Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Zukunftsweisende Entwicklungen im Gesundheitswesen

Der Bundestag beschließt im Rahmen der Klinikreform wegweisende Maßnahmen im Gesundheitswesen: Transparenz für Krankenhausstrukturen, Qualitätsausbau und Bürokratieabbau und die Förderung der akademischen Pflege.

Bundestag beschließt Transparenzgesetz für Kliniken

Ärzte und Patienten werden ab Mai 2024 Transparenz über Struktur-, Leistungs- und Qualitätsmerkmale von Krankenhäusern bekommen. Dazu hat der Bundestag am Donnerstag das Gesetz zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz beschlossen. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz ist das erste nun beschlossene Element der Klinikreform und schafft die Grundlage für die Veröffentlichung eines interaktiven Klinik-Atlas. 

Folgende Informationen soll dieser Atlas enthalten:

Dazu sind die Krankenhäuser verpflichtet, erstmals für das Jahr 2023 dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) die notwendigen Daten zu liefern, die dem Institut für Qualität und Transparenz (IQTIG) übermittelt werden, das die Daten im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums aufbereitet und dabei auch eine Risikoadjustierung vornehmen kann.

Das Gesetz ist nicht unumstritten. Befürwortet wird mehr Transparenz insbesondere vom GKV-Spitzenverband und dem Verband der Universitätskliniken. Dagegen sprachen sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Bundesländer aus, die vor allem mit der Zuordnung von Kliniken zu Leveln ein Qualitätsurteil befürchten. Die KBV begrüßt dagegen insbesondere die Zuordnung der Kliniken zu Versorgungsstufen. Sie wie auch zuvor schon der Gemeinsame Bundesausschuss sieht die KBV die Beauftragung des IQTIG durch das Gesundheitsministerium als kritischen Eingriff in die Selbstverwaltung. Andere Arbeiten zur Verbesserung der Qualität könnten damit ins Hintertreffen geraten. 

Zugleich wurden mit dem Gesetz Verbesserungen zur Liquidität der Krankenhäuser beschlossen: die Einführung einer frühzeitigen Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen, eine weitere Erhöhung des Pflegeentgeltwertes von 230 auf 250 Euro sowie einen vorläufigen Mindererlösausgleich, sofern sich herausstellt, dass die Pflegepersonalkosten mit dem abgerechneten Pflegeentgeltwert in den vorangegangenen Jahren unterfinanziert waren.  

Vorschläge zur Qualität und zum Bürokratieabbau in Krankenhäusern 

Die Qualitätssicherung in Krankenhäusern soll durch neue Elemente wie etwa Patient Reported Outcomes ausgebaut, andererseits aber auch bürokratisch verschlankt werden. Dazu hat die Regierungskommission für die Krankenhausreform eine weitere Empfehlung vorgelegt.

Danach sollen alle bisherigen Instrumente der QS überprüft werden. Oberstes Gebot für Nachweise sollten weniger Bürokratie und Praxistauglichkeit sein. Wo immer möglich, sollten vorhandene Daten aus Abrechnungen, Sozialdaten und aus Krankenhausinformationssystemen genutzt werden. Stabil unauffällige Kliniken sollten erst nach drei Jahren erneut überprüft werden.

Qualitätsindikatoren sollten möglichst auf S3-Richtlinien der Fachgesellschaft beruhen. Zertifikate, die nicht wissenschaftlichen Kriterien genügen, sollten nicht mehr finanziert oder erworben werden. Das IQTIG soll Kriterien für die Bewertung von Zertifikaten erarbeiten.

Qualitätsstandards sollen auch für nichtärztliche Behandlungsarten, etwa Leistungen der Pflege und anderer Gesundheitsberufe. Bei der Qualitätssicherung sollen nicht nur klinische Daten, sondern auch PROMS und PREMS zur Qualitätsbewertung herangezogen werden, für alle Krankenhäuser verbindlich sein und Bestandteil einer qualitätsabhängigen Vergütung werden.  

Die Qualitätssicherung im ambulanten und stationären Sektor sollte angeglichen und die in den Bundesländern unterschiedliche Vorgehensweise harmonisiert werden. Krankenhäuser, die sich mit regionalen Gesundheitseinrichtungen vernetzen und dafür freiwillig ein Zertifikat erwerben, sollen ein um zwei Prozent aufgestocktes Vorhaltebudget erhalten. Das einrichtungsinterne QM soll zu einem klaren Anforderungskatalog weiterentwickelt werden. Bei erfolgreicher freiwilliger Auditierung soll das Vorhaltebudget um bis zu zwei Prozent aufgestockt werden. Eine qualitätsabhängige Vergütung soll es ebenfalls für Kliniken geben, die Shared Decision Making etablieren.

