Umfrage verweist auf mehr schwere depressive Symptome in Corona-Pandemie

Mehrere Studien beschäftigen sich derzeit mit dem psychischen Wohlbefinden in der Corona-Krise. Nach ersten Ergebnissen sind vor allem junge Menschen stark belastet.

Vor allem junge Menschen sind stark belastet

Mehrere Studien beschäftigen sich derzeit mit dem psychischen Wohlbefinden in der Corona-Krise. Nach ersten Ergebnissen eines Projektes der Privaten Hochschule Göttingen sind vor allem junge Menschen stark belastet.

Während der coronabedingten Einschränkungen hat sich die Belastung mit schweren depressiven Symptomen in der Bevölkerung nach ersten Ergebnissen einer Online-Befragung wohl merklich verstärkt. Vor allem für die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen sei ein Anstieg im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie zu beobachten, sagte Youssef Shiban, Professor für Klinische Psychologie an der Privaten Hochschule Göttingen (PFH). Das sei auch deshalb bedenklich, weil die Suche nach einem Psychotherapieplatz schon vor der Corona-Krise mit deutlichen Wartezeiten verbunden gewesen sei.

Ein ähnlicher Trend wie bei der Depressivität zeichnet sich nach Angaben von Shiban für andere Störungen ab. So sei bei Essstörungen ein deutlicher Zuwachs bei einer mittleren und schweren Symptombelastung zu erkennen.

Bisher nahmen rund 2.000 Menschen online an der Befragung teil. Geplant ist ein Vergleich zwischen Bundesländern sowie mit Norwegen und Kanada. Kooperationspartner sind die Universität Regensburg, die Inland Norway University of Applied Sciences und die Carleton University in Ottawa.

Anteil schwerer Depressivität von fünf Prozent durch ISR-Fragebogen beobachtet

Die Forschenden verwenden den ISR-Fragebogen. Gemäß der Normstichprobe des ISR wäre ein Anteil von schwerer Depressivität in der Allgemeinbevölkerung von einem Prozent zu erwarten, sagte Shiban. "In unserer Studie konnten wir hingegen einen Anteil schwerer Depressivität von fünf Prozent beobachten." Es gebe Hinweise, dass solche Auswirkungen von Quarantänemaßnahmen längerfristig bestehen bleiben könnten.

Zahlreiche Studien wie zum Beispiel das "COSMO"-Projekt untersuchen unter anderem das psychische Wohlbefinden der Menschen während der Corona-Pandemie. So empfanden Ende Mai 40,4 Prozent der für "COSMO" Befragten ihre persönliche Situation als belastend. 22,6 fühlten sich einsam. Vor allem junge Menschen und Singles bezeichneten sich als einsam - und Einsamkeit geht nach Beschreibung der Forschenden mit "erheblichen Gesundheitsrisiken" einher. Zudem beklagte mehr als jeder Dritte eine geringe soziale Unterstützung - 2012 taten dies laut einer repräsentativen Studie nur 17 Prozent. Hintergrund könnten die Kontaktbeschränkungen sein, vermuten die Forschenden.

Fast 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus über 40 Ländern befassen sich mit den körperlichen und seelischen Folgen der Pandemie

Das "COVID-19 Snapshot Monitoring" ("COSMO") ist ein Gemeinschaftsprojekt von Universität Erfurt, Robert Koch-Institut, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation, Science Media Center, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und Yale Institute for Global Health.

Die Studie COH-FIT (Collaborative Outcomes Study on Health and Functioning during Infection Times) unter Leitung der Berliner Charité beschäftigt sich mit den körperlichen und seelischen Folgen der Pandemie. Fast 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 40 Ländern wirken daran mit, darunter auch Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). "In Hannover liegt der Schwerpunkt der Studie auf den Auswirkungen, die die Corona-Krise auf psychisch labile Menschen hat", sagte Kai Kahl, geschäftsführender Oberarzt an der psychiatrischen MHH-Klinik. Ihn interessiert unter anderem, welche Folgen Quarantäne und Kontaktsperren auf Menschen mit manischen oder depressiven Erkrankungen, mit posttraumatischen Belastungsstörungen oder Borderline-Syndrom haben.