Rezeptor beschrieben, über den pathologisches Tau-Protein in Neuronen eintritt

Im Rahmen vieler neurodegenerativer Erkrankungen kommt es zur Akkumulation fehlgefalteter Proteine in den Neuronen. Eine aktuelle Publikation in der Zeitschrift 'Nature' liefert neue Hinweise, wie sich die Pathologie ausbreitet.

LRP1 möglicherweise zentral für Aufnahme und Ausbreitung von schädlichem Tau

Im Rahmen vieler neurodegenerativer Erkrankungen kommt es zur Akkumulation fehlgefalteter Proteine in den Neuronen. Eine aktuelle Publikation in der Zeitschrift 'Nature' liefert neue Hinweise, wie sich die Pathologie ausbreitet.

Unterschiedliche Formen von Demenz gehen mit der Ablagerung von Tau-Fibrillen einher. Ein amerikanisches Forschungsteam beschreibt in einer aktuellen Arbeit einen Rezeptor an der Zelloberfläche von Neuronen, der es diesen schädlichen Proteinen ermöglicht, sich von einem Neuron zum anderen zu verbreiten.1,2

LRP1 kontrolliert die Endozytose von Tau und somit dessen Ausbreitung

Im Rahmen von Tauopathien – wie M. Alzheimer, frontotemporaler Demenz oder chronischer traumatischer Enzephalopathie – scheinen sich verklumpte Proteine prionartig im Gehirn auszubreiten, indem sie an naive Zellen weitergegeben werden, wo sie zur Vorlage für Fehlfaltung und Aggregation werden. Obwohl die Vermehrung von Tau ausführlich erforscht worden ist, sind die zugrundeliegenden zellulären Mechanismen noch immer wenig verstanden.

Die Verbreitung von fehlgefaltetem Tau-Protein ist ein aktiver Prozess und nicht nur das Ergebnis dessen, dass betroffene Neuronen absterben, zerfallen und ihren Inhalt passiv freisetzen. Die äußeren Membranen sowohl der Ursprungs- als auch der Zielzelle müssen aktiv überwunden werden, damit das fehlgefaltete Tau mit dem physiologisch vorkommenden Tau im Zytoplasma der Empfängerzelle interagieren kann.
Forschende der Universität Kaliforniens, Santa Barbara, haben einen Weg entdeckt, wie pathogenes Tau ein Neuron verlassen und in das nächste eindringen kann. Sie fanden heraus, dass das Ausschalten eines bestimmten Oberflächenrezeptors, LRP1 (low-density lipoprotein receptor-related protein 1), die Aufnahme von Tau in Neuronen signifikant reduziert. Auch in vivo im Mausmodell führte die Herunterregulierung von LRP1 zu einer wirksamen Verringerung der Tau-Verbreitung.

Neues therapeutisches Target für Tauopathien?

Das Fehlen von LRP1 verhinderte demnach die Tau-Übertragung im Gehirn lebender Mäuse und hemmt möglicherweise das Voranschreiten der Pathologie. Mit dieser Arbeit ist ein zentraler Regulator des pathologischen Geschehens beschrieben, doch es bleiben noch viele Fragen.

Physiologische Formen von Tau kommen, u. a. zur Stabilisation der Mikrotubuli, in Axonen vor. Tau wird von allen Neuronen gebildet, ist also in neuronalen Netzwerken vorhanden, auch wenn keine Weitergabe stattfindet.
Das Membran-überspannende Protein LRP1 stellt laut dieser Arbeit einen Rezeptor sowohl für normales Tau, als auch für kurze Ketten (Oligomere) von fehlgefaltetem Tau dar. Die Bindung zwischen dem Rezeptor und Tau führt zu dessen Internalisation in Neuronen und zu dessen Weiterverbreitung in miteinander verbundenen neuronalen Netzwerken. Einmal aufgenommen, lagert sich das Tau in membranumgebenen Vesikeln, den Endosomen, ab. Normalerweise wird der Inhalt von Endosomen anschließend in Lysosomen abgebaut oder zur Zelloberfläche rezykliert. Wie pathologisches Tau trotz der endosomalen Membran von dort ins Zytoplasma entkommt, um dort auf schädliche Weise mit nativem Tau zu interagieren, ist noch nicht bekannt. Ein besseres Verständnis dieses Weges könnte Ansätze zur Umleitung internalisierten Taus aufzeigen, etwa zum Abbau oder Export aus der Zelle.

Referenzen:
1. Deinhardt, K. A receptor that lets dementia-associated tau proteins into neurons. Nature 580, 326–327 (2020).
2. Rauch, J. N. et al. LRP1 is a master regulator of tau uptake and spread. Nature 1–5 (2020) doi:10.1038/s41586-020-2156-5.