Somatopsychische Komorbiditäten treten häufig auf

Wie Prof. Hans Christoph Friedrich, Heidelberg, auf dem DGIM-Kongress deutlich machte, treten somatopsychische Komorbiditäten häufig auf. Sie führen zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität, speziell bei kardiometabolischen und Lungen-Erkrankungen.

Psychotherapie gegen körperliche Erkrankungen

Eine somatopsychische Komorbidität liegt vor, wenn Patienten somatische Erkrankungen und psychische Störungen aufweisen. Wie Prof. Hans Christoph Friedrich, Heidelberg, auf dem Online-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) deutlich machte, treten somatopsychische Komorbiditäten häufig auf. Sie führen zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität, speziell bei kardiometabolischen Erkrankungen und Lungenerkrankungen.

Die Wechselwirkungen sind komplex: Eine frühe Programmierung durch Kindheitstraumata (Misshandlung, Missbrauch, Vernächlassigung) erhöht die Krankheitsvulnerabilität sowohl für psychische als auch für körperliche Erkrankugnen.

Friedrich betonte, dass eine Psychotherapie für komorbide psychische Störungen bei körperlich Erkrankten wirksam ist. Sie sollte aber immer auch das Gesundheitsverhalten berücksichtigten und das Selbstmanagement des Patienten fördern.

Was kann die Psychotherapie leisten?

Der Preis für schlechtes Gesundheitsverhalten ist hoch und wirkt sich direkt in verlorenen Lebensjahren aus – wobei starkes Rauchen einen noch höheren Einfluss hat als hoher Alkoholkonsum, Adipositas, hoher Fleischkonsum und zu wenig Obst und Gemüse, erinnerte Prof. Dr. Holger Köllner, Abteilung Verhaltenstherapie und Psychosomatik des Rehazentrums Seehof in Teltow/Berlin. Doch wie kann man Patienten dazu motivieren, ihr Gesundheitsverhalten zu ändern?

Laut Köllner sollten initial Aufklärung und Information dominieren: "Warum ist es wichitg, dass ich jetzt mein Gesundheitsverhalten ändere?" Günstig sei, wenn der Patient mehrere Entscheidungsmöglichkeiten hat, zB. Medikamente, Gewichtsreduktion, Ernährungsumstellung oder mehr Bewegung zur Blutdrucksenkung. Wichtig sei auch, dass nicht der Arzt entscheide, sondern dass der Patient zur Entscheidung aufgefordert werde. Eine gute Arzt-Patienten-Beziehung führt zu besserer Adhärenz und zu einer besseren Wirksamkeit von Medikamenten.

Köllner erinnerte daran, dass stärker verhaltenssteuernd wirkt, was gesagt wurde, nicht was gehört wurde. Argumentiert der Arzt permanent für die Veränderung, drängt er den Patienten in die Gegenposition ("Ja, aber…."-Falle). Eine Alternative ist, den Patienten dazu zu bringen, für die Veränderung zu argumentieren. Einen wichtigen Beitrag kann dazu ein Motivationsgespräch leisten.

Das Motivationsgespräch – die 5R:

Köllner berichtete, dass adverse life events in Kindheit und Jugend (sexuelle und gewalttätige Misshandlung, schwere Vernachlässigung, Suchterkrankung eines Elternteils…) starke Prädiktoren für Diabetes Typ 2, KHK, Adipositas, COPD, Bronchialkarzinom, schwere Unfälle und andere verhaltensbezogene Krankheiten im Erwachsenenalter sind. Stärkster vermittelnder Faktor ist das Gesundheitsverhalten. Wurde in Kindheit und Jugend wenig Fürsorge erfahren, ist es schwer, einen selbstfürsorglichen Umgang mit sich als Erwachsener zu entwickeln.

Komorbide Depression erhöht die Mortalität bei Diabetes und KHK deutlich

Depressionen zählen gemeinsam mit Angsterkrankungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Eine komorbide Depression erhöht die Mortalität hochsignifikant zB. bei KHK und Diabetes Typ 2. Depressive Patienten haben (aufgrund der krankheitsbedingte Antriebsschwäche) signifikant schlechtere Chancen, mit dem Rauchen aufzuhören, abzunehmen oder mit Bewegung zu starten. Deshalb ist es wichtig, eine vorliegende Depression zu behandeln und dann einen zweiten Anlauf zur Änderung des Gesundheitsverhaltens zu starten.

Relevant für die Adhärenz sind v.a. Hypochondrie und generalisierte Angststörung. Verhaltenssteuernd wirkt die bevorstehende Gefahr (Nebenwirkungen aus dem Beipackzettel) und nicht das Ereignis in ferner Zukunft (Schlaganfall). Angst führt zur Vermeidung und dazu, die Augen vor der Krankheit zu verschließen. Auch hier kann die Behandlung der Angststörung den Weg zur Adhärenz deutlich erleichtern.

Auch eine auf die Krankheit bezogene Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist mit einer deutlich erhöhten Mortalität nach Herz-oder Lungen-Transplantationen oder nach ICD-Implantationen verknüpft. Eine wesentliche Ursache sind Adhärenzprobleme aufgrund des Vermeidungsverhaltens. Vermieden wird alles, was an die Krankheit erinnern kann, zB. Herzklopfen bei sportlicher Aktivität. Zusätzlich wird dysfunktionales Gesundheitsverhalten (Nikotin, Alkohol) zur Stressbewältigung eingesetzt. Mit Trauma-Konfrontation und EMDR stehen hocheffekte evidenzbasierte Behandlungsstrategien zur Verfügung.

Empfehlungen zur Verbesserung der medikamentösen Adhärenz

Eine Therapie wirkt immer nur so gut, wie der Patient sie auch mitmacht bzw. die Medikamente auch einnimmt. Und genau daran krankt es häufig. Wie lässt sich die medikamentöse Adhärenz verbessern? Prof. Dr. Martin Schulz, Institut für Pharmazie, Freie Universität Berlin.

Zwischen 6 und 28% der Erstversorgungs-Rezepte werden nicht (nie) in der Apotheke eingelöst. Mit welchen Interventionen lässt sich die medikamentöse Adhärenz verbessern? Eine Metaanalyse im JAMA (Kini V et al. JAMA, 2018;320(23) hat 48 Studien daraufhin untersucht und zeigt, dass drei Interventionen dazu geeignet sind:

Referenz:
127. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM), Sitzung: Psychosomatik kurz und bündig, 19. April 2021