Welt-Lepra-Tag: Autochthone Fälle in Südeuropa

Die Lepra gilt in Europa als ungewöhnliche Erkrankung. Jedoch gab es seit 2000 auch 18 beschriebene autochthone Übertragungsfälle in Europa.

Gibt es noch immer aktive Lepra-Cluster in Europa?

Die Lepra gilt in Europa als ungewöhnliche Erkrankung, aktuelle Fälle wurden meist aus Endemiegebieten eingeschleppt. Jedoch gab es seit 2000 auch 18 beschriebene autochthone Übertragungsfälle in Europa. Und was hat es dabei mit einem bestätigten Fall aus Deutschland auf sich?

Take home

Lepra betrifft weltweit 210.000 Menschen im Jahr 

Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge erkranken jährlich etwa 210.000 Menschen weltweit neu an der Lepra, einer bakteriellen Infektionskrankheit, welche die Haut und die Nerven befällt. Wie stark die Symptome der Erkrankung letztlich in Erscheinung treten können, hängt unter anderem auch vom Immunstatus der Betroffenen ab.

In Europa ist die Lepra allerdings seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine eher seltene Erkrankung geworden, was nicht zuletzt mit der Ära der Antibiotika zusammenhängt. Dennoch lohnt es sich, die Infektionskrankheit nicht völlig zu vergessen, denn auch heute noch findet die Lepra in vereinzelten Fällen ihren Weg bis nach Europa und nach Deutschland.

Auch in Deutschland gab es seit 2001 einige wenige Fälle von Lepra

In Deutschland gilt die Lepra gemäß des Infektionsschutzgesetzes als meldepflichtige Infektionskrankheit, weshalb wir recht genaue Zahlen zum Vorkommen der Erkrankung bei uns haben. Zwischen 2001 und 2015 wurden demnach lediglich 29 Lepra-Fälle registriert. In der Regel waren diese Fälle auf eingeschleppte Lepra zurückzuführen. Meist wird die Erkrankung in Deutschland, ebenso wie in den anderen Ländern Europas, erst spät diagnostiziert, da Ärztinnen und Ärzte keine oder nur sehr geringe Erfahrung mit den Symptomen der Lepra haben.

Erschwert wird die Diagnose der Lepra zudem, wenn wesentliche Symptome bei den Patient:innen fehlen oder sich kein eindeutiger Bezug zu den weltweiten Endemiegebieten (vor allem Südostasien, Indien, Afrika und Brasilien) finden lässt.

18 autochthone Lepra-Fälle in den vergangenen 20 Jahren

Solche autochthonen Lepra-Fälle kamen zwischen 2001 und 2015 insgesamt 18 Mal in Europa vor. Die vermeintlichen "Zentren" der Lepra in Europa liegen demnach in Spanien (7 Fälle), Griechenland (6 Fälle), Portugal (2 Fälle), Italien (2 Fälle) sowie Deutschland (1 Fall).

Bei dem Fall in Deutschland handelte es sich allerdings um einen Chirurgen, der sich nachweislich an kontaminiertem Blut infiziert hatte. Alle anderen Lepra-Fälle jedoch fanden über Infektionen im Mittelmeerraum statt, ohne dass sich ein Bezug zu einem der Endemiegebiete herstellen ließ. Gibt es also persistierende Lepra-Cluster in Südeuropa?

Welche Charakteristika zeigten die Lepra-Patient:innen?

Das Durchschnittsalter der Patient:innen lag bei 55 Jahren und war damit auch deutlich höher als das Durchschnittsalter von ca. 33 Jahren, welches wir von der importierten Lepra kennen. Insgesamt waren mehr Männer betroffen. So betrug das Geschlechterverhältnis 1,67 mit 62,5 % Männern und 37,5 % Frauen

Typ-1-Reaktionen (Hautläsionen mit klassischen Entzündungszeichen) wurden in zwei Fällen und Typ-2-Reaktionen (Erythema nodosum leprosum, schmerzhafte Papeln) in vier Fällen gemeldet. Ein aktueller Fall einer Portugiesin mit autochthoner Lepra fiel ebenfalls aufgrund einer intermittierenden chronischen makulopapulösen Dermatose auf.

Verzögert zu geringes Wissen über Lepra die Diagnose in Europa?

In der Regel vergeht in Europa bei autochthoner Lepra zuviel Zeit zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnose der Erkrankung. Die Betroffenen erhielten im Mittel erst 3 Jahre (IQR: 2 - 5,5; Mittelwert: 8,6 Jahre) nach dem Symptombeginn ihre entsprechende Diagnose. Wurde die Lepra indes aus einem Endemiegebiet eingeschleppt, betrug die Zeitspanne bis zur Diagnose im Median lediglich 12 Monate und im Mittel über alle Fälle ca. 2,1 Jahre. Erklärt wird dies in der Regel damit, dass in der europäischen Bevölkerung eher nicht mit einem klinischen Verdacht auf Lepra zu rechnen ist.

Allerdings zeigen diese Fälle ebenso, dass Ärztinnen und Ärzte in Europa in ihrer täglichen Praxis zu wenig Erfahrung haben mit einer bei uns seltenen Erkrankung wie der Lepra. Dies birgt jedoch zusätzliche Gefahren für die Patient:innen und deren Kontaktpersonen. So steigt nicht nur das Risiko für eine höhere Morbidität und Krankheitslast, sondern auch für eine Übertragung der Lepra auf weitere Personen.

Weiterbildung im Bereich Reise- und Tropenmedizin hilft Lepra zu erkennen

Regelmäßige Weiterbildungen im Bereich Reise- oder Tropenmedizin helfen Ärztinnen und Ärzten in Europa und hierzulande dabei, ihre Kenntnisse unter anderem zu Lepra aufzufrischen und zu vertiefen. Insbesondere auch aufgrund der gegenwärtigen weltweiten Migrationsbewegungen ist davon auszugehen, dass immer wieder mit kleineren Fallzahlen importierter Lepra zu rechnen ist.

Nichtzuletzt wird wohl auch der Klimawandel weitere, über die Lepra hinausgehende Infektionskrankheiten "zurückbringen", deren Symptome und Diagnostik hierzulande bisweilen vergleichbar in Vergessenheit geraten sind.

Quelle:
Beauvillain Q et al., International Journal of Infectious Diseases 110 (2021) 111–113. https://doi.org/10.1016/j.ijid.2021.07.023