Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Krankenhausgesetz: Was ändert sich für Vertragsärzte?

Der Entwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz löst teils empörte Reaktionen bei KBV und Hausärzteverband aus. Baut sich mit den Versorgungszentren eine Konkurrenz für niedergelassenen Hausärzte auf? Was sagt die Bundesregierung?

Krankenhausgesetz: Erster Entwurf bereitet Hausärzten Unbehagen

Mit dem geplanten Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen, für das seit einigen Tagen der Referentenentwurf vorliegt, wird ein neuer Typus von Krankenhäusern geschaffen: Bisher als Level 1i-Kliniken bezeichnete Krankenhäuser sollen sich danach zu sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen entwickeln, in denen die hausärztliche Versorgung eine tragende Rolle spielt. In diesen Einrichtungen sollen Vertragsärzte ihre Patienten in einem kooperativen System weiterbehandeln können, aber die Einrichtung selbst kann auch zur hausärztlichen Versorgung zugelassen werden.

Die neue integrierte Versorgung – auch eine Chance für Vertragsärzte

Dazu wird ein neuer Paragraf 115g SGB V geschaffen. Danach können Level 1i-Kliniken neben stationärer Behandlung auch sektorenübergreifende Leistungen erbringen. Diese sind: ambulante Leistungen aufgrund einer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, ambulantes Operieren nach Paragraf 115b, die über Hybrid-DRGs vergütet werden, medizinisch-pflegerische Leistungen, belegärztliche Leistungen, Übergangs- und Kurzzeitpflege, auch Pflege nach SGB XI.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband müssen in einem Rahmenvertrag die stationären Leistungen der Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin, Geriatrie oder beispielsweise Chirurgie vereinbaren. Möglich sind auch Leistungen aus Leistungsgruppen jenseits des Level1i-Spektrums, wenn diese telemedizinisch in Kooperation mit einem für diese Leistungsgruppe zugelassenen Krankenhaus erbracht wird. Die Inhalte des Rahmenvertrags müssen nach zwei Jahren und dann regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden.  Das Gesetz sieht laut Begründung ausdrückliche eine dynamische Entwicklung dieses Leistungsbereichs vor. 

Neue Rechtssicherheit für Vertragsärzte in Kliniken

Der neue Paragraf 115h sieht nun ausdrücklich vor, dass ärztliche Leistungen auch von Vertragsärzten in solchen sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen erbracht werden können. Durch diese gesetzliche Grundlage wird übereifrigen Staatsanwälten die Grundlage dafür entzogen, gegen Vertragsärzte wegen des Verdachts der Korruption Strafverfahren einzuleiten. Die Tätigkeit von Vertragsärzten in solchen Kliniken bedürfen einer Kooperationsvereinbarung; Vorgaben dazu werden zwischen dem GKV-Spitzenverband, der KBV und der Deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbart. Diese drei Partner legen auch die sachlichen und personellen Mindestvoraussetzungen der medizinisch-pflegerischen Versorgung fest. 

In der Begründung dazu heißt es: „Ziel ist, die Behandlungskontinuität durch enge Abstimmung mit den behandelnden Vertragsärztinnen und Vertragsärzten zu sichern. Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird…, hat sie (die Versorgungseinrichtung, Red.) jeweils nach den konkreten Gegebenheiten vor Ort zu entscheiden.“  

Für besonderen Furor unter Organisationen der Vertragsärzte hat die Neufassung des Paragrafen 116a gesorgt, der die ambulante Behandlung durch Krankenhäuser in Teilen neu regelt.

Grundsätzlich unverändert ist der Absatz 1 geblieben, wonach der Zulassungsausschuss ein zugelassenes Krankenhaus in einem Fachgebiet, für das im entsprechenden Planungsbereich Unterversorgung oder zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf festgestellt wurde, auf Antrag zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen muss, solange dies erforderlich ist. Entfallen ist hier lediglich die Verpflichtung zu einer Überprüfung innerhalb einer starren zweijährigen Frist – das soll zur Entbürokratisierung beitragen.

Neu ist allerdings, dass ein Antrag auf Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung auch bei in absehbarer Zeit drohender Unterversorgung genehmigt werden muss (Absatz 2). Zur Begründung heißt es, diese Erweiterung der Ermächtigungsmöglichkeit schaffe die Option, „Versorgungsengpässen vorausschauend“ zu begegnen. Es sei gedacht als Beitrag zur Versorgungssicherheit gerade in ländlichen und strukturschwachen Regionen. 

Der Aufreger: Ermächtigung von Kliniken zur Hausarzt-Versorgung

Grundlegend neu, möglicherweise mit weitreichenden Wirkjungen, ist Absatz 3: Danach müssen sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen auf Antrag zur hausärztlichen Versorgung ermächtigt werden, wenn in den Planungsbereichen für die hausärztliche Versorgung keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Laut Begründung trifft dies für 780 der insgesamt 984 Planungsbereich zu (Stand 4. Quartal 2022). 

