Sachsen-Anhalt: Überdurchschnittlich viele Mandel-Operationen

Es wird viel operiert im Land: Statistisch gesehen lag im Jahr 2013 jeder fünfte Sachsen-Anhalter einmal auf dem OP-Tisch. Aber ist das medizinisch sinnvoll? In Sachsen-Anhalt wird viel operiert, u

Es wird viel operiert im Land: Statistisch gesehen lag im Jahr 2013 jeder fünfte Sachsen-Anhalter einmal auf dem OP-Tisch. Aber ist das medizinisch sinnvoll?

In Sachsen-Anhalt wird viel operiert, und die Tendenz bei einigen Operationen ist steigend. In keinem anderen Bundesland werden Kindern zum Beispiel so häufig die Mandeln entfernt wie in Sachsen-Anhalt, wie das Statistische Landesamt in Halle auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. In Dessau-Roßlau werden mit statistisch 149 Operationen je 10 000 Kinder sechsmal häufiger die Mandeln entfernt als im sächsischen Görlitz (25 OPs je 10 000 Kinder), wie eine Regionalauswertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2014 zeigt.

Die OECD-Studie, die sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes stützt und von der Bertelsmann Stiftung begleitet wurde, weist auf medizinische Unter- und Überversorgung in einigen Regionen hin. “Der Kreis Börde, Kreis Harz, und die Stadt Dessau-Roßlau fallen durch besonders hohe Mandel-OP-Raten auf”, sagte die Studienverantwortliche Claudia Haschke. Die Gründe für die lokale Operationshäufung sind der Gesundheitsexpertin zufolge auch finanzieller Natur. “Die wirtschaftliche Bedeutung der Gaumenmandelentfernungen ist für die meisten HNO-Abteilungen hoch”, sagte Haschke. “Denn die Operation ist eine meist gut planbare Leistung.”

Die Krankenhäuser weisen den Vorwurf zurück, wirtschaftliche Kriterien als Maßstab zu nehmen. In der Debatte würden Ärzte unter Generalverdacht gestellt, beklagte der Vorstand der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt (KGSAN), Wolfgang Schütte. “Das wird dem Beruf und jedem einzelnen operierendem Arzt nicht gerecht.” In der KGSAN haben sich die Krankenhausträger zusammengeschlossen.

Nicht abzustreiten sei jedoch auch, dass Operationssäle zu den teuersten Einrichtungen einer Klinik gehörten und als solche auch ständig modernisiert und neu ausgerüstet werden müssten. “Wie wir eine Versorgung kosteneffizient und im Rahmen der modernen Standards unterhalten können, muss mit der Politik und den Kassen geklärt werden”, sagte Schütte. “Den Ärzten den Schwarzen Peter zuzuschieben, beantwortet die Fragen nicht.”

Seit Jahren nimmt die Zahl der medizinischen Eingriffe im Land zu. Im Fünfjahresvergleich stieg die Zahl der stationären Operationen in den Kliniken von 398 144 im Jahr 2008 auf 428 489 Operationen im Jahr 2013, wie das Statistische Landesamt in Halle mitteilte. Das ist ein Plus von mehr als sieben Prozent. Statistisch gesehen lag somit jeder fünfte Sachsen-Anhalter im Jahr 2013 einmal auf dem Operationstisch.

Für die KGSAN ist der Zeit- und Entscheidungsdruck der Ärzte der Grund für die OP-Häufigkeit. “Ärzte tragen eine hohe Verantwortung”, sagte Schütte, der selbst als Chefarzt tätig ist. “Sie müssen oft sehr schnell und sehr präzise entscheiden. Unterlassen sie dabei wichtige Maßnahmen, stehen sie rechtlich in der Kreide.”

Nach Angaben des Statistischen Landesamts steigen die laufenden Ausgaben für die Krankenhäuser im Land stetig. Von 2003 bis 2013 stiegen sie um 27 Prozent auf gut 2,5 Millionen Euro. Dabei sinkt seit Jahren die Anzahl an Krankenhäusern im Land. Gab es im Jahr 2003 noch 54 Häuser, sind es heute noch 48.

Text: dpa / fw