Zusammenspiel von Haus- und Facharzt beeinflusst Behandlungsverlauf

Das Zi hat im aktuellen Versorgungsatlas die Kooperation zwischen Haus- und Facharzt bei der Behandlung von zwei weit verbreiteten Erkrankungen untersucht. Demnach kommt Hausärzten bei der Diagnosestellung eine entscheidende Rolle zu, die den Therapievorlauf messbar beeinflussen.

Versorgungsatlas des Zi beleuchtet Patientenbetreuung bei Multiple Sklerose und rheumatoider Arthritis

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) hat im aktuellen Versorgungsatlas die Kooperation zwischen Haus- und Facharzt bei der Behandlung von zwei weit verbreiteten Erkrankungen untersucht. Das Zi widmete sich in seiner Analyse der Multiplen Sklerose (MS) und der rheumatoiden Arthritis (RA). Das Ergebnis: Hausärzten kommt bei der Diagnosestellung eine entscheidende Rolle zu und anschließend bei der Zuweisung der Patienten zu den entsprechenden Fachärzten, wodurch der Therapievorlauf messbar beeinflusst wird.

Multiple Sklerose ist die am häufigsten vorkommende Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems in Deutschland. Dem Versorgungsatlas zufolge ist die MS-Erkrankungslast in Deutschland höher als bisher angenommen. Der Anteil von MS-Patienten unter den gesetzlich Krankenversicherten betrug im Jahr 2015 etwa 0,3 Prozent, was 223.000 Betroffenen entspricht. Je nach Region beläuft sich die jährliche Anzahl von Neuerkrankungen auf 15 bis 22 Fälle pro 100.000 Versicherten.

Am häufigsten erkranken Frauen und Männer im Alter von 25 bis 39 Jahren an MS. Frauen sind etwa 2,5-mal häufiger betroffen als Männer. MS verläuft meist in Schüben und ist fortschreitend chronisch. Das Immunsystem greift die körpereigenen Hüllen der Nervenzellen an, wodurch die Signalübertragung der Nerven gestört wird. In Folge können zahlreiche schwerwiegende Symptome auftreten, wie Störungen der Bewegungskoordination und Taubheitsgefühle. MS ist die häufigste Ursache für Behinderungen, die im frühen Erwachsenenalter auftreten. Der Auslöser für MS ist bislang nicht vollständig geklärt.

Versorgungsintensität nimmt zu

Das Institut hat vertragsärztliche Abrechnungsdaten von mehr als 142.203 MS-Patienten zwischen 2010 bis 2015 ausgewertet und einer Vergleichsgruppe gegenübergestellt. Das Ergebnis: Hausärzte spielen bei der ambulanten Versorgung von MS-Patienten die dominierende Rolle. Im Jahr 2015 wurden bundesweit 94 Prozent der MS-Patienten hausärztlich und 72 Prozent von einem Neurologen versorgt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein MS-Patient 2015 in allen vier Quartalen bei einem Hausarzt war, lag um 30 Prozent höher als bei Patienten ohne MS. Neurologen wurden von MS-Patienten 7-fach häufiger in Anspruch genommen. MS-Patienten suchten in sieben Fachbereichen häufiger Spezialisten auf als diejenigen, die nicht von der Erkrankung betroffen sind. Der Hausarzt wird dadurch zum Lotsen durch das Fachärztesystem.

Die Zi-Studie zeigt darüber hinaus, dass MS-Patienten anfälliger für psychische Erkrankungen sind. Die Wahrscheinlichkeit für eine psychische Erkrankung liegt um 42 Prozent höher. Damit entsteht für Hausärzte ein erhebliches Behandlungsspektrum bei MS-Patienten, da sie bei psychischen Erkrankungen generell meist ebenfalls erster Anlaufpunkt für die Erkrankten sind. Die Intensität der Versorgung nimmt im Allgemeinen mit der Erkrankungsdauer zu. Das gilt insbesondere für urologische Beschwerden. Der Anteil urologisch versorgter MS-Patienten nahm von Jahr zu Jahr um 4 Prozent und über sechs Jahre (2010 bis 2015) verteilt um etwa 20 Prozent zu.

RA: Haus- und Facharzt sollten gemeinsam behandeln

RA ist eine chronische, systemische Autoimmunerkrankung, die durch eine Entzündung der Synovialitis gekennzeichnet ist. Eine im Versorgungsatlas veröffentlichte Studie der Zi-Wissenschaftler hat gezeigt, dass in Deutschland mit 1,2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung mehr Menschen von RA betroffen sind als bisher angenommen. Diese Entwicklung deckt sich mit Ergebnissen einer zeitgleich veröffentlichten amerikanischen Studie, die für die USA zu gleichen Erkenntnissen kam. Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 80 von 100.000 Personen neu an RA.

Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis ist die frühzeitige Kontrolle der zugrunde liegenden Entzündung von zentraler Bedeutung. Entzündungshemmende Medikamente aus der Wirkstoffgruppe der DMARDs (disease-modifying antirheumatic drugs) nehmen eine Schlüsselrolle bei der Therapie ein. Die Zi-Studie mit Daten aus den Jahren 2009 bis 2015 zeigt, dass bei etwa 44 Prozent der RA-Patienten im ersten Jahr nach Diagnosestellung DMARDs eingesetzt werden. Jüngere Patienten erhalten in knapp 53 Prozent der Fälle DMARDS, während ältere Patienten bevorzugt Glukokortikoide erhalten. Während 70 Prozent der Patienten mit seropositiver RA eine DMARD-Verordnung bekommen, liegt die DMARD-Verordnungshäufigkeit für Patienten mit seronegativer RA bei 37 Prozent.

Bei gemeinsamer Betreuung neu erkrankter RA-Patienten durch Rheumatologen und Hausