Wie die Knochen und das Immunsystem zusammenarbeiten

Da Entzündungen und Störungen des Immunsystems nachweislich Spuren im Knochen hinterlassen, könnten sie problemlos auch dem Immunsystem zugeordnet werden. Medikamente, die für Immunerkrankungen entwickelt wurden, könnten vermehrt bei Knochenerkrankungen eingesetzt werden, berichten Experten in der "Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie".

Unterscheidung zwischen Immun- und Knochenzellen sinnvoll?

Da Entzündungen und Störungen des Immunsystems nachweislich Spuren im Knochen hinterlassen, könnten sie problemlos auch dem Immunsystem zugeordnet werden. Medikamente, die für Immunerkrankungen wie Rheuma entwickelt wurden, könnten dann vermehrt auch bei Knochenerkrankungen eingesetzt werden, berichten Experten in der "Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie".

Die Knochen, die dem Körper Stabilität verleihen, sind kein starres Gewebe, sondern einem ständigen, streng regulierten Umbauprozess unterworfen. Während die sogenannten Osteoblasten für den Knochenaufbau verantwortlich sind, wirken Osteoklasten diesem Prozess entgegen, indem sie Knochensubstanz abbauen. Ist diese Regulation gestört, wie im Fall der Osteoporose, kommt es zu einem massiven Abbau der Knochenstruktur. Beide Zelltypen werden aktuell als "Knochenzellen" betrachtet.

Erst vor wenigen Jahren entdeckten Forscher die enge Verbindung von Osteoblasten und Osteoklasten und dem Immunsystem. Diese ergibt sich unter anderem aus ihrem Entstehungsprozess: Osteoblasten und Osteoklasten entstehen im Knochenmark. Dort befindet sich auch der "Geburtsort" des Immunsystems sowie aller Blutzellen. Während sich Osteoblasten aus "Bindegewebs-Stammzellen" ableiten, zählen die Osteoklasten zur Familie der Makrophagen, den sogenannten Fresszellen, die sich aus "blutbildenden Stammzellen" entwickeln.

Dies könnte erklären, warum Erkrankungen, die das Immunsystem betreffen, oft auch massive Knochenveränderungen zur Folge haben. Dr. rer. nat. Andreas Limmer von der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen und Professor Dr. med. Dieter Christian Wirtz, Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Uniklinik Bonn, erklären dies am Beispiel der rheumatoiden Arthritis (RA). Rheuma gehört zu den Autoimmunerkrankungen, bei der Immunzellen Teile des eigenen Körpers angreifen. Die Attacke richtet sich gegen die Gelenke. Bei der Immunreaktion werden jedoch neben "normalen" Makrophagen auch Osteoklasten in der Umgebung aktiviert. Dies erklärt laut Limmer und Wirtz, warum bei Rheuma auch Knorpel- und Knochengewebe in Mitleidenschaft gezogen werden.

Fehlgeleitete Funktion von T-Zellen blockieren

Beim gesunden Menschen ist die Aktivität von Osteoblasten und Osteoklasten eng aufeinander abgestimmt. Die Zellen tauschen untereinander ständig Signale aus. Eine essenzielle Signalverarbeitung erfolgt dabei über den sogenannten Transkriptionsfaktor NFATc (Nuclear Factor of Activated T cells). T-Zellen sind wichtige Akteure des Immunsystems. Sie schützen unter anderem vor viralen Infekten und Tumoren. Andererseits ist aber bekannt, dass T-Zellen fehlgesteuert werden können, was Autoimmunschäden und Organabstoßung nach Transplantationen zur Folge haben kann.

Die medikamentöse Blockade von NFATc (zum Beispiel durch Cyclosporin oder FK506) wurde entwickelt, um diese fehlgeleitete Funktion von T-Zellen zu blockieren. Da Knochenbrüche infolge eines vermehrten Knochenabbaus zu den häufigen Nebenwirkungen der Behandlung gehören, wurde schon länger angenommen, dass NFATc im Knochenstoffwechsel eine zentrale Funktion hat, berichten die Autoren. Und tatsächlich spielt NFATc für die Regulation und Kommunikation von Osteoblasten und Osteoklasten eine zentrale Rolle. Ein medikamentöser Eingriff in diese Kommunikation zwischen Osteoblasten und Osteoklasten kann daher auch genutzt werden, um einen Knochenabbau zu verhindern.

Ein wichtiger Botenstoff im Knochen ist RANKL (receptor activator of NFkB ligand). Er fordert die Osteoklasten zu einem vermehrten Knochenabbau auf. Der Antikörper Denosumab, der RANKL abfängt, bevor er seinen Rezeptor erreicht, wird seit einigen Jahren erfolgreich zur Behandlung der Osteoporose eingesetzt. Die Freisetzung von RANKL wird unter anderem durch Vitamin D gefördert. Eigentlich müsste Vitamin D den Knochenabbau anregen, da es Osteoklasten aktivieren kann. In Wirklichkeit fördert Vitamin D jedoch den Knochenaufbau.

Dies hängt laut Limmer und Wirtz einerseits damit zusammen, dass Osteoklasten nicht nur "böse" sind und Knochen abbauen. Vielmehr benötigen Osteoblasten für den Knochenaufbau Substanzen von aktivierten Osteoklasten. Andererseits hat Vitamin D aber auch eine weitere, interessante Wirkung: Es blockiert in den Zellen die Signale eines weiteren Botenstoffs, nämlich von Sphingosin-1-Phosphat (S1P). Dieser wird für die Bildung einer Vorstufe der Osteoklasten, sowie deren Einwanderung ins Gewebe benötigt. Auch hier gibt es eine Verbindung zum Immunsystem, die bei der Behandlung der Multiplen Sklerose eine Rolle spielt. Der S1P-Blocker Fingolimod verhindert, dass Immunzellen von den Lymphknoten freigesetzt werden, und damit auch, dass im Gehirn Nervenzellen angegriffen werden.

Nach Ansicht von Dr. Limmer und Professor Wirtz lassen neue Forschungsergebnisse erahnen, dass es noch viele, bisher nur ansatzweise charakterisierte Gemeinsamkeiten zwischen dem Immunsystem und den Knochen gibt. Eine strenge Unterscheidung zwischen Immun- und Knochenzellen sei daher nicht sinnvoll.