RNA-Forschung öffnet neue Wege in der Onkologie

RNA-Stränge sind in der Zelle weit wichtigere Bau- und Steuerelemente als bislang angenommen. ForscherInnen haben jetzt 537 unbekannte RNA-Protein-Verbindungen entdeckt, die möglicherweise zum Teil auch geeignete Ansatzpunkte für neue Therapien gegen Krebs darstellen.

RNAs sind weit mehr als nur mobiles Erbgut

RNA-Stränge sind in der Zelle weit wichtigere Bau- und Steuerelemente als bislang angenommen. ForscherInnen haben jetzt 537 unbekannte RNA-Protein-Verbindungen entdeckt, die möglicherweise zum Teil auch geeignete Ansatzpunkte für neue Therapien gegen Krebs darstellen.

Jahrzehnte lang galten RNA-Moleküle fast ausschließlich als mobile Erbgut-Abschriften in der Zelle. Dass die fadenförmigen Moleküle weit stärker in die zellulären Abläufe eingreifen als bislang gedacht, haben jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Freiburg und des Deutschen Krebsforschungszentrums mit einer neu entwickelten Methode gezeigt.

Damit erfassten sie alle Proteine, die RNA-Moleküle binden oder von solchen Proteinen direkt abhängig sind. Sie fanden 537 bislang unbekannte Verbindungen, die die ForscherInnen nun genauer untersuchen wollen. Sie hoffen, dadurch die RNA-Funktionen grundlegend besser zu verstehen und neue Ansatzpunkte für Krebsmedikamente zu finden.

"Es ist uns gelungen, ein bislang weitgehend unbekanntes Netz an Wechselwirkungen in der Zelle zu entziffern. Das bietet uns Möglichkeiten, um für Krankheiten wie Krebs nach neuen Therapieansätzen zu suchen“, bewertete Studienleiter Prof. Dr. Sven Diederichs, Leiter der Abteilung für onkologische Forschung der Klinik für Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg und Leiter des Abteilung RNA Biology and Cancer des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

RNAs sind Bauplan, Bauelement und Steuerelement in einem

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass sogenannte messenger RNA (mRNA) im Zellkern als Abschrift der DNA gebildet und außerhalb des Kerns in die Sprache der Proteine übersetzt wird. Dass RNAs aber viele weitere Funktionen haben, entdeckten in den vergangenen zehn Jahren ForscherInnen weltweit. "Wir wissen heute, dass RNA direkt an Proteine binden und so deren Aktivität und Funktion beeinflussen kann“, so Prof. Diederichs weiter.

Mit der neuen, als R-DeeP bezeichneten Methode ist es den ForscherInnen nun gelungen, alle Proteine einer Tumorzelle zu identifizieren, die direkt oder indirekt von RNA-Bindungen abhängig sind. Außerdem ist es damit möglich, die Struktur und Funktion RNA-abhängiger Protein-Komplexe sehr detailliert zu untersuchen.

"Wir wissen heute schon, dass in Krebszellen viele RNA-Moleküle falsch reguliert werden. Indem wir mit R-DeeP molekulare Komplexe und Signalwege in Tumorzellen entschlüsseln, können wir die Folgen für das Tumorwachstum besser verstehen“, schätzte Prof. Diederichs ein. Zudem lässt sich quantitativ ermitteln, welcher Prozentsatz eines bestimmten Proteintyps tatsächlich RNA bindet. Dadurch wird ersichtlich, ob ein Protein stark oder nur schwach RNA-abhängig ist.

Seit einigen Jahren wird auch intensiv an Medikamenten geforscht, die entweder RNA als Therapeutikum oder Impfstoff verwenden oder gezielt RNA-Moleküle ausschalten. Bislang zielt dieser Ansatz vor allem auf Viruskrankheiten wie Hepatitis C oder neurologische Erkrankungen. "Dieser Ansatz könnte aber auch zukünftig für die Krebstherapie genutzt werden“, so Prof. Diederichs abschließend.