Well-Being Therapy (WBT): beim Guten beginnen

Der Begriff "Well-Being Therapy" (WBT) klingt mehr nach Weichspüler und "Positive Thinking" als nach einem ernstzunehmenden Therapiekonzept. Dennoch scheinen damit Therapieziele erreicht zu werden, die allein mit den Methoden der Psychoanalyse oder Verhaltenstherapie nicht erreichbar sind.

Integrativer, klinischer Ansatz lenkt therapeutischen Fokus auf Episoden des Wohlbefindes

Der Begriff "Well-Being Therapy" oder "Wohlbefindenstherapie" (WBT) klingt mehr nach Weichspüler und "Positive Thinking" als nach einem ernstzunehmenden Therapiekonzept. Dennoch scheinen damit Therapieziele erreicht zu werden, die allein mit den Methoden der Psychoanalyse oder Verhaltenstherapie nicht erreichbar sind. Besonders die Rückfallquote bei Depressionen soll damit signifikant gesenkt werden können. Grund genug, sich nicht von der Bezeichnung abschrecken zu lassen und sich mit dem aktuellen Diskurs zu beschäftigen.

Auf dem diesjährigen World Congress for Cognitive and Behavioural Therapy 2019, der im Juli in Berlin stattfand, wurde die WBT vor einem großen Fachpublikum diskutiert. Eingeladen war der wohl bedeutendste Vertreter und Entwickler der WBT, Giovanni A. Flava, Psychiater und klinischer Psychologe an der Universität von Bologna. Er erläuterte in seinem Vortrag Prinzipien und Funktionsweisen und räumte auch mit einigen Vorurteilen auf.

Konzept

WBT ist eine strukturierte, geführte und problemorientierte Technik, die in den späten 1990er Jahren entwickelt wurde, als die Behandlung von Depressionen mit Kognitiver Verhaltenstherapie nicht die gewünschten Erfolge zeigte. Die WBT umfasst üblicherweise acht bis 16 Sitzungen. Je nachdem, ob zuvor bereits eine Verhaltenstherapie durchgeführt wurde, können es auch weniger Sitzungen sein. Der Fokus liegt dabei auf der Beobachtung des eigenen Wohlbefindens, wobei ein strukturiertes Tagebuch zum Einsatz kommt. Die PatientInnen bekommen konkrete Hausaufgaben, die sie niederschreiben müssen. Im Unterschied zu anderen Therapieformen setzt die WBT nicht bei der Beobachtung des Problems ein, sondern damit, sich an Momente des Wohlbefindens zu erinnern, diese zu nennen und erst im nächsten Schritt zu ergründen, wann negative automatische Gedanken und Stress auftreten. 

Häufig, so Flava, stoße dieses Vorgehen bei den PatientInnen zunächst auf Befremden: In aller Regel wollten diese über ihr schlechtes Befinden reden und wüssten auch oft spontan keine positiven Ereignisse zu nennen. Aussagen wie "Das Tagebuch wird leer bleiben" oder "Ich fühle mich niemals wohl" seien jedoch nicht richtig, so Flava. Es gebe immer – wenn auch kurze – Momente des Wohlbefindens, man müsse diese nur aufspüren. Dieses Monitoring von Episoden des Wohlbefindens geschieht in den ersten Sitzungen. In den mittleren Sitzungen wird versucht, die Momente und Gedanken zu identifizieren, die zu einer Unterbrechung des Wohlbefindens führen. In den letzten Sitzungen schließlich werden die dysfunktionalen Gedanken diskutiert und ausgerichtet am Zustand des Wohlbefindens modifiziert.

Sechs Dimensionen

Dabei geht es nicht etwa um ein "Beschönigen" oder "Positive Thinking", sondern darum, ein ausgewogen-funktionales Befinden in verschiedenen Lebensbereichen zu erlangen. Die sechs Dimensionen für positive psychische Gesundheit, die von Marie Jahoda bereits 1958 entwickelt wurden, dienen hierfür als Grundlage.

Umweltbewältigung

Persönlichkeitsentwicklung

Lebenssinn

Autonomie

Selbstakzeptanz

Positive Beziehungen zu anderen Personen

Zusammenfassung

WBT ist keine psychotherapeutische Technik, die für sich allein steht, sondern ist angebunden an weitere Therapiemaßnahmen und klinische Voraussetzungen. Im Grunde ist sie ein integrativer klinischer Ansatz, basierend auf einem Monitoring des psychologischen Wohlbefindens, der unter entsprechender Indikation mit jeder psychotherapeutischen Technik kombiniert werden kann. So sollte im Vorfeld immer diagnostisch abgeklärt werden, ob und wie eine Patientin oder ein Patient von WBT profitieren kann. Da die meisten PatientInnen in der klinischen Praxis unter komplexen und/oder chronischen Störungen leiden, ist eine differenzierte Diagnostik und individuelle Behandlungsstrategie unerlässlich.

Quelle: WCBCT2019, Berlin: Vortrag Giovanni A. Flava: The Clinical Role of Well-Being Therapy