SARS-CoV-2.n: "Des Virus neue Kleider"

Schon ein Jahr lang hält das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 die Welt in Atem. Seit Ende 2020 stehen erste, in aller Eile entwickelte Impfstoffe bereit. Doch Coronaviren gehören zur Gruppe der RNA-Viren, das bedeutet: ihr Genom ist sehr variabel und anfällig für Mutationen.

Hoch ansteckend, aber nicht tödlicher?

Schon ein Jahr lang hält das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 die Welt in Atem. Seit Ende 2020 stehen erste, in aller Eile entwickelte Impfstoffe bereit. Doch Coronaviren gehören zur Gruppe der RNA-Viren, das bedeutet, dass ihr Genom sehr variabel und anfällig für Mutationen ist. Während Forscher noch das Veränderungspotenzial des Virus modellieren, hat es im Feld bereits damit angefangen, sich zu diversifizieren und anzupassen. Die Folgen dessen sind bis dato noch nicht abzuschätzen. 

Wie ein Schlüssel zum Schloss passt das sogenannte S (Spike)-Protein von SARS-CoV-2 in die Bindetaschen des ACE2-Rezeptors, der insbesondere auch auf den Epithelien des Atemtraktes und der Lungen exprimiert wird. Das S-Protein vermittelt somit den ersten Kontakt des Virus zu seiner Wirtszelle und ermöglicht die Infektion. Da liegt es auf der Hand, dass Impfstoffe insbesondere dieses Protein sowie dessen Gene ins Auge fassen, um eine protektive Immunantwort gegen das Virus auszulösen.

Je mehr Menschen sich allerdings mit SARS-CoV-2 infizieren, desto mehr Möglichkeiten erhält das Virus, sich zu vermehren. Und genau hier liegt das Problem: Mit jedem Vermehrungszyklus kommt es zu Fehlern im Virusgenom. RNA als Erbinformationsträger ist zudem deutlich fehleranfälliger als DNA. So entstehen in der Folge immer wieder Varianten des "Muttervirus", die kleinere Mutationen in Genen ihrer Oberflächenproteine aufweisen. Aktuelle Arbeiten haben mithilfe von mathematischen Modellen versucht, die wahrscheinlichsten Mutationsorte zu ermitteln, darunter unter anderem innerhalb des Rezeptor-Binde-Motivs. Hier sind z.B. die Positionen 614 oder 501 auffällig. Einige dieser Mutationsstellen könnten den ExpertInnen zufolge sehr wahrscheinlich die Infektiösität von SARS-CoV-2 erhöhen.

Das erste Pandemievirus war bereits eine Mutation

Aus Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht hervor, dass SARS-CoV-2 mittlerweile beide Veränderungen erfolgreich umgesetzt hat und sich mutierte Varianten bereits am Anfang der Pandemie rasch weltweit ausbreiteten. So ist bekannt, dass das ursprünglich in Wuhan entdeckte Virus sich bereits verändert hatte, bevor es seinen Siegeszug um die Welt antrat.

Das Pandemievirus gehörte zum Typ D614G. Bereits im Juni 2020 hatte dieses neue Pandemievirus das ursprüngliche Virus vollständig ersetzt. Hilfreich war dabei sicher der Umstand, dass die D614G-Variante infektiöser und dadurch auch besser übertragbar war als das "Muttervirus" in Wuhan.

SARS-CoV-2: Zurück zur Zoonose

Im Spätsommer 2020 wurde das Mutationspotenzial des Virus erstmals in den Medien präsenter. Über den tatsächlichen Ursprung von SARS-CoV-2 wird auch heute noch weiter diskutiert, wahrscheinlich ist es wie viele der Coronaviren, initial vom Tier auf den Menschen übergegangen. Im August/September 2020 jedoch kehrte es zu seinen Wurzeln als Zoonose zurück.

