Patienten und Ärzte durch SPRINT-Studie verunsichert

Neue Erkenntnisse aus zwei großen Studien zu Bluthochdruck verunsichern. Die Deutsche Hochdruckliga rät daher zu individuellen Therapien. Denn die SPRINT-Studie und eine Studie der Universität Oxfo

Neue Erkenntnisse aus zwei großen Studien zu Bluthochdruck verunsichern. Die Deutsche Hochdruckliga rät daher zu individuellen Therapien.

Denn die SPRINT-Studie und eine Studie der Universität Oxford legen eine Blutdrucksenkung auf einen oberen Zielwert von 120 nahe. Das gilt aber nur für bestimmte Patienten. Die Studienergebnissen dürfen nicht einfach verallgemeinert werden, betont die Deutsche Hochdruckliga e.V. (DHL). Die Fachgesellschaft rät dazu, besonnen zu reagieren anstatt die Behandlung kurzfristig zu ändern. Ärzte sollten ihre Patienten individuell betrachten, um sich gemeinsam mit jedem einzelnen für die geeignete Therapie zu entscheiden.

Eine in The Lancet publizierte Metaanalyse des George Insitute for Global Health und der Universität Oxford bezog die Daten von mehr als 600.000 Patienten aus über 120 Studien zu Bluthochdruck ein. Ziel war es zu verstehen, inwieweit ein niedrigerer Blutdruck Herz-Kreislauf-Krankheiten vorbeugt. Das Ergebnis legt nahe, dass eine Senkung des oberen, des systolischen Wertes auf unter 130 mmHg ratsam sei: unabhängig vom Ausgangswert gab es 27 Prozent weniger Schlaganfälle und 13 Prozent weniger Sterbefälle, wenn Patienten ihren Blutdruck dauerhaft um 10 mmHg senken. Die Autoren fordern daher eine blutdrucksenkende Therapie für alle Patienten mit kardiovaskulärem Risiko – also einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, auch weit unter die bislang gültige Grenze von 140 mmHg

Weniger Tote in Patientengruppe mit intensiver Blutdrucksenkung

Zuletzt sprachen auch die Ergebnisse der SPRINT-Studie (Systolic Blood Pressure Intervention Trial) für einen Zielwert von 120 mmHg. Hier suchten die Forscher nach dem geeigneten Zielblutdruck für Bluthochdruckpatienten mit einem hohen kardiovaskulären Gesamtrisiko. Diabetiker waren davon ausgeschlossen. Der Vergleich zweier Patientengruppen – mit Blutdrucksenkung auf unter 120 mmHg beziehungsweise 134,6 mmHg – ergab etwas bisher Ungekanntes: In der Gruppe mit dem medikamentös intensiv abgesenkten Blutdruck starben 25 Prozent weniger Patienten an Schlaganfall oder Herzinfarkt.

Deshalb diskutieren Experten derzeit, ob andere Zielwerte für Bluthochdruckpatienten gelten müssen. Professor Dr. med. Martin Hausberg, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga, weist dies zurück: “Die Studienergebnisse dürfen nicht einfach auf alle Hochdruckpatienten übertragen werden.” Das SPRINT-Fazit einer Blutdrucksenkung unter 120 mmHg, gelte nur für bestimmte Patienten: Menschen mit hohem kardiovaskulären Risiko, aber ohne Diabetes mellitus, nicht nach einem Schlaganfall oder bei orthostatischer Hypotonie, also wenn der obere Blutdruckwert im Stehen plötzlich abfällt. Patienten mit diesen Erkrankungen waren aus der SPRINT-Studie explizit ausgeschlossen. Hinzu kommt: “In Betracht gezogen werden müssen unbedingt auch die Nebenwirkungen, die in der SPRINT-Vergleichsgruppe stärker aufgetreten waren, bei der der Blutdruck um 120 mmHg gesenkt worden war,” sagt Professor Hausberg. Zu diesen zählen beispielsweise akutes Nierenversagen und Herzinsuffizienz. “Senkt man den Bluthochdruck intensiv, müssen die Patienten hinsichtlich der Nebenwirkungen engmaschig kontrolliert werden,” betont der Experte.

Gemäß der bislang geltenden Behandlungsleitlinien der European Society of Hypertension (ESH) liegt der Zielwert für den oberen Blutdruckwert bei maximal 140 mmHg, der untere, diastolische Wert bei 90 mmHg. Eine weitere Senkung galt bislang nicht als ratsam, da bei einer zu starken Senkung das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wieder leicht ansteigt – die Experten sprechen in Bezug auf diesen Effekt von einer sogenannten J-Kurve. “Wir müssen abwarten, ob sich die Ergebnisse beider Studien weiter bestätigen”, erklärt Professor Hausberg. “Auch die Rolle, die die eingesetzten Medikamente für den Behandlungserfolg spielen, ist noch nicht klar.” Dass es aber nötig ist, die Behandlungsleitlinien anzupassen, halte er für wahrscheinlich. Vorerst rät die DHL dazu, wie bisher jeden Patienten individuell und mit dem Blick auf den ganzen Menschen zu behandeln und den Blutdruck nicht vorschnell stärker zu senken. Eine Intensivierung der medikamentösen Behandlung um sehr niedrigen Zielwerte zu erreichen, erfordere zudem neben der engmaschigen ärztlichen Kontrolle ein verbessertes sektorenübergreifendes Zusammenwirken.

Text: DHL /fw

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