Zur Begründung dieser Neuregelung heißt es: „Für die Schaffung einer vernetzten, interdisziplinären Grundversorgung ist es sinnvoll, sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen auch allgemeinmedizinische ambulante Behandlungen im Sinne von allgemeinmedizinischen Institutsambulanzen zu ermöglichen. Dadurch kann die Weiterbildung für Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin an sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen „aus einer Hand“ im stationären und im ambulanten Bereich stattfinden. Die attraktive Gestaltung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin wirkt sich auch positiv auf die Attraktivität der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen für das medizinische Personal aus.. Dies leistet einen wichtigen Beitrag zur erforderlichen hausärztlichen Nachwuchsgewinnung und damit zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung.“

Nicht beabsichtigt sei damit, zur bisherigen hausärztlichen Versorgung eine neue Konkurrenzschiene über die grundversorgenden Krankenhäuser aufzubauen, so Professor Armin Grau, Berichterstatter für die ambulante und stationäre Versorgung in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in einer Diskussionsrunde des Marburger Bundes. Vielmehr habe die Koalition die demografische Entwicklung im Blick, die es sinnvoll mache, eine Verbindungsstruktur zwischen ambulant und stationär zu schaffen, die Behandlungskontinuität auch bei stationär-pflegerischer Versorgung im Krankenhaus sicherstelle. Das Ziel sei, eine neue kooperative Struktur zu organisieren. Mit dieser Zielsetzung, so der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Dr. Markus Beyer, könne er durchaus leben.          

Bundesrat billigt Krankenhaustransparenzgesetz

Berlin. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am vergangenen Freitag keinen Einspruch gegen den Krankenhaustransparenzgesetz eingelegt, nachdem der Vermittlungsausschuss dies am 2. Februar empfohlen hatte. Das am 19. Oktober vom Bundestag beschlossene Gesetz kann damit zum 1. April in Kraft treten. Es ist Grundlage für einen digitalen Krankenhausatlas, der Patienten und einweisenden Ärzten Auskunft über personelle und apparative Ausstattung von Krankenhäusern, deren Leistungsumfang, Fallzahlen, Komplikationsraten und Expertise gibt. Insbesondere für elektive Eingriffe ist der Krankenhausatlas somit eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Wahl des Krankenhauses. Das Transparenzgesetz ist das erste Element der umfassenden Krankenhausreform, die mit mehreren Gesetzen in dieser Legislaturperiode startet. Im Vorfeld des nun beschlossenen Gesetzes hatte die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission für die Klinikreform festgestellt, dass beispielsweise komplexe Krebsbehandlungen zu einem Drittel in nicht dafür geeigneten Krankenhäusern vorgenommen werden. Heilungs- und Überlebenschancen sind in spezialisierten und zertifizierten Zentren deutlich besser.

Das Gesetz ist verbunden mit weiteren Liquiditätshilfen in einem Volumen von rund sechs Milliarden Euro für die Krankenhäuser.    

Bundesrat gibt grünes Licht für die Teillegalisierung von Cannabis

Berlin. Trotz erheblicher Bedenken einer großen Zahl ärztlicher und medizinischer Organisationen, aber auch von Rechts- und Innenpolitikern der Länder hat der Bundesrat der Teillegalisierung des Anbaus, Besitzes und Konsums von Cannabis in begrenzten Mengen durch Erwachsene zugestimmt. In seiner Sitzung am vergangenen Freitag scheiterten alle Anträge auf Anrufung des Vermittlungsausschusses. Erwachsenen ist damit ab dem 1. April erlaubt, in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich zu führen, bis zu 50 Gramm zu Hause zu besitzen und dort bis zu drei Cannabis-Pflanzen anzubauen. Ein Konsumverbot besteht in Anwesenheit Minderjähriger, im Umkreis von Schulen und Kitas sowie in Fußgängerzonen bis 20 Uhr. An- und Verkauf von Cannabis bleiben verboten; wer nicht selbst Cannabis anbauen will oder kann, hat die Möglichkeit, dies in einer Anbauvereinigung zu tun, deren Mitglieder für den Eigenbedarf, nicht jedoch zu Handelszwecken Cannabis herstellt. Verbunden mit dem Gesetz sind verstärkte Aufklärung und Prävention sowie verschärfte Bestimmungen zum Schutz Minderjähriger. 

Bis zuletzt hatten Ärzte und ihre Organisationen vor den möglichen Gefahren einer Legalisierung gewarnt und darauf hingewiesen, dass insbesondere für junge Erwachsene beträchtliche Gesundheitsrisiken möglich seien. Innen- und Rechtspolitiker kritisierten den zusätzlichen Kontrollaufwand, auf den die Polizei nicht vorbereitet sei. Rechtspolitiker insbesondere der Länder machten geltend, dass als Folge der Teillegalisierung in großer Zahl Amnestierungsverfahren durch die Justiz durchgeführt werden müssen. Die Rede ist von mehreren 100.000 nicht vollständig abgeschlossenen Strafverfahren, die überprüft und teils revidiert werden müssen. Der Hinweis auf eine mögliche Überlastung der Justiz durch solche Überprüfungen ist aller nicht schlüssig, sondern eher ein Indiz dafür, in welchem Umfang Polizei und Justiz in der Vergangenheit mit Drogendelikten im Zusammenhang mit Cannabisbesitz, -konsum und -anbau belastet waren, die zukünftig weitgehend entfallen könnten. 

