Wochenrückblick: Klinikreform - Experten und Verbände sehen viel Korrekturbedarf

Verbände und Experten des Gesundheitswesens haben dem Gesundheitsausschuss des Bundestages bei der öffentlichen Anhörung am vergangenen Mittwoch eine Fülle von Korrekturvorschlägen für die Krankenhausreform unterbreitet.

Viele Korrekturvorschläge für die Krankenhausreform

Bildung und Weiterentwicklung der Leistungsgruppen

Generell plädieren die Selbstverwaltung und insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss dafür, zumindest die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen nicht auf Basis politisch-opportunistischer Empfehlungen (GBA-Chef Josef Hecken) festzulegen, sondern dies dem Bundesausschuss zu übertragen, der Gewähr für evidenzbasierte Entscheidungen biete. Ausnahmen hinsichtlich der qualitativ-strukturellen Anforderungen an Leistungsgruppen sollen nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes am besten durch den GBA, differenziert nach Leistungsgruppe und in jedem Fall zeitlich begrenzt möglich sein.  Bei der Erfüllung von Strukturkriterien für Leistungsgruppen fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft die Berücksichtigung von regionalen Verbünden nahe beieinander liegender Kliniken. Weitere Forderungen im Detail: Für die Traumatologie empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie eine Zentrenbildung, ähnlich wie für die Darmkrebs-Chirurgie; möglich seien 350 Zentren mit hohen Fallzahlen; auf die Erreichbarkeit habe dies keinen großen Einfluss. In der Geburtshilfe müsse ferner das Konzept des Hebammen-geführten Kreissaals eingebunden werden. Bei der Planung müsse regional pädiatrische Kompetenz berücksichtigt werden. Angesichts des Überangebots und niedriger Fallzahlen im Schnitt der Kliniken sei eine Konzentration erforderlich. 

Vorhaltefinanzierung

Entgegen den Bekundungen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sehen manche Experten bei der Finanzierung der Vorhaltepauschalen je Leistungsgruppe durchaus einen Mengenbezug. Das gelte insbesondere für die erstmalige Festlegung der Pauschalen. Hierzu wird empfohlen, nicht die Jahre 2025/26 zur Grundlage der Bemessung zu machen, weil dies strategieanfällig sei und den Ambulantisierungsprozess behindern könnte. Alternativ werden die Basisjahre 2023/24 oder generell qualitativ-strukturelle Kriterien empfohlen. Dagegen wird allerdings auch eingewendet, dass nach einem starken Fallzahlrückgang in den letzten drei Jahren nun wieder anhaltende Zuwächse beobachtet werden, die sich fortsetzen könnten. Bis zum Inkrafttreten der Vorhaltefinanzierung 2027, so fordert die DKG müsse es für 2024 einen vollständigen Tarifausgleich (Kosten: 500 Millionen Euro) und für 2025/26 einen Inflationsausgleich von je 700 Millionen Euro geben. 

Ambulantisierung/Hybrid-DRG

Plädiert wird für den Ausbau einer sektorübergreifenden Versorgung (Professor Ferdinand Gerlach, ehemals Vorsitzender des Sachverständigenrates) unter Einbindung der Pflege als „riesige Chance für die in Deutschland unterentwickelte Ambulantisierung. Nach internationalen Erfahrungen seien Hybrid-DRGs sinnvoll, um die ambulante Versorgung auszubauen – in Deutschland aber schlecht umgesetzt, so der Hamburger Gesundheitsökonom Professor Jonas Schreyögg; sie seien vor allem nicht für alle Leistungen kostendeckend. Das kritisiert auch die KBV und fordert eine ausgeprägte Incentivierung. 

Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung

Die Erwartung, dass Level 1i-Krankenhäuser sich zu wichtigen Standorten für die Weiterbildung, insbesondere in Allgemeinmedizin, entwickeln könnten, halten Bundesärztekammer und KBV für fraglich. Diese Krankenhäuser spiegelten nicht annähernd das Leistungsspektrum der hausärztlichen Versorgung wider. Insgesamt, so bemängelt der Marburger Bund, berücksichtige die Reform bislang nicht ausreichend die Auswirkungen auf die künftigen Weiterbildungskapazitäten der Kliniken. Dringend notwendig sei die Organisation von Weiterbildungsverbünden auch für die fachärztliche WB in Regie der Kammern und eine Weiterentwicklung des Arbeitsnehmer-Überlassungsgesetzes hinsichtlich der Notwendigkeit eines mehrmaligen Klinikwechsels im Verlauf der Weiterbildung. 

