Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Vertragsärzte seit 2001 deutlich gealtert

Das Durchschnittsalter von Vertragsärzten ist zwischen 2001 und 2021 um 4,8 Jahre gestiegen, der Verbrauch von Antibiotika ist in den beiden Pandemiejahren deutlich stärker als erwartet gesunken: mehr aus KW 22 erfahren.

Vertragsärzte sind seit 2001 um fast fünf Jahre gealtert

Das Durchschnittsalter niedergelassener Haus- und Fachärzte ist zwischen 2001 und 2021 nach Daten des Bundesarztregisters von 49,8 auf 54,6 Jahre (plus 4,8 Jahre) gestiegen. Der Anteil der Ärztinnen und Ärzte über 60 beträgt inzwischen mehr als ein Fünftel, wie das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung berichtet. Obwohl im gleichen Zeitraum die Zahl der ambulant tätigen Mediziner um 21,6 Prozent auf 143.101 gestiegen ist, hat die Arbeitskapazität nicht in gleichem Ausmaß zugenommen. Ursächlich dafür sei der Trend zur Anstellung und zur Teilzeitarbeit. Inzwischen arbeitet etwa ein Viertel der Ärzte im Angestelltenstatus, der Anteil der Teilzeitarbeitenden hat sich auf 33 Prozent verdreifacht. 

"Wir befinden uns vor einer Zeitenwende in der ambulanten ärztlichen Versorgung. Aus dem vermeintlichen Überangebot ist eine drohende Unterversorgung geworden." 

Dr. Dominik von Stillfried

Eine wesentliche Ursache dafür sei die 1992 verabschiedete Gesundheitsreform mit einer rigiden Bedarfsplanung und Zulassungssperren gewesen, vor deren Inkrafttreten tausende von Klinikärzten noch die letzte Chance zur Niederlassung wahrgenommen hatten. Diese Ärzte stehen nun kurz vor dem Ruhestand und können nicht vollständig vom zur Verfügung stehenden Nachwuchs ersetzt werden. Eine wieder zunehmende Zahl junger Ärzte sei allerdings aufgrund langer Aus- und Weiterbildung bis Mitte der 2030er Jahre nicht zu erwarten.

GKV rechnet mit geringerem Defizit für 2024

Der GKV-Spitzenverband prognostiziert für 2024 mit 3,5 bis sieben Milliarden Euro ein deutlich geringeres Defizit als bislang erwartet worden war. Ohne Sparmaßnahmen würde dies einen Beitragsanstieg zwischen 0,2 und 0,4 Prozent erfordern, um das Defizit abzudecken. Ursächlich für den wahrscheinlich niedrigeren Fehlbetrag sind laut Verbandchefin Dr. Doris Pfeiffer hohe Tariflohnzuwächse der Beschäftigten, die zu steigenden Beitragseinnahmen der Kassen führen. Zudem würden die Kassen durch eine geringere Nachfrage nach Krankenhausleistungen entlastet. Gleichwohl seien Reformen notwendig, die das System effizienter machten, etwa in der Notfallversorgung und durch Verlagerung von Leistungen aus der stationären in die ambulante Versorgung. Eine weitere Option sei die Senkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel.   

Unterdessen kommt von dem CDU-Politiker Erwin Rüddel ein neuer Vorschlag, die Einnahmenseite der Krankenkassen zu verbessern: Vor dem Hintergrund des geplanten Gesundheitsdatennutzungsgesetzes schlägt er vor, die bei den Kassen liegenden Gesundheitsdaten nicht nur gegen eine Verwaltungsgebühr, sondern entsprechend ihrem tatsächlichen Wert etwa für die forschende Pharmaindustrie zu verkaufen. In anderen Ländern würden damit Milliardenerlöse erzielt.

Krankenhäuser dringen auf "Vorschaltgesetz"

Vor dem Hintergrund eines hohen Anteils defizitär arbeitender Kliniken vermisst die Deutsche Krankenhausgesellschaft bei den aktuellen Beratungen der Klinikreform (Bund-Länder-Gesundheitsminister am 1. Juni) die Initiative für ein Vorschaltgesetz. Die Ergebnisse der bisherigen Beratungen – dabei wird davon ausgegangen, dass die Reform kostenneutral erfolgen kann – sei zu befürchten, dass viele bedarfsnotwendige Krankenhäuser die Reform gar nicht mehr erleben werden. Angesichts hoher Energiekosten und teurer Tariflohnsteigerungen sei ein vollständiger Inflationsausgleich notwendig. Überdies fehle bei den Reformplänen eine klare Aussage, wie die Investitionsfinanzierung durch die Länder gesichert werden kann. Allein die aufgrund der Reform notwendigen strukturellen Veränderungen erforderten Investitionen in einem Volumen von 24 bis 50 Milliarden Euro, so die DKG. Dies sei aber nicht ausreichend, um den Investitionsstau aufzulösen und die Krankenhäuser auf Klimaneutralität umzustellen. 

Antibiotika-Verbrauch ist drastisch gesunken

Deutlich stärker als erwartet ist der Verbrauch von Antibiotika in den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 in Deutschland gesunken. Dies geht aus Daten hervor, die das Marktforschungsunternehmen IQVIA erhoben hat: Danach sank die Zahl der Patienten pro Praxis, die eine Antibiotika-Verordnung erhielten, von 420 im Jahr 2029 auf 300 im Folgejahr und weiter auf 266 im Jahr 2021. Überdurchschnittlich ausgeprägt war der Rückgang der Antibiotika-Verordnungen bei Frauen. Bereits in den Jahren zuvor hatten Ärzte kontinuierlich weniger Antibiotika verordnet – nicht zuletzt aufgrund einer zunehmenden Sensibilisierung für das Risiko von Antibiotika-Resistenzen. Nach Angaben des wissenschaftlichen Leiters der epidemiologischen Forschung von IQVIA, Professor Karel Kostev, lässt sich der Rückgang der Antibiotika-Verordnungen 2020 und 2021 nicht allein durch Pandemieeffekte – Hygieneregeln und Kontaktbeschränkungen – erklären. Denn die Zahl der Antibiotika-Verschreibungen ging stärker zurück als die Rate an Infektionskrankheiten. Besonders stark rückläufig war der Einsatz von Fluorchinolonen (minus 70 Prozent im Vergleich zu 2015), Makroliden (minus 56 Prozent) und Tetracyclinen (minus 56 Prozent). Speziell Fluorchinolone werden mit zahlreichen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht.

Die Angaben basieren auf Verordnungen und Diagnosen eines Panels von 477 deutschen Hausarztpraxen, die insgesamt 4,175 Millionen Fälle behandelt haben.