Befürworter der Teillegalisierung von Drogen argumentierten hingegen, dass das Konzept der Prohibition und Kriminalisierung nicht funktioniert habe: Die Zahl der Drogentoten habe sich seit 2012 auf 1990 verdoppelt, der Schwarzmarkt sei gewachsen. Durch kontrollierten Anbau könne es eher gelingen, den Schwarzmarkt für Cannabis auszutrocknen und die Risiken durch hochdosiertes und kontaminiertes Cannabis zu vermindern. 

GBA beschließt koordiniertes Versorgungskonzept für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche

Berlin. Für psychisch schwer erkrankte Kinder und Jugendliche hat der Gemeinsame Bundesausschuss am vergangenen Donnerstag ein neues koordiniertes Versorgungskonzept beschlossen. Es soll die individuellen Behandlungsbedürfnisse der Betroffenen sowie ihren Willen und den ihrer Eltern berücksichtigen und den Zugang zu allen vorhandenen Therapie- und Hilfsangeboten sichern. Kern des Konzepts ist es, dass eine Ansprechperson mit ärztlicher oder psychotherapeutischer Qualifikation die Beziehungsstabilität gewährleistet, einen Gesamtbehandlungsplan ab stimmt und die Verantwortung für die Koordination der Versorgung übernimmt. Diese Person ist Teil eines Zentralen Teams, zu mindestens ein Facharzt, ein Psychologe sowie eine koordinierende nichtärztliche Person gehört. Dieses Team bestimmt den Behandlungs- und Hilfebedarf, auch jenseits der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, zum Beispiel Jugendhilfe oder schulpsychologischer Dienst. Geschaffen wurde dieses koordinierte Versorgungskonzept aufgrund der Erfahrung, dass bislang der Zugang zu den verschiedenen Behandlungs- und Hilfsangeboten nicht ausreichend gesichert war. 

GBA verbessert Neugeborenen-Screening durch mehr Stringenz 

Berlin. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Beschluss vom vergangenen Donnerstag das Neugeborenen-Screening auf Krankheiten wie die spinale Muskelatrophie und Mukoviszidose entsprechend der überarbeiteten Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission verbessert. Wie bisher werden mit Zustimmung der Eltern am zweiten oder dritten Lebenstag im Rahmen der U2 einige Blutstropfen des Neugeborenen entnommen und auf eine spezielle Filterpapierkarte gegeben. Die Trockenblutkarte wird von einem Screeninglabor analysiert. Neu ist nun, dass ein auffälliges Ergebnis nun nicht mehr nur der einsendenden Klinik, sondern direkt auch den Eltern bekannt gegeben und damit auch über die Notwendigkeit einer zeitnahen Abklärungsuntersuchung informiert wird. Verbunden ist dies auch mit einem Erinnerungsmanagement, mit dem sichergestellt werden soll, dass Eltern die Abklärungsdiagnostik und eine mögliche Weiterbetreuung des Kindes tatsächlich wahrnehmen. 

Wegovy: Bundesausschuss beschließt Verordnungsausschluss

Berlin. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat das Fertigarzneimittel Wegovy, das unter diesem Markennamen speziell zur Gewichtsregulierung in Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität zugelassen ist, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Im Stellungnahmeverfahren war darüber diskutiert worden, zumindest für stark übergewichtige Patienten, beispielsweise auch bei der Teilnahme am DMP Adipositas, eine Ausnahme zu machen. Hierfür sah der Bundesausschuss aber aufgrund der eindeutigen Formulierung im sogenannten Lifestyle-Paragrafen 34 Absatz 1 SGB V keinen Spielraum.

Der gleiche Wirkstoff Semaglutid ist als Rybelsus und Ozempic zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen und in dieser Indikation eine Kassenleistung.

Kinderärzte beklagen weiterhin Arznei-Engpässe

Berlin. Entgegen den Beteuerungen von Politik und Krankenkassen ist das Problem von Versorgungsengpässen bei Kinderarzneimitteln trotz des ALBVVG nicht gelöst worden. Wie eine aktuelle Umfrage unter 1300 Mitgliedern des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte zeigt, existieren nach wie vor nicht nur Liefer-, sondern auch Versorgungsengpässe. So berichten 99 Prozent der Befragten von Mangel an Antibiotika, speziell bei Penicillin V (79 Prozent), gefolgt von Amoxicillin (51 Prozent). 80 Prozent stellen stellten eine Mangelsituation bei mindestens zwei Antibiotika fest. Hierzu zählen auch Cephalosporine. Weitere von Mangel betroffene Wirkstoffe sind Salbutamol, Steroide und ADHS-Medikamente. 35 Prozent der Pädiater befürchten, dass die Versorgungsengpässe die Behandlungsqualität stark negativ beeinflussen, fünf Prozent sprechen von schwerwiegenden Risiken für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Nur acht Prozent sehen keinen oder nur geringen Einfluss auf die Behandlungsqualität. Beklagt wird überdies der erhebliche Zeitaufwand für Ersatzverordnungen.