Was treibt Menschen zum Mord?

Bereits frühere Untersuchungen befassten sich immer wieder mit der Psyche von Mördern im Vergleich zu anderen Menschen, wiesen aber oft entscheidende Lücken auf. Um diese Lücken zu schließen, führte eine Gruppe von WissenschaftlerInnen eine umfangreiche Studie durch - und fand dabei entscheidende Abweichungen.

Aktuelle Studie leuchtet neurologische Abweichungen genauer aus

Bereits frühere Untersuchungen befassten sich immer wieder mit der Psyche von Mördern im Vergleich zu anderen Menschen, wiesen aber oftmals entscheidende Lücken auf. Um diese Lücken zu schließen, führte eine Gruppe von WissenschaftlerInnen die bis heute umfangreichste Studie durch - und erkannte dabei entscheidende Abweichungen in der grauen Materie.

Studien mit PET-Scans aus den 90er Jahren kamen zu dem Schluss, bei Mördern läge in bestimmten Gehirnregionen, wie dem Präfrontalen Kortex oder der Amygdala, eine verringerte Aktivität vor.

Diese Untersuchungen beinhalteten allerdings nur Menschen, die aufgrund psychischer Krankheiten für nicht schuldig befunden wurden. Außer Acht gelassen wurde die Möglichkeit, dass diese Krankheiten die Grundlage für Abweichungen im Gehirn darstellen könnten. Stattdessen schloss man auf "mörderische Absichten". Die AutorInnen der aktuellen Studie bezweifeln daher die Aussagekraft älterer Untersuchungen: "Diese Ergebnisse sind nicht ausreichend, um Mord von anderen Gewaltverbrechen oder psychischen Erkrankungen abzugliedern."

Ein neuer Ansatz

Abweichend von früheren Forschungsansätzen, die nicht inhaftierte Menschen in die Kontrollgruppe aufnahmen, fokussiert sich die neue Studie lediglich auf inhaftierte Personen. Die 808 männlichen Studienteilnehmer waren drei verschiedenen Gruppen zuzuordnen: Mörder (203 Teilnehmer), Gewaltverbrecher, die keinen Mord verübten (475 Teilnehmer) und nicht-gewalttätige Straftäter (130 Teilnehmer).

Menschen, die an psychischen Erkrankungen litten oder aufgrund traumatischer Gehirnverletzungen für mehr als zwei Stunden das Bewusstsein verloren hatten, wurden von den Untersuchungen ausgeschlossen. Ebenfalls nicht in die Studie mit einbezogen wurden Verbrechen, die auf Unfälle zurückzuführen waren und Teilnehmer ohne direkte Beteiligung an einer Tat.

Neben MRT-Scans nutzten die WissenschaftlerInnen Daten wie Drogenkonsum, Alter, die Zeit im Gefängnis und den IQ. Im Vergleich zu Gewaltverbrechern und nicht-gewalttätigen Straftätern waren bei den Mördern deutliche Unterschiede im Gehirn zu erkennen, die auch nach Überprüfung der unterschiedlichen Kontrolldaten weiterhin bestanden. Da zwischen den Gehirnen von Gewaltverbrechern und anderen Häftlingen keine Unterschiede im Gehirn vorlagen, kamen die ForscherInnen zu der Schlussfolgerung, dass bei Mördern eine einzigartige Neuroanatomie vorliegt.

Weniger graue Materie in den Gehirnen von Mördern

Das Forschungsteam erkannte Defizite in verschiedenen Regionen des präfrontalen Kortex, der Inselrinde, dem Kleinhirn und dem hinteren cingulären Kortex. Hierzu erläuterten die ForscherInnen: "Wir konnten bei Mördern eine verringerte Menge grauer Materie in den Hirnregionen erkennen, die für Faktoren wie affektives Handeln, soziale Kognition oder den strategischen Umgang mit dem Gegenüber bedeutsam sind."

Die WissenschaftlerInnen weisen allerdings darauf hin, dass auch diese Studie nur begrenzt aussagekräftig ist. Trotz umfangreicher Analyse gehen sie von der Möglichkeit aus, dass eventuell weitere wichtige Parameter übersehen wurden. Sie erwähnen beispielsweise, dass ihre Untersuchungen Impulsivität nicht in den Fokus rückte, was bedeuten könnte, dass Mörder lediglich impulsiver als andere Menschen handeln.

Ebenso beinhaltete die Studie lediglich Gehirnscans zu einem Zeitpunkt des Lebens und gibt daher keine Auskunft darüber, ob ein Mensch mit den erwähnten Defiziten geboren wurde oder ob sich diese im Laufe der Zeit entwickelten.

ForscherInnen lehnen Gedanken von biologischem Determinismus strikt ab

Die StudienautorInnen stellten zudem klar, dass ihre Untersuchungen keinesfalls als Überlegungen zum biologischen Determinismus gedeutet werden sollten: "Unsere Untersuchungen sollen auf keinen Fall dafür genutzt werden, Mörder aufgrund der Auswertung von Gehirndaten zu erkennen. Ebenfalls können sie nicht dafür genutzt werden, zukünftiges mörderisches Verhalten vorherzusagen."

Aufgrund des Studienumfangs sind die ForscherInnen davon überzeugt, dass ihre Untersuchungen eine solide Basis für die Ausarbeitung weiterer Details bilden. Zukünftig wollen sie an einer präzisen Darstellung der gemessenen Unterschiede und der Netzwerke, die sie verknüpfen, arbeiten.

Somit überlassen es die ForscherInnen Anderen, zu ergründen, wie und warum diese neuroanatomischen Veränderungen auftreten und wie mit ihnen umzugehen ist. Sie gehen jedoch nicht davon aus, dass sich diese Fragen in nächster Zukunft beantworten lassen.

Abschließend erläuterten die ForscherInnen: "Durch die Betonung der entscheidenden Rolle, die die psychischen Gesundheit und die persönliche Entwicklung bei der extremsten Form der Gewalt spielen, stellt unsere Arbeit einen inkrementellen Schritt dafür dar, unsere Gesellschaft sicherer zu machen."

Quelle:
Sajous-Turner A et al., Brain Imaging and Behavior 2019; https://doi.org/10.1007/s11682-019-00155-y