir Herrn Prof. Dr. Thorsten Schlomm und sein Team in diesem Jahr eingeladen, die Innovationen und Entwicklungen in der Uroonkologie einmal für uns zusammenzufassen und vorzustellen. Und wir haben da auch viele Gemeinsamkeiten identifiziert und Aspekte der Frauen- und Männergesundheit zum Ausdruck gebracht. Wir arbeiten seit Jahren sowohl in der klinischen Praxis als auch im Rahmen unseres Charité Comprehensive Cancer Centers sehr eng zusammen.

esanum: Was sind für Sie die wichtigsten Motive, dass es ein Format wie den Studientag auch fortlaufend braucht?

Sehouli: Die personalisierte Medizin geht über die histologischen und auch die klassischen Tumor-Organ-Grenzen hinaus. Aktuell haben wir z.B. die BRCA-Mutationen diskutiert, die wir ja sowohl beim Ovarialkarzinom als auch beim triple-negativen Mammakarzinom seit Jahrzehnten kennen, und dies auch Grundlage einer individualisierten Therapieentscheidung ist. Ebenso spielt dies aber auch in der Urologie eine zunehmende Rolle. So treten beispielsweise beim Prostatakarzinom Fälle mit BRCA-Mutation auf und wir nutzen mittlerweile auch hier PARP-Inhibitoren in der Therapie. Dieser sektorenübergreifende Crosstalk ist extrem wichtig. Viele Patientinnen und Patienten sind Langzeitüberlebende und haben oft zahlreiche Therapieansätze hinter sich. Bei denen ist die klassische Leitlinie oft überfragt und deshalb brauchen wir neue Studien und innovative Ansätze, um auch diesen Menschen weiterhelfen zu können. Oftmals ist es jedoch leider so, dass die Patientinnen und Patienten, aber auch deren behandelnde Ärztinnen und Ärzte, zwar bereit sind für Innovationen, aber die Studienprogramme nicht kennen und aufgrund dessen dort auch nicht teilnehmen können.

esanum: Interdisziplinär, evidenzbasiert und mit einem großen Fokus auch auf neue Studien am Horizont, das sind die Leitthemen des von Ihnen initiierten Studientags: Was sind denn in diesem Jahr Ihre persönlichen Highlights im Bereich Gynäkologische Onkologie?

Sehouli: Die PARP-Inhibitoren stellen einen großen Meilenstein in der Onkologie dar. Einmal bei den BRCA-positiven Patientinnen und Patienten als Monotherapie, die im Vergleich zur Chemotherapie oft sogar besser ist. Zum anderen wissen wir, dass die Erhaltungstherapie immer mehr Bedeutung bekommt. Viele Tumoren rezidivieren nach einigen wenigen Jahren wieder und genau da bieten die PARP-Inhibitoren, die Angiogenese-Inhibitoren und auch die Checkpoint-Inhibition eine Möglichkeit, die Erhaltungstherapie zu sichern sowie das progressionsfreie Überleben zu verlängern.   

esanum: Möchten Sie gern noch etwas ergänzen, was bisher nicht angesprochen wurde?

Sehouli: Ja, unbedingt. Eine Strategie für die Zukunft ist, die Ärztinnen und Ärzte zu informieren, welche Studien es gibt und auch die Einschluss- und Ausschlusskriterien zu erklären. Zweitens geht es darum, das Wort “Studie” zu entmystifizieren. Es gibt immer u. a. noch viele Vorurteile gegenüber den damit verbundenen Experimenten. Und drittens bekommen viele Patientinnen und Patienten nach wie vor nicht angeboten, an Studien teilnehmen zu können. Daher finde ich es so wichtig, dass dieser direkte kommunikative Kanal zu den Patientinnen und Patienten aufrechterhalten wird. Der Studientag ermöglicht, sich zu aktuell laufenden Studien zu informieren und auch regional und überregional Ansprechpartner zu finden, sowohl für Ärztinnen und Ärzte als auch für deren Patientinnen und Patienten. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir Patientinnen und Patienten befähigen (“empowern“), selbst mit in die Entscheidung zu gehen, denn eine klinische Studie ist immer eine sehr gute Alternative und das ist es, was die Patientinnen und Patienten fordern: eine weitere gute Alternative in ihrer Behandlung. Daher haben wir das Studienportal für Patientinnen und Angehörige entwickelt.