Therapiestrategien beim metastierten Mammakarzinom

Die Entwicklung von Substanzen die auf unterschiedliche HER2-Werte einzielen, hat die Prognose von Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom (mBC) entscheidend verbessert.

Studien belegen Wirksamkeit zielgerichteter Therapien

Die Entwicklung von Substanzen die auf unterschiedliche HER2-Werte einzielen, hat die Prognose von Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom (mBC) entscheidend verbessert. First-Line-Standard beim HER2-positiven mBC ist die doppelte Antikörper-Blockade mit Pertuzumab und Trastuzumab plus Docetaxel.

In der Second-Line ist Trastuzumab Emtansin die Therapie erster Wahl. Beim HER2-negativen mBC hat sich die Kombination aus Bevacizumab und Paclitaxel als Behandlungsstandard etabliert, wenn eine Chemotherapie angewandt werden muss und eine Therapie mit hoher Ansprechrate benötigt wird. Im Rahmen der 37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) in Berlin referierten Prof. Dr. Nadia Harbeck, vom Klinikum der Universität München, und Prof. Dr. Sherko Kümmel, von der Uniklinik Essen über den Stand der Dinge in der zielgerichteten Therapie beim metastasierten Mammakarzinom.

Therapieführung bei neu diagnostizierter metastasierter Situation: First-Line-Therapie

Behandlungsdruck beim HER2-negativen mBC: eine Indikation für Bevacizumab

Patienten mit HER2-negativ (HER2-) metastierten Brustkrebs und einem positiven Rezeptor Status (ER+) sollten bevorzugt eine Endokrine-Therapie erhalten, so Prof. Harbeck. Das ist auch relevant für Patienten mit viszeralen Metastasen. Ausnahmen sind Patienten, bei denen die Endokrine-Therapie nicht anschlägt oder wo eine potentiell lebensbedrohliche Situation ("viszerale Krise") besteht. Behandlungsdruck ist also ein bedeutender wenn auch gleich subjektiver Faktor für die Therapiewahl beim HER2-negativen mBC. Er setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen, der für jede Patientin individuell bestimmt werden sollte. Entscheidungskriterien sind Vortherapien, Allgemeinzustand (ECOG), Lebensqualität der Patientin, Aggressivität der Erkrankung, Metastasenlokalisation / drohendes Organversagen, rezidivfreie Zeit nach (neo-)adjuvanter Therapie, Erwartungshaltung der Patientin und persönliche Einschätzung der Progression sowie Alter der Patientin.

In dieser akuten Therapiesituation hat sich Bevacizumab/plus Paclitaxel – seit der Zulassung vor 10 Jahren – als First–Line-Standard etabliert, der unabhängig vom Hormonrezeptor-Status ein zuverlässiges und rasches Ansprechen erzielt. Schon in der randomisierten Phase-III-Zulassungsstudie E2100 führte die First-Line-Therapie mit Bevacizumab/Paclitaxel gegenüber der Paclitaxel-Monotherapie zu einer Verdopplung der hohen Ansprechraten (48,9% vs. 22,2%; p < 0,0001 [1]. Das Ergebnis konnte in verschiedenen Studien bereits wiederholt bestätigt werden. Aktuelle Real-World-Daten aus Frankreich zeigen unter klinischen Alltagsbedingungen, dass Patientinnen, die first-line mit dem monoklonalen Antikörper Bevacizumab behandelt wurden, unabhängig vom Hormonrezeptor-Status median fast 8 Monate länger überlebten als unter alleiniger Chemotherapie [2].

Nebenwirkungen

Der Chemotherapie-bedingte Haarausfall kann mittlerweile über den Einsatz von Kühlhauben reduziert werden. Allerdings steht und fällt dieser Ansatz mit der Überzeugung des Pflegepersonals, denn nur die korrekte Anwendung, also das richtige Aufsetzen der Haube, führt zu Erfolgen.

In Bezug auf den Antikörper Bevacizumab, hat sich eine von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA beauftragte Gutachterkommission 2011 dafür ausgesprochen, die vorläufige Zulassung in der Indikation Brustkrebs zu entziehen. Die US-Experten argumentierten, dass die Risiken der Therapie – potenzielle, schwerwiegende Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, gastrointestinale Perforationen und Blutungen – den zu erwartenden Nutzen überwiegen, da auch das Gesamtüberleben grundsätzlich nicht verlängert werden würde, sondern allein das progressionsfreie Überleben. In Europa ist man anderer Meinung und die europäische Zulassungsbehörde EMA weiteten den Einsatz von Bevacizumab aus. Prof. Harbeck schätzt die Situation so ein, dass schwere Nebenwirkungen wie Perforationen etc. im Vergleich zu anderen Medikamenten sehr selten vorkommen und dass nur Patienten mit keinerlei Vorerkrankungen wie z.B. Thrombose - das Alter ist hier nicht ausschlaggebend - überhaupt mit Bevacizumab behandelt werden sollten.

