Experten diskutieren Behandlungsstrategien bei HIV und Aids

In Westeuropa scheint die Angst vor HIV und Aids dank neuer Therapien und Präventionsmöglichkeiten weitgehend verflogen. Noch immer gibt es global allerdings rund zwei Millionen Neuinfektionen im Jahr.

In Westeuropa scheint die Angst vor HIV und Aids dank neuer Therapien und Präventionsmöglichkeiten weitgehend verflogen. Noch immer gibt es global allerdings rund zwei Millionen Neuinfektionen im Jahr.

Tausende Forscher, Aktivisten und Regierungsvertreter suchen bei der heute begonnenen Welt-Aids-Konferenz in Südafrika nach Wegen, die tödliche Immunschwächekrankheit bis 2030 endgültig zu besiegen. Rund 18.000 Delegierte aus 180 Ländern diskutieren bis Freitag in Durban Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten. Auch Prominente, die sich im Kampf gegen HIV/Aids engagieren, nehmen teil: Bill Gates, Prinz Harry, Sänger Elton John und die Schauspielerin Charlize Theron beispielsweise.

Bis 2030 will die Weltgemeinschaft die HIV/Aids-Epidemie beenden. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, wird ein zentrales Thema der Konferenz sein. Gegenwärtig infizieren sich jährlich noch rund 2,1 Millionen Menschen mit dem HI-Virus. Etwa 1,1 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen der Infektion, vor allem in Afrika. “Es gibt viel Zuversicht, dass wir endlich die nötigen Werkzeuge haben, die Aids-Epidemie unter Kontrolle zu bringen”, sagte der Präsident der Internationalen Aids-Gesellschaft (IAS), Chris Beyrer. “Aber es ist viel zu früh, um einen Sieg zu verkünden.”

Ein wichtiger Ansatz zur Beendigung der Aids-Epidemie wird sein, allen HIV-positiven Menschen Zugang zu den lebensrettenden virenhemmenden Medikamenten zu verschaffen. Sie verhindern den Ausbruch von Aids und können das Ansteckungsrisiko vermindern. Gegenwärtig bekommen von weltweit 37 Millionen HIV-positiven Menschen nur 17 Millionen solche Medikamente.

Effektivere Prävention in Risikogruppen

Ein weiteres zentrales Thema ist die Prävention. Hier müssen nach Ansicht von Experten die Anstrengungen verstärkt werden: Die Zahl der weltweiten Neuinfektionen sei zuletzt nur noch marginal gesunken. Besonders Risikogruppen müssen demnach gezielter informiert werden. In Osteuropa sind das zum Beispiel Drogenabhängige und Männer, die Sex mit Männern haben.

In Südafrika sehen viele Experten vor allem sexuell aktive Mädchen und Frauen bis zu 25 Jahren als Risikogruppe. “Jugendliche Mädchen und junge Frauen zu erreichen, vor allem in Afrika südlich der Sahara, wird ein Schlüsselfaktor zum Beenden der Aids-Epidemie sein”, erklärt die Anti-Aids-Organisation der Vereinten Nationen (UNAIDS). Im Gastland der Konferenz leben mit sieben Millionen Menschen besonders viele HIV-Positive – jeder Fünfte zwischen 15 und 49 Jahren gilt als infiziert.

Ein wichtiges Thema der Tagung werden auch neue Medikamente sein, die bei täglicher Einnahme eine Infektion mit HIV verhindern können. Eine der offenen Fragen ist, ob nur Risikogruppen oder weitere Teile der Bevölkerung die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP) nutzen sollten. In Deutschland sind solche Medikamente bisher nicht zugelassen, in Südafrika werden sie bereits kostenlos an Prostituierte ausgegeben.

Eine Chronologie dokumentiert die schwierige Suche nach einer Behandlung der Immunschwächekrankheit.

1900: Vermutlich um die Jahrhundertwende geht ein HIV-Urtyp (SI-Virus) in Afrika vom Affen auf den Menschen über.

1959: Ärzte entnehmen einem Mann im Kongo eine Blutprobe. Jahrzehnte später wird festgestellt, dass sich darin HIV-Antikörper befinden.

1981: Die US-Gesundheitsbehörden melden, dass immer mehr Homosexuelle unter bis dahin seltenen Infektionen und Hauttumoren leiden.

1982: Krankheitsfälle treten auch bei Drogenabhängigen und Blutern auf. Die Krankheit bekommt den Namen Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome, Erworbenes Immunschwäche-Syndrom). In Deutschland wird die erste Aids-Diagnose gestellt.

1983: Luc Montagnier und seinen Kollegen vom Pasteur-Institut in Paris gelingt es, das Aids-Virus zu isolieren. Der New Yorker Arzt Joseph Sonnabend benutzt erstmals den Begriff «Safer Sex». Auch in Deutschland wird verstärkt über das Thema Aids berichtet.

1984: Robert Gallo entwickelt ein Zellkultursystem und schafft damit die Voraussetzung für die Entwicklung erster Aids-Tests.

1985: Die erste internationale Aids-Konferenz tagt. 27 Millionen deutsche Haushalte bekommen Informationsbroschüren zugeschickt.

1986: Experten bezeichnen den Erreger einheitlich als HIV (Human Immunodeficiency Virus, Humanes Immunschwächevirus).

1987: Das erste Aids-Medikament AZT wird in den USA und wenig später auch in Deutschland zugelassen. Es kann die Virus-Vermehrung etwas bremsen.

1991: Die rote Schleife (Red Ribbon) wird zum internationalen Aids-Symbol. Queen-Sänger Freddie Mercury stirbt an HIV.

1996: Für Aufsehen sorgt die Entdeckung, dass einige Menschen eine genetisch bedingte, wenn auch nicht vollständige HIV-Resistenz haben.

1999: Schweizer Ärzte haben außergewöhnlichen Erfolg mit einer Hochdosis-Kombinationstherapie aus mehreren Medikamenten (HAART), in der Folge wird diese Strategie zur Standardbehandlung.

2002: Der Globale Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria wird zur Finanzierung nationaler Maßnahmen gegen diese Krankheiten gegründet.

2003: Mit dem Fusionshemmer Enfuvirtid (Handelsname Fuzeon) kommt in den USA und der EU eine vierte Klasse von Aids-Medikamenten auf den Markt, nach den sogenannten Nukleosiden, Protease-Hemmern und Transkriptase-Hemmern.

2008: Luc Montagnier wird gemeinsam mit Françoise Barré-Sinoussi für die Entdeckung von HIV der Medizin-Nobelpreis verliehen.

2010: Barack Obama hebt das in den USA seit 1987 geltende Einreiseverbot für HIV-Positive auf.

2016: Die Vereinten Nationen sprechen von einem Wendepunkt der Aids-Epidemie in Afrika. Zum ersten Mal würden auf dem Kontinent mehr Betroffene behandelt als sich neu infizieren.