Kleinkinder erhalten zu häufig Antibiotika

So wenig wie möglich lautet die Devise beim Einsatz von Antibiotika. Andernfalls können Resistenzen entstehen, wodurch bakterielle Infektionen künftig schwerer zu behandeln sind. Nicht immer aber wird das rechte Maß gewahrt.

Experte: Antibiotika-Einsatz bei Kleinkindern oft unnötig 

So wenig wie möglich lautet die Devise beim Einsatz von Antibiotika. Andernfalls können Resistenzen entstehen, wodurch bakterielle Infektionen künftig schwerer zu behandeln sind. Nicht immer aber wird das rechte Maß gewahrt.

Experten raten zu einem behutsamen Einsatz von Antibiotika bei Säuglingen und Kleinkindern. Ein Drittel von ihnen bekomme mindestens eine Antibiotika-Behandlung pro Jahr, sagte der der Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Dresdner Universitätsklinikum, Reinhard Berner (53). Es sei klar, dass man bei Infektionskrankheiten in dieser Altersgruppe nicht zu spät eingreifen darf.

Sehr viele Kinder erhielten aber unnötig Antibiotika. Sorge bereite zudem die Tatsache, dass Kindern zu häufig sogenannte Reserve-Antibiotika verordnet würden, die schweren Infektionen vorbehalten sein sollten. In den meisten Fällen sei Altbewährtes wie Penicillin ausreichend, betonte der Professor.

Antibiotika in der Kindermedizin stehen vom 8. bis 10. Juni im Fokus eines Dresdner Kongresses mit rund 1600 Kinderärzten. Weitere Themen sind die Muttermilch sowie Frühchen und kranke Neugeborene.

Berner zufolge hat sich die Lage schon gebessert: "Kinderärzte verordnen heute deutlich zurückhaltender Antibiotika als noch vor zehn Jahren." Dagegen habe sie sich in der Erwachsenen-Medizin kaum verändert. "Man hat ein bisschen dazugelernt und verstanden, dass der Großteil der Infektionen nicht durch Bakterien verursacht wird und damit auch Antibiotika nicht wirken können."

Die Häufigkeit der Verordnung weiche regional stark voneinander ab, berichtete der Experte. Offensichtlich sei die Antibiotika-Therapie nicht nur rational begründet, sondern sehr stark von Gewohnheiten und Verhaltensmuster geprägt. "Im Osten wurden traditionell weniger Antibiotika verordnet als im Westen. Aber auch im Saarland geschieht das häufiger als in Baden-Württemberg oder in Nordrhein-Westfalen mehr als in Niedersachsen." Noch auffälliger seien Unterschiede von Landkreis zu Landkreis.

"Wir müssen uns noch kritischer die Frage stellen, bei welchen Indikationen wir mit Antibiotika behandeln und in welchen Situationen man noch abwarten kann", sagte Berner. Dazu brauche man Leitlinien und klare Empfehlungen, an die sich im Regelfall zu halten sei. Deutschland stehe international zwar nicht schlecht da, aber in Ländern wie der Schweiz, Finnland oder den Niederlanden würden nur halb so viele Antibiotika verschrieben wie hierzulande.

Genaue Zahlen, wie viel Prozent der Antibiotika-Behandlungen unnötig sind, gibt es laut Berner nicht. Schätzungen reichten bis zu 80 Prozent, das sei aber eher "eine gefühlte Realität". Den größten Spielraum, auf Antibiotika zu verzichten, hätten Ärzte bei Atemwegserkrankungen wie Bronchitis, aber auch bei Angina, Mandelentzündung und Mittelohrentzündung. "Da kann man in den meisten Fällen bei Kindern noch abwarten oder nur dann verschreiben, wenn relativ klar zu benennende Indikatoren zusammenkommen."

Als Alternative empfiehlt Berner meistens - etwa bei Ohrenentzündungen - zunächst eine symptomlindernde Behandlung mit schmerzstillenden und entzündungshemmenden Medikamenten, zumindest in den ersten 24 bis 48 Stunden. "Wenn dann die Symptome immer noch nicht besser geworden sind, ist immer noch Zeit, Antibiotika zu geben". Auch klassische Hausmittel wie Salbeitee oder Kamillentee kämen infrage. Obgleich deren Wirkung nicht belegt sei, richte man zumindest keinen Schaden an.