"Sport nicht die Ursache für plötzlichen Herztod"

Der plötzliche Herztod gehört zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Weiterhin ist es allerdings kaum möglich, RisikopatientInnen präventiv zu identifizieren.

DGK-Herztage diskutieren Vorsorgemöglichkeiten im Spitzen- und Breitensport

Der plötzliche Herztod gehört zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Weiterhin ist es allerdings kaum möglich, RisikopatientInnen präventiv zu identifizieren.

In den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerät der plötzliche Herztod (Sudden Cardiac Death: SCD) immer dann, wenn SpitzensportlerInnen ohne erkennbare Vorerkrankung plötzlich sterben. So verstarb der italienische Fußballprofi Davide Astori vom AC Florenz beispielsweise 2018 aufgrund eines Herzstillstands. Der 23-jährige belgische Radsportler Michael Goolaerts erlitt während des Rennens Paris-Roubaix einen Herzinfarkt. 2009 erlag der deutsche Leichtathlet René Herms einer virusbedingten Herzmuskelentzündung. Der kamerunische Nationalspieler Marc-Vivien Foé brach 2003 auf dem Spielfeld während einer Live-Übertragung zusammen. Auch er konnte nicht gerettet werden.

Das Erstaunen von Fans und Außenstehenden ist in diesen prominenten Fällen besonders groß: Werden Profis nicht regelmäßig untersucht? Genießen sie nicht die beste medizinische Versorgung? Müssten nicht gerade SportlerInnen besonders fit sein? Das Problem: Trotz umfangreicher Untersuchungen sind mögliche Risikofälle nur schwer zu identifizieren, wenn Symptome für kardiale Vorerkrankungen fehlen.

Das gilt umso mehr für den Breitensport. Wie viele Menschen in Deutschland jedes Jahr an einem plötzlichen Herztod sterben, ist nicht ganz klar. Die Schätzungen variieren zwischen 80.000 und 150.000 Fällen.

Der Internist und Kardiologe Professor Roman Laszlo, Sprecher der Arbeitsgruppe für Sportkardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung (DGK), wies in seinem Vortrag auf den DGK-Herztagen in Berlin darauf hin, dass "Sport nicht die Ursache für den plötzlichen Herztod ist". Sport sei vielmehr ein Trigger für gefährliche Herzrhythmusstörungen bei Menschen, bei denen bereits eine unerkannte kardiologische Vorerkrankung vorliege. Allgemein hätten AthletInnen ein 3-5-fach erhöhtes Risiko gegenüber Nicht-AthletInnen, sagt Laszlo. Die Inzidenz von Männern ist höher als die von Frauen.

Anamnese plus EKG

Zur Einschätzung des potenziellen Risikos gelten entsprechend der "Leitlinie zu Vorsorgeuntersuchungen im Sport" eine ausführliche Anamnese, eine körperliche Voruntersuchung und ein Ruhe-EKG als Minimum. In der Anamnese sollten mögliche Risikofaktoren wie die von plötzlichen Todesfällen in der Verwandtschaft oder eventuell bereits aufgetretene Herz-Kreislauf-Beschwerden abgeklärt werden. Optional seien eine Ultraschalluntersuchung des Herzens sowie ein Belastungs-EKG durchzuführen. In den Topligen von Fußball, Handball und Basketball gelten diese Tests inzwischen als üblich. Problem: Insbesondere im Profisport neigen die SportlerInnen dazu, kleinere Infekte nicht vollständig auszukurieren und zu früh wieder mit dem Belastungstraining anzufangen. Das Risiko einer Herzmuskelentzündung kann sich dadurch erhöhen; das einen plötzlichen Herztod zu erleiden ebenfalls.

In seinem Vortrag wies Laszlo darauf hin, dass die Effizienz von Pre-Participation-Screenings begrenzt sei. Studien hätten gezeigt, dass nur wenige SCD-Fälle auf diese Weise im Voraus hätten identifiziert werden können. Bis zu 80 Prozent nicht. Es gelte zudem mögliche negative Folgen eines Screenings in Betracht zu ziehen – so genannte falsch positive Befunde. Hierzu gehören Laszlo zufolge eine "fälschliche Abstempelung für den Rest des Lebens" genauso wie eine "unnötige Restriktion der sportlichen Aktivitäten" sowie "Angst und eine psychische Beeinträchtigung" des Sporttreibenden. Im schlimmsten Fall kann aufgrund eines negativen Screening-Ergebnisses eine aussichtsreiche sportliche Karriere enden. Freizeitsport wird eingeschränkt, was wiederum andere gesundheitliche Problem befördern kann.

Der Kardiologe rät dazu, neben den erwähnten Untersuchungen Notfall- und Schulungsmaßnahmen stärker als Alternative in Betracht zu ziehen. "Etwa 50 Prozent überleben einen plötzlichen Herztod", sagte Laszlo. "Ein plötzlicher Herztod im Sport ist eine prinzipiell behandelbare Erkrankung."

Dafür müssen Notfallmaßnahmen schnell genug eingeleitet werden. Voraussetzung dafür ist, dass RettungssanitäterInnen und NotärztInnen zum Beispiel vollständig mit Defibrillatoren ausgestattet sind. Medizinisch ungeschultes Personal wie der Trainer- und Betreuerstab, Polizei und Feuerwehr könnten in Reanimationstechniken geschult und automatische Defibrillatoren an öffentlichen Plätzen wie Rathäusern, Fußballplätzen und Schulen einfacher verfügbar gemacht werden.

Die Initiative "Bochum gegen den plötzlichen Herztod" verfolgt genau diesen Ansatz. An etwa 80 Orten im Stadtgebiet seien automatische Defibrillatoren aufgestellt worden. Außerdem gebe es regelmäßige Schulungen. Die Stadt im Ruhrgebiet gilt damit als Vorreiter in Deutschland.

Referenzen:
1. Prof. Dr. med. Roman Laszlo, außerplanmäßiger Professor Universitätsklinikum Ulm und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Sportkardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung (DGK). Symposium „Sportkardiologie anhand von Beispielen“. DGK-Herztage. Berlin, 12. Oktober 2019
2. "Sport nur selten Auslöser für plötzlichen Herztod". (2018)
https://www.kardiologie.org/ploetzlicher-herztod/sport-nur-selten-ausloeser-fuer-ploetzlichen-herztod-/15678084
3. "Kontroverse: Wie sinnvoll ist ein Screening von Sportlern?" (2016). https://www.kardiologie.org/kontroverse-wie-sinnvoll-ist-ein-screening-von-sportlern-/10057998
4. https://www.bochum.de/herzsicher