Finanzierung des Transformationsfonds

Prinzipiell sieht der GKV-Spitzenverband dafür den Staat in der Pflicht. Wenn die GKV, wie geplant, dazu hälftig herangezogen werden solle, dann müsse auch die PKV in einer Größenordnung von zehn Prozent durch entsprechende Zuschläge bei der Vergütung von Klinikleistungen herangezogen werden.

GKV-Spitzenverband: Digitale Terminvergabe für Arzttermine

Auf wenig Gegenliebe bei Verbänden der niedergelassenen Ärzte (NAV und SpiFa) stößt ein Vorschlag des GKV-Spitzenverbandes, wonach zur Weiterentwicklung und Flexibilisierung ambulanter Versorgungsstrukturen eine bundesweit einheitliche digitale Terminvergabe als Alternative zum persönlichen und telefonischen Arzt.-Patienten-Kontakt geschaffen wird. Der GKV schwebt dafür ein bundesweit einheitliches Verzeichnis zu Sprechzeiten von Praxen und deren fachlichen Schwerpunkten vor. In dieses Verzeichnis könnten alle Vertragsärzte freie Termine dorthin melden. Ferner hält der Kassenverband eine Weiterentwicklung der Quartalspauschalen auf längere Behandlungszeiträume für sinnvoll, um die Kontakthäufigkeit zu senken und Ärzte damit zu entlasten. In dem zentralen digitalen Verzeichnis sehen die Ärzteverbände hingegen eine Einschränkung der freiberuflichen Souveränität.

Bundesrat stimmt Medizinforschungsgesetz zu

Auf ein positives Echo der Verbände der Uniklinika, der Pharma-und Medizintechnikindustrie ist die Verabschiedung des Medizinforschungsgesetzes durch den Bundesrat gestoßen. Das Gesetz vereinfacht den Prozess der Genehmigung klinischer Studien, insbesondere multizentrischer Studien, durch Ethikkommissionen und durch die Strahlenschutzkommission. Das soll die behördlichen Prozesse erheblich verkürzen und vereinfachen. Bei neuartigen Therapien und patientenindividuellen Arzneimitteln zur antibakteriellen Therapie werden Rahmenbedingungen für eine Harmonisierung der Herstellungserlaubnisse geschaffen. Forschungsanreize sollen dadurch entstehen, indem die Leitplanken für Erstattungsbeträge nach der Nutzenbewertung ausgesetzt werden , wenn mindesten fünf Prozent der Probanden einer klinischen Studie an deutschen Studienstandorten behandelt werden. Dies soll zunächst für drei Jahre gelten. Ferner soll, zunächst bis zum 28. Juni 2028, die Möglichkeit geschaffen werden, vertrauliche Erstattungsbeträge mit Kassen zu vereinbaren. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen Forschung am Standort Deutschland betreibt. 

Bundesregierung: Streit um Beitragsbemessungsgrenzen

Der Plan von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), zum Jahreswechsel die Beitragsbemessungsgrenzen durch Rechtsverordnung stark um 550 (West) und 650 Euro (Ost) auf 8100 Euro in der Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie um 337,50 Euro auf 5512,50 Euro in der Kranken- und Pflegeversicherung zu erhöhen, stößt auf Widerstand von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Heil legt bei der Erhöhung die stark gestiegenen Tariflöhne (plus 6,4 Prozent) zugrunde, wie dies in jedem Jahr üblich ist. Lindner wendet dagegen ein, dass damit Besserverdienende – ohne die zu erwartenden Beitragssatzerhöhungen in der Kranken- und Pflegeversicherung mit jährlich bis zu 1059 Euro oder monatlich 88 Euro zusätzlich belastet würden. Das stehe im Widerspruch zur Wachstumsinitiative der Bundesregierung und den darin geplanten Steuererleichterungen. Akzeptieren will Lindner höchstens einen Inflationsausgleich (2,5 Prozent).

Private Krankenversicherung: Zweistelliger Prämienzuwachs 2025?

Aufgrund der 2023 um 13,5 Prozent gestiegenen Leistungsausgaben der privaten Krankenversicherung planen etwa zwei Drittel der Unternehmen zum Jahreswechsel Prämienerhöhungen, die durchschnittlich bei 18 Prozent liegen könnten wie aus einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ hervorgeht. Der Trend habe sich auch in diesem Jahr fortgesetzt. Hauptkostentreiber sei die Krankenhausversorgung, aber auch der medizinische Fortschritt mit extrem teuren Behandlungsverfahren. Betroffen sein könnte zwei Drittel der Privatversicherten, ein weiteres Drittel dürfte dagegen von Prämienerhöhungen zunächst verschont bleiben.