Wie Zellen lebenswichtige Membranen bilden

Gießener Wissenschaftler erforschen wichtige Zellorganellen und haben dabei neue Therapieansätze für die Behandlung degenerativer Erkrankungen im Fokus.

Protein PEX19 kann je nach Zelltyp seinen Ort wechseln

Gießener Wissenschaftler erforschen wichtige Zellorganellen und haben dabei neue Therapieansätze für die Behandlung degenerativer Erkrankungen im Fokus.

Ohne Peroxisomen läuft in Zellen nichts. Die Zellorganellen spielen eine große Rolle für das Gleichgewicht des Sauerstoffradikal- und Lipidstoffwechsels in den Körperzellen aller Lebewesen. Fallen sie aus, kommt es zu schweren degenerativen Erkrankungen des Gehirns, der Leber und der Nieren – auch schon bei Kleinkindern. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Eveline Baumgart-Vogt am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) erforscht die Herstellung der Peroxisomenmembran im Organismus. Diese sogenannte Kompartimentierung durch Membranen ist eine wichtige Voraussetzung für stoffwechselkompetente Organellen, da auf diese Weise Stoffwechselprozesse in den Zellen voneinander abgegrenzt werden können.

Die Funktion der Peroxisomen kann bereits bei Babys und Kleinkindern gestört sein (sogenanntes Zellweger-Syndrom). Kinder mit Zellweger-Syndrom sterben häufig innerhalb des ersten Lebensjahres. Auch im hohen Alter werden Peroxisomen in ihrer Funktion herunterreguliert, was degenerative Erkrankungsprozesse beim Menschen, die mit zunehmendem Alter auftreten (z. B. Neurodegeneration) beeinflussen könnte.

Die Forscher haben nun erstmalig die Zelltyp-spezifischen Unterschiede der körpereigenen frühen Biogeneseproteine PEX3 und PEX19 zur Herstellung der Peroxisomenmembran nachgewiesen. Dabei konnten sie zeigen, dass die beiden Biogeneseproteine PEX3 und PEX19 – obwohl sie beide Bindungspartner in der Membranherstellung der Peroxisomen sind – sehr komplex und ganz unterschiedlich reguliert werden. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Regulation in Abhängigkeit von der Stoffwechselumgebung der verschiedenen Zelltypen erfolgt, in denen die Peroxisomen vorkommen.

In der Studie wurde außerdem nachgewiesen, dass PEX19 in verschiedenen lebenswichtigen Zelltypen wie Leberzellen und Herzmuskelzellen den Ort wechseln kann. Das Protein ist vor allem im Zytoplasma lokalisiert, kann aber auch – je nach Zelltyp zu einem unterschiedlichen Prozentsatz – an die Peroxisomenmembran wechseln. Das bedeutet, dass die Membranherstellung dieser wichtigen Zellorganellen über das Biogeneseproteinen PEX19 in unterschiedlichen Zelltypen verschieden beeinflusst werden kann. Die Ergebnisse bieten Ansatzpunkte für die Suche nach Pharmaka, die den Prozess der Bildung funktioneller Peroxisomen auch bei alten Menschen positiv beeinflussen könnten, um degenerative alterungsbedingte Prozesse durch Störung des Sauerstoff- und Lipidstoffwechsels der Körperzellen aufzuhalten.