HER2-positiv – Signifikanter Überlebensvorteil in der Behandlung mit Pertuzumab

Der First-Line-Standard in der Behandlung von Patientinnen mit HER2-positiven (HER2+) mBC ist die doppelte Antikörper-Blockade Pertuzumab und Trastuzumab plus Docetaxel – das bestätigt auch die neue Doppelplus-Bewertung der AGO Mamma [3]. Hintergrund für die uneingeschränkte Empfehlung der AGO ist die Zulassungsstudie CLEOPATRA. In der Phase III Studie überlebten Frauen mit metastasierter Erkrankung im Median 15,7 länger, wenn sie Pertuzumab im Rahmen der First-Line-Therapie zusätzlich zu Trastuzumab und Docetaxel erhielten. Insgesamt überlebten die Frauen unter dem Pertuzumab-Regime fast 5 Jahre – das ist die bis dato längste mediane Gesamtüberlebenszeit, die für diese Patientinnen in prospektiven Studien erreicht wurde.

Der signifikante Überlebensvorteil bestätigt sich in allen klinisch relevanten Subgruppen: Die Patientinnen profitieren unter anderem unabhängig vom Hormonrezeptor-Status, dem Alter und der (neo)adjuvanten Vorbehandlung [4]. "Unsere Erfahrungen aus dem klinischen Alltag bestätigen, dass die doppelte Antikörper-Blockade mit Pertuzumab und Trastuzumab die derzeit effektivste First-Line-Therapie beim HER2-positiven Mammakarzinom ist und daher keiner Patientin vorenthalten werden sollte," betonte Kümmel. "Das gilt auch für Patientinnen mit positiven Hormonrezeptor Status: Wenn wir diese Patientinnen zunächst endokrin in Kombination mit Trastuzumab behandeln, ist ein zulassungskonformer Einsatz von Pertuzumab in der First-Line nicht mehr möglich – dadurch verlieren diese Patientinnen die Chance auf den signifikanten Überlebensvorteil."

Therapieführung bei bereits diagnostizierter metastasierter Situation: Second-Line-Therapie

Her2-positiv – welche Rolle spielt der Hormonrezeptorstatus?

HER2 hat einen direkten Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung. Patientinnen, die einen HER2-positiven Tumor haben, haben im Vergleich zu HER2-negativen Patientinnen einen aggressiveren Krankheitsverlauf und der Tumor tritt schneller wieder auf. Daher ist für HER2-positive Brustkrebspatientinnen eine zielgerichtete Therapie so wichtig. Die Therapieziele sind u.a. eine Verlängerung des Überlebens, Linderung turmorbedingter Beschwerden, Langzeit-Erhalt der körperlichen Funktionen und Langzeit-Erhalt einer guten Lebensqualität.

Trasuzumab Emtansin ist ein gezielt gegen den HER2-Rezeptor gerichtetes Medikament, das zwei krebsbekämpfende Eigenschaften miteinander verbindet: die HER2-Hemmung durch Trastuzumab und die zytotoxische Wirkung des Chemotherapeutikums DM1. Trastuzumab und DM1 sind durch eine stabile Verbindungssubstanz, einen so genannten Linker, miteinander verbunden, so dass DM1 direkt über ein trojanisches Pferd zu den HER2-positiven Krebszellen gebracht und dort erst in den Krebszellen freigesetzt wird.

Die T-DM1 Einzeltherapie wird bei Patientinnen mit HER2-positivem, inoperablem, lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem Brustkrebs, angewandt, die zuvor mit Trastuzumab und Taxan-Chemotherapie separat oder kombiniert behandelt wurden. In der internationalen Phase-III-Studie EMILIA wurde gezeigt, dass Patientinnen unter der Behandlung mit T-DM1 nicht nur eine deutlich längere Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung hatten, sie lebten auch länger. Die Nebenwirkungen dieses Medikaments sind verglichen mit anderen Chemotherapien relativ gering. "T-DM1 ist so gut verträglich, dass die Patientin fast nicht merkt, dass sie sich einer Chemotherapie unterzieht", so Kümmel. Patienten können in den meisten Fällen ganz normal arbeiten gehen und in 50% der Fälle wurde eine pathologische Komplettremission erzielt.

Die Daten der THERESA-Studie untermauern die hohe Wirksamkeit von Trastuzumab Emtansin auch in späteren Therapielinien: Im Kontrollarm erhielten Patientinnen eine Therapie nach Wahl des Arztes, die bei 80% Trastuzumab-basiert war [5, 6 ]. Für die Trastuzumab-Emtansin-Patienten wurde ein signifikanter Überlebensvorteil von 5,6 Monaten im direkten Vergleich mit HER2-basierten Therapien (Trasuzumab oder Lapatinib) dokumentiert. Da die Vorbehandlung einen Einfluss auf die Gesamtüberlebenszeit hat, wird empfohlen Trastuzumab-Emtansin frühzeitig – d.h. primär in der zweiten Therapielinie – einzusetzen. "Sowohl in der AMILIA – als auch in der THERESA-Studie war in der Wirksamkeitsvorteil in den Trastuzumab-Emtansin-Armen unabhängig vom Hormonrezeptor-Status", erklärte Kümmel. "Deshalb sollte auch bei den HER2+/HR+ Patienten in der Zweitlinientherapie Trastuzumab-Emtansin eingesetzt werden."

Referenzen: [1] Gray R et al., J Clin Oncol 2009; 27: 4966-72

[2] Delaloge S et al., Ann Oncol 2016; 27: 1725-32

[3] AGO Kommission Mamma. Empfehlungen 2017. www.ago-online.de.[4] Swain S et al., NEJM 2015; 372 (8): 724-34

[5] Krop IE et al., Lancet Oncol 2014; 15: 689-99

[6] Wildiers H et al., SABCS 2015 (Oral Presentation); S5-05