Vorhersage-Tool für Tuberkulose-Erkrankung entwickelt

Rund 25 Prozent der Bevölkerung tragen den Tuberkulose-Erreger in sich. Ob daraus eine aktive Infektion wird, war bisher schwer vorhersagbar. Spezielle Medikamente können vorbeugen, haben aber starke Nebenwirkungen. Ein internationales Forschungsteam hat nun ein Tool entwickelt, das die Vorhersage deutlich vereinfacht.

Frühzeitig erkennen, ob aktive Infektion entsteht

Rund 25 Prozent der Bevölkerung sind latent mit Tuberkulose infiziert, tragen also den Erreger in sich, ohne krank zu werden. Ob daraus eine aktive Infektion wird, war bisher schwer vorhersagbar. Ein internationales Forschungsteam hat nun ein Tool entwickelt, das diese Vorhersage deutlich vereinfacht.

In Deutschland liegt die Inzidenz unter 20 Erkrankten pro 100.000 Einwohnern, dennoch gilt Tuberkulose, verursacht vom Mycobakterium tuberculosis, nach wie vor als eine der tödlichsten Infektionskrankheiten. Fachleute vermuten, dass etwa 1/4 bis 1/3 der Weltbevölkerung den Erreger in sich trägt. Nur bei 5 bis 10% kommt es im Laufe des Lebens zu einer aktiven Infektion. Die zeigt sich meist als Lungentuberkulose und kann unbehandelt schwer verlaufen oder töddlich enden.1

In Europa konnte die Krankheit weitgehend eingedämmt werden - durch verbesserte Lebenssituationen und effektive Medikamente und durch gut nachverfolgbare Infektionsketten. Bei einem aktiven Tuberkulose-Fall wird schnell und flächendeckend das Umfeld getestet. Allerdings wird nicht auf den Erreger selbst getestet. "Die latente Infektion untersuchen wir ohne Bakteriennachweis. Diagnostiziert wird indirekt, indem wir nach einer Immunantwort auf das Mycobacterium tuberculosis suchen", erläutert Martina Sester, Professorin für Transplantations- und Infektionsimmunologie an der Saar-Uni. Finden die Gesundheitsbehörden heraus, welche Personen im Umfeld des Erkrankten latent Infizierte sind, kann die Entwicklung einer aktiven Erkrankung durch Medikamente verhindert werden.

Nicht jeder latent Infizierte benötigt vorbeugende Medikamente

Diese Medikamente seien aber keine Bonbons, sondern hochdosierte Chemotherapien mit teils deutlichen Nebenwirkungen. Nicht jeder latent Infizierte muss eine aktive oder offene Tuberkulose entwickeln und dagegen Medikamente erhalten. "Unter den besonders gefährdeten Gruppen sind beispielsweise Dialysepatienten, frisch transplantierte Personen und – insbesondere – HIV-positive Menschen", erklärt Sester. Einen Wert für das Risiko, der die Wahrscheinlichkeit wiedergibt, an offener Tuberkulose zu erkranken, konnten WissenschaftlerInnen und MedizinerInnen aber bisher nicht verlässlich abgeben. Ein internationales Forschungsteam, zu dem auch Sester gehört, hat dafür nun aufgrund einer umfangreichen Datenbasis (Daten aus etwa 20 großangelegten Studien aus Niedrigrisikoländern) eine mathematisch sehr genaue Methode entwickelt.

Nebenwirkungen durch Chemotherapie bleiben unter Umständen erspart

Ein Arzt könne nun ganz einfach per Internet verschiedene Parameter wie Testergebnisse, Alter, Testumstände und weitere Risikofaktoren eingeben und das Programm errechne dann mithilfe des neuartigen Algorithmus eine Wahrscheinlichkeit, mit der die Patientin oder der Patient eine aktive Infektion entwickeln wird und in welchem Maße diese Wahrscheinlichkeit durch eine Chemotherapie gesenkt werden kann, sagt Sester. "Das ist sehr hilfreich für einen Arzt, um abschätzen zu können, ob er eine latente Infektion mit Medikamenten behandeln muss oder ob er keine Medikamente verabreicht." Auf diese Weise kann eine Tuberkulose zielgerichteter behandelt werden und einem latent infizierten Menschen können unangenehme Nebenwirkungen erspart werden.

Quelle:
1. Gupta, R.K., Calderwood, C.J., Yavlinsky, A. et al. Discovery and validation of a personalized risk predictor for incident tuberculosis in low transmission settings. Nat Med (2020). https://doi.org/10.1038/s41591-020-1076-0