Wochenrückblick Gesundheitspolitik KW 38: Bald mehr Geld für Vertragsärzte?

Ein höherer Orientierungswert für Vertragsärzte ist geplant, aber bedeutet das auch mehr Geld? Warum ist die KBV wütend auf Karl Lauterbach? Was gibt es neues zum Krankenhaustransparenzgesetz? Gesundheitspolitische Entscheidungen aus der KW 38.

Orientierungswert für Ärzte steigt um 3,85 Prozent

Mit der Einigung auf eine Steigerung des Orientierungswertes um 3,85 Prozent ab dem 1. Januar 2024 folgten KBV und GKV-Spitzenverband nach Anrufung des Erweiterten Bewertungsausschuss dem Vorschlag des Schlichters. Die Finanzmittel für die ambulante Versorgung werde einschließlich der Morbiditätsrate um fast vier Prozent steigen. Das sei "kein Grund, in Jubel auszubrechen, ist aber in seiner Wirkung vergleichbar mit der jüngsten Tarifsteigerung für die Klinikärzte, die für 2023 ein Plus von 4,8 Prozent erzielten", so KBV-Chf Dr. Andreas Gassen. Überdies sei es gelungen, dass Tarifänderungen bei den MFA künftig direkt und nicht mehr mit Verzug in den Verhandlungen zum Orientierungswert berücksichtigt werden.

Ganz anders bewerten manche Landes-KVen und Ärzteverbände den Honorarabschluss. Angesichts einer Inflationsrate von 7,9 Prozent im Durchschnitt des vergangenen Jahres und aktuell von 6,1 Prozent (August) kompensiert das Verhandlungsergebnis nicht den Kostenanstieg in den Praxen, so dass Vertragsärzte auch im nächsten Jahr mit Realeinkommensverlusten rechnen müssen. 

Die KBV weist darauf hin, dass Kostenpauschalen für den Mehraufwand bei Arzneimittelengpässen und wegen gestiegenen Hygieneaufwandes gesondert verhandelt werden.

KBV: Lauterbach auf "ambulantem Auge blind"

Massive Verärgerung über Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat der KBV-Vorstand auf der Vertreterversammlung am Freitag in Berlin artikuliert. Ursache ist eine bislang nicht erfolgte Reaktion des Ministers auf den Forderungskatalog, den eine Protestversammlung der Vertragsärzte Ende August einmütig verabschiedet hatte. Das Verhalten des Ministers zeige, dass er "auf dem ambulanten Auge blind" sei und "völlig taub" für die Belange der Praxen. Der Minister verweigere die Entbudgetierung der Vergütungen und missachte die Selbstverwaltung wie etwa den Gemeinsamen Bundesausschuss. Konkret nannte KBV-Vite Stephan Hofmeister die Behandlung des GBA-Beschlusses zur strukturierten Ersteinschätzung und die Umgehung des Bundesausschusses bei der Beauftragung des IQTIG mit der Schaffung von Qualitätstransparenz bei Krankenhäusern. Ferner verweigere Lauterbach die Mitarbeit an Eckpunkten des von der Bundesregierung beschlossenen Bürokratieentlastungsgesetzes.

Erstes Halbjahr: Ein Prozent mehr für Vertragsärzte

Die gesamten Ausgaben der Krankenkassen für die ambulante ärztliche Versorgung sind im ersten Halbjahr 2023 um 230 Millionen Euro oder 1,0 Prozent auf 23,5 Milliarden Euro gestiegen. Zum Vergleich: Die Ausgaben für Krankenhausbehandlung mit sieben Prozent auf 43,1 Milliarden Euro um ein Vielfaches – gleichwohl sind inzwischen etliche Kliniken ernsthaft von einer Insolvenz bedroht. Allein für den Kostenaufwand für das Pflegepersonal erhielten die Krankenhäuser 12,5 Prozent zusätzlich.

Dies geht aus von am Freitag veröffentlichten vorläufigen Daten zur Finanzentwicklung der GKV durch das Bundesgesundheitsministerium hervor. Danach haben die gesetzlichen Krankenkassen im ersten Halbjahr ein Defizit von 600 Millionen Euro verbucht; ursächlich dafür ist eine durch das Finanzstabilisierungsgesetz beschlossene Verpflichtzunmg der Kassen, 2,5 Milliarden Euro – also 1,25 Milliarden Euro im ersten Halbjahr – aus ihrem Vermögen an den Gesundheitsfonds zu überweisen. Zugleich hatte der Bund seinen Zuschuss auf 14,5 Milliarden Euro reduziert. Zur Jahresmitte verfügten die Krankenkassen über Finanzreserven von 9,7 Milliarden Euro. Der Gesundheitsfonds verfügte über Reserven von 6,4 Milliarden Euro. Die Leistungsausgaben der GKV stiegen insgesamt um 4,6 Prozent, die Einnahmen um 5,9 Prozent.

Bundeskabinett beschließt Transparenz für Krankenhäuser

Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Entwurf eines „Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung (Krankenhaustransparenzgesetz) beschlossen. Damit soll vom Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) im Auftrag des BMG ein interaktiver Krankenhaus-Atlas erarbeitet werden, der darstellt, welche Kliniken welche Leistungen mit welcher Qualität anbieten. Das Instrument könnte eine Informationsgrundlage auch für Ärzte darstellen, wenn sie Patienten insbesondere für geplante Eingriffe in ein Krankenhaus einweisen wollen. Der Klinikatlas soll ab dem 1. April 2024 zur Verfügung stehen und folgende Informationen bieten:

Das Gesetz ist ein Bestandteil der Krankenhausreform und kann vom Bund ohne Länderbeteiligung beschlossen werden. Die Länder sehen das Projekt kritisch, insbesondere die Zuordnung zu Levels. Machen Ärzte und Patienten den Atlas zur Basis für die Wahl eines Krankenhauses, dann könnte dieses Instrument erhebliche strukturelle und wirtschaftliche Auswirkungen auf Krankenhäuser haben.  

Mehr Therapieoptionen für Long-COVID-Patienten

Eine Kommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll eine Liste von Arzneimitteln erstellen, die für die Behandlung von Patienten mit Long-COVID nicht zugelassen sind, aber gleichwohl in der Therapie eingesetzt werden können und von den Kassen bezahlt werden.  Dies ist das Ergebnis eines Runden Tischs von Experten und Betroffenen unter Federführung des Bundesgesundheitsministeriums. Für die Erforschung des komplexen Krankheitsbildes hat das BMG 40 Millionen Euro budgetiert. Nach Plänen von Minister Karl Lauterbach sollen diese Mittel auf 100 Millionen Euro aufgestockt werden.