Wachsende Frustration und Resignation unter Klinikärzten

Auf dem Höhepunkt der Belastungen in der vierten Pandemie-Welle gehen die Tarifverhandlungen des Marburger Bundes mit der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber für rund 55.000 Klinikärzte in die dritte Runde – mit wenig optimistischen Erwartungen.

Stimmung bei Ärztinnen und Ärzten auf dem Tiefpunkt angelangt

Auf dem Höhepunkt der Belastungen in der vierten Pandemie-Welle gehen die Tarifverhandlungen des Marburger Bundes mit der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber für die rund 55.000 Klinikärztinnen und -ärzte in die dritte Runde – mit wenig optimistischen Erwartungen. Dabei scheint die Stimmung bei den Ärztinnen und Ärzten auf dem Tiefpunkt angelangt zu sein.

Frustration und Resignation angesichts der hohen physischen und psychischen Belastungen durch die vierte Coronawelle macht sich offenbar unter den Klinikärztinnen und -ärzten breit. "Angesichts der bevorstehenden Zulassung von Impfstoffen und  einer beginnenden Impfkampagne war die Stimmung vor einem Jahr, auf dem Höhepunkt der zweiten Pandemiewelle, wesentlich hoffnungsvoller als jetzt", sagte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna am Mittwoch vor Journalist:innen in Berlin.

Inzwischen empfänden es auch die Klinikärzt:innen als "Schlag ins Gesicht", dass sie keine Berücksichtigung bei einer Prämienregelung finden sollen. Johna forderte die Bundesregierung auf, auch ihre Leistung bei der Bewältigung der Pandemie wertzuschätzen. Angesichts einer inzwischen untragbaren Belastung auf den Intensivstationen warnte die mb-Vorsitzende davor, dass auch Ärztinnen und Ärzte krank werden könnten. Es sei nicht mehr auszuschließen, dass spätestens nach der Pandemie vermehrt Personal den Kliniken den Rücken kehren werde.

Dritte Tarifrunde mit kommunalen Kliniken: Wenig Optimismus

Vor dem Hintergrund dieser außergewöhnlichen Belastungssituation gehen der Marburger Bund und die Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber (VKA) am Donnerstag und Freitag in die dritte Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag. Für mb-Vize Dr. Andreas Botzlar und Verhandlungsführer Christian Twardy steht die nach Auffassung der Gewerkschaft wenig tariftreue Umsetzung insbesondere der Bereitschaftsdienst- und Rufbereitschaftsregeln des geltenden Tarifvertrages im Zentrum der Verhandlungen. Im Verlauf der beiden ersten Runden, so Botzlar und Twardy, seien lediglich weitere Vorschläge zur Aushöhlung tarifrechtlicher Regelungen unterbreitet worden; das stimme für die nächste Runde nicht optimistisch. Konkrete und konstruktive Vorschläge seien hingegen nicht unterbreitet worden.

Neben einer linearen Gehaltserhöhung mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2021 mit einer Laufzeit von zwölf Monaten  fordert der Marburger Bund für die 55.000 Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern strukturelle Verbesserungen und Präzisierungen bei Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften.

Stringente Regelungen für Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften

Danach soll die Anordnung von Bereitschaftsdiensten nur im Notfall möglich sein und auf vier Dienste im Monat begrenzt werden. Bei Ärztinnen und Ärzten, die Teilzeit arbeiten, soll die Zahl der Dienste entsprechend ihrem Beschäftigungsumfang niedriger sein.

Die Zahl von Bereitschaftsdiensten oder Rufbereitschaften an Wochenende soll ab Januar 2022 strikt auf zwei pro Monat begrenzt sein; die Anordnung weiterer Arbeitsleistungen an Wochenenden soll nur noch im Notfall zulässig sein. In diesem Fall sollen die Bewertungen, Vergütungen oder Stundenentgelte um 20 Prozent erhöht werden. In jedem Fall soll der Arbeitgeber ein Wochenende ohne jede Arbeitsleistung gewährleisten.

Die Zuschläge auf Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften – außerhalb von Notfällen – sollen  auf 25 Prozent erhöht werden. Die Zahl der Rufbereitschaften je Monat soll auf zwölf begrenzt werden. Maximal eine Dauer von 24 Stunden soll erlaubt sein.

Die Forderung nach wesentlich rigideren Regelungen für Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften begründet der Marburger Bund mit der offenbar verbreiteten Praxis in Krankenhäusern, die gegenwärtig flexiblen Möglichkeiten für gehäufte Dienste in einem Monat zu überreizen. Die geltende Regelung besagt, dass im Schnitt eines Kalenderhalbjahres pro Monat zwei Bereitschaftsdienste angeordnet werden können.

Wie eine Umfrage unter den Mitgliedern im Frühjahr dieses Jahres ergab, berichteten 40 Prozent der Befragten, dass sie im zweiten Halbjahr 2020 im Durchschnitt effektiv vier statt zwei Bereitschaftsdienste hätten leisten müssen.

"Der Bereitschaftsdienst wird als Ersatz für Vollarbeit missbraucht, weil es teurer ist, zusätzliches Personal einzustellen  und für die Kliniken billiger, den vorhandenen Ärztinnen und Ärzten eine Bereitschaftsdienstvergütung zu zahlen", hatte mb-Chefin Johna beim Start in die Verhandlungen kritisiert.