Aus Dänemark wurde über eine neue Variante von SARS-CoV-2 berichtet, die sich dort in den Nerzfarmen rasend schnell verbreitet und bereits erste Menschen infiziert hatte. Eine beispiellose Keulung von Millionen Nerzen sowie die Abriegelung einer ganzen Region waren die direkte Folge. Bisher scheint dieses harsche Vorgehen den Ausbruch jedoch eingedämmt zu haben, wie die WHO berichtete.

Im Dezember 2020 gewinnt die Pandemie an Fahrt

Am 14. Dezember schließlich vermeldete Großbritannien eine sich sehr schnell ausbreitende SARS-CoV-2-Variante, die insbesondere in London und im Südwesten Englands für eine Vielzahl neuer Infektionsfälle verantwortlich zeichnete. Kurz zuvor waren die ersten Impfstoffe erfolgreich auf den Weg zu ihrer Zulassung gebracht worden. Würde diese mutierte Variante des Virus die Impfungen unterwandern?

Zwar erwiesen sich einige wenige PCR-Tests als anfällig für die neue Virusvariante und wiesen es dadurch weniger zuverlässig nach, jedoch, so die Meinung der Behörden vor Ort sowie der WHO, geht von dem neuen SARS-CoV-2 VOC 202012/01 (VOC = virus of concern) derzeit keine Gefahr für die Wirksamkeit der zugelassenen Impfprogramme aus. 

Darüber hinaus sei das veränderte Virus zwar um 50-70% ansteckender, aber keinesfalls tödlicher als der Ausgangsstamm. Solche Aussagen lassen allerdings außer Acht, dass ein Virus, welches sehr viel schneller in der Ausbreitung ist und sehr viel mehr Menschen anstecken kann, auch ein damit verbundenes höheres Risiko für Komplikationen und weitere Mutationen birgt. Mehr Fälle bedeuten auch statistisch eine größere Zahl schwerer Verläufe und damit auch in der Zahl mehr Todesfälle, selbst wenn die Sterblichkeitsrate des Virus unverändert bleibt.

Fokus auf Südafrika und die Variante 501Y.V2

Im November / Dezember 2020 teilten die Behörden in Südafrika zudem mit, dass auch dort eine weitere Variante des SARS-CoV-2 die anderen Virusstämme bereits weitläufig ersetzt hat. Dieses neue Virus trägt die N501Y-Mutation und wird daher als SARS-CoV-2 501Y.V2 bezeichnet.

Zu den veränderten Viruseigenschaften liegen bisher nur sehr wenige Erkenntnisse vor. Fest steht bisher nur, dass sich der südafrikanische Virusstamm womöglich ebenfalls schneller ausbreitet, ganz ähnlich dem SARS-CoV-2 VOC 202012/01 aus Großbritannien. Ob es allerdings auch mehr schwere Verläufe geben wird oder sogar die Sterblichkeitsrate infolge der Virusmutation aus Südafrika erhöht ist, bleibt unklar. Ebenso unklar ist, ob die bereits zugelassenen Impfungen das Virus aufhalten werden, oder ob es sich dem Impfschutz am Ende sogar entziehen könnte.

Angesichts der Tatsache, dass das Virus mittlerweile mit Stand 31.12.2020 auch in vier weiteren Ländern gemeldet wurde, ruft die WHO zu Wachsamkeit auf und fordert zugleich mehr Forschung zu dieser neuen Virusvariante. Gefordert sind ebenfalls strengere Maßnahmen zum Schutz der weltweiten Gesundheit, um die Ausbreitung dieser neuen Form des SARS-CoV-2 zu verlangsamen oder bestenfalls ganz zu verhindern.

Quellen:
WHO | SARS-CoV-2 Variants
Chen J et al., Mutations Strengthened SARSCoV-2 Infectivity. J Mol Biol 2020; 19(4): 5212-5226
Health on no evidence that the Coronavirus COVID-19 501.v2 variant is more dangerous than the UK variant | South African Government (www.gov.za)

esanum-Tipp: JAMA-Interview mit Prof. Adam Lauring (University of Michigan, USA) zum Thema "SARS-CoV-2 genetic variants" (engl.)