Ratgeber soll Ärzten helfen Missbrauchsfälle zu identifizieren

Blutergüsse und Narben an ungewöhnlichen Stellen sowie mangelnde Hygiene können Hinweise auf Misshandlungen bei Kindern sein. Ein aktualisierter Ratgeber soll Ärzten bei der Früherkennung helfen. H

Blutergüsse und Narben an ungewöhnlichen Stellen sowie mangelnde Hygiene können Hinweise auf Misshandlungen bei Kindern sein. Ein aktualisierter Ratgeber soll Ärzten bei der Früherkennung helfen.

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Insgesamt 704 Fälle von Missbrauch und Misshandlung von Kindern sind laut polizeilicher Kriminalstatistik 2014 in Sachsen-Anhalt registriert worden – etwa 16 Prozent mehr als 2013. Rein rechnerisch hat es jede Woche zehn Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben. “Gewalt an Kindern kann durch eine gestiegene Sensibilisierung besser erkannt und nachgewiesen werden”, sagte der Leiter der Techniker Krankenkasse in Sachsen-Anhalt, Jens Hennicke, am Mittwoch in Magdeburg. Die Dunkelziffer aber bleibe weiterhin hoch.

Zusammen mit Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) stellte Hennicke die dritte Auflage eines Ratgebers vor, mit dessen Hilfe Ärzte und Zahnärzte Symptome von Gewalt und Vernachlässigung schneller und ohne Zweifel identifizieren können. “Ziel dabei ist es, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung zu treffen. Das Kindeswohl sollte immer im Vordergrund stehen”, sagte Hennicke.

Denn das ist nach Aussagen des Direktors des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Halle, Rüdiger Lessig, nicht immer einfach. “Ärzte und Zahnärzte sind oft verunsichert, da solche Fälle unregelmäßig vorkommen. Was darf ich trotz meiner ärztlichen Schweigepflicht melden? An wen wende ich mich? Was muss ich dokumentieren, damit es als Schuldnachweis dient, falls es zu einem Prozess kommt? Das sind alles Fragen, die der Ratgeber klärt”, sagte Lessig. 4500 Exemplare des medizinischen Leitfadens werden erscheinen.

Seit 2005 wurden vom Land 1500 Kinderschutzfachkräfte ausgebildet, die Jugendämter und Träger der Jugendhilfe unterstützen. Als Bindeglied dienen auch die aktuell 41 Familienhebammen der Kommunen, die bei stark belasteten Familien aushelfen. “Es gibt nur leider keine Zahlen, wie viele Gewalttaten durch solche Präventivmaßnahmen verhindert werden konnten”, sagte Bischoff und forderte gleichzeitig, dass niemand bei Gewalt an Kindern wegsehen oder weghören darf.

Laut Rechtsmediziner Lessig sind aber die Zahlen von Misshandlungen und Missbrauch über die letzten Jahre auf einem gleichbleibend hohem Niveau geblieben. Mehrfach in der Woche seien Mitarbeiter der Gewaltopferambulanz im Einsatz. “Es handelt sich aber meistens um weniger schlimme Verdachte. Meistens soll nur auf Nummer sicher gegangen werden. Wir geben auch oft Entwarnung”, relativierte Lessig.

Text: dpa/ fw