Bundestag beschließt Förderung der akademischen Pflege

Um den derzeit geringen Anteil akademisch ausgebildeter Pflegekräfte zu steigern, hat der Bundestag am Donnerstag das Pflegestudium-Stärkungsgesetz beschlossen. Auf dieser Basis erhalten Studierende während des gesamten Studiums eine Ausbildungsvergütung. Davon werden auch Studierende profitieren, die bereits ihr Studium, aufgenommen. Die Finanzierung des praktischen Teils soll in das bestehende Finanzierungssystem der beruflichen Pflegeausbildung integriert werden. Laut Gesetzesbegründung ist es das Ziel, den Anteil akademischer Pflegekräfte auf zehn Prozent zu steigern. Mit derzeit 500 Studenten pro Jahrgang – insgesamt 1500 – ist dies bei weitem nicht erreichbar. Auf Sicht geplant ist eine Verdoppelung. Die jährlichen Kosten für Studium und Vergütung werden pro Studierendem auf 26.800 Euro beziffert, das sind in Stumme 40 Millionen Euro pro Jahr.

Mit dem Gesetz verbunden ist ein erleichtertes und vereinheitlichtes Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegefachkräfte. Statt einer umfassenden Gleichwertigkeitsprüfung werden auch eine Kenntnisprüfung und ein Anpassungslehrgang möglich. 

Huckepack beschloss der Bundestag die Erhöhung der Bezugszeit von Kinderkrankengeld pro Kind und Elternteil von zehn auf 15 Tage.      

AOK-Report: Rekord bei Fehlzeiten

Der Krankenstand in Deutschland hat sich 2022 von 5,4 Prozent im Vorjahr auf 6,7 Prozent erhöht. Mit 7,9 und 7,8 Prozent erreichten Thüringen und Sachsen-Anhalt die höchsten regionalen Krankenstände, die Stadtstaaten Hamburg (5,7 Prozent und Berlin (5,9 Prozent) liegen am unteren Ende. Die Arbeitsunfähigkeitsquote stieg um 14 Prozentpunkte auf 64,5 Prozent; es ist der Anteil derjenigen, die mindestens einmal im Jahr arbeitsunfähig geschrieben waren. Dies geht aus dem jetzt veröffentlichten AOK-Fehlzeiten-Report 2023 hervor, den das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen auf Basis einer Auswertung aller Mitgliederdaten erstellt. 

Als Ursachen für Fehlzeiten dominant sind sechs Krankheitsarten, am häufigsten Atemwegserkrankungen sowie Muskel- und Skeletterkrankungen.  Immer bedeutsamer werden psychische Erkrankungen als Ursache für Arbeitsunfähigkeit: Die Zahl der Krankheitstage hat seit 2012 um 48,4 Prozent zugenommen. Bei nahezu konstanter AU-Dauer je Fall ist die krankheitsspezifische AU-Quote  2022 um 0,4 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent gestiegen. 

Die höchsten Krankenstände weisen öffentliche Verwaltungen und Sozialversicherungen (7,9 Prozent) sowie das Gesundheits- und Sozialwesen (7,8 Prozent) auf. Am unteren Ende liegen Banken/Versicherungen mit 4,9 Prozent und Dienstleistungsbetriebe mit 5,4 Prozent.

Besonders von Fehlzeiten betroffene Berufsgruppen sind AltenpflegerInnen ohne Spezialisierung sowie in der Haus- und Familienpflege tätige Menschen mit 34,8 Fehltagen im Jahr 2022. Am höchsten liegt die Zahl der Fehltage mit 36,9 Tagen bei Mitarbeitern in der Ver- und Entsorgung. Die gesündesten Mitarbeiter sind in der Hochschullehre und -forschung tätig (7,6 Fehltage). Ärzte werden im AOK-Report nicht eigens ausgewiesen; es ist aber bekannt, dass sie zu den Berufsgruppe mit den geringsten Fehltagen zählen. 

BÄK-Chef Reinhardt: KI wird Ärzten, Patienten und Forschung helfen

Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt bewertet Künstliche Intelligenz als nützliches Instrument in der medizinischen Versorgung und Forschung: "KI hat das Potential, die Patientenversorgung zu revolutionieren, die Effizienz zu steigern und die medizinische Forschung voranzutreiben", sagte Reinhardt bei der Fachtagung "Von ärztlicher Kunst mit Künstlicher Intelligenz" am Donnerstag in Berlin. Diskutiert wurden bei der Tagung Einsatzmöglichkeiten und ethische Herausforderungen von KI.

Nach Auffassung von Reinhardt können KI-Systeme die auf genetischen und anderen individuellen Gesundheitsdaten basierenden maßgeschneiderten Therapiepläne weiter präzisieren und noch passgenauere Therapien ermöglichen. KI könne ÄrztInnen bei Routineaufgaben unterstützten und so mehr Zeit für den direkten Patientenkontakt schaffen. In der Forschung könne KI die Analyse großer und komplexer Datenmengen die Entwicklung neuer Wirkstoffe beschleunigen und helfen, potentielle Arzneimittelkandidaten zu identifizieren. Unter ethischen Aspekten erfordere die Nutzung von KI eine sorgfältige Abwägung unter den Aspekten Datenschutz, Sicherheit und Verantwortlichkeit. Entscheidungsalgorithmen müssten transparent und ethisch bewertet sein. Die Veranstaltung bildete den Auftakt einer langfristig angelegten Auseinandersetzung der Bundesärztekammer mit den Chancen und Risiken der Anwendung Künstlicher Intelligenz in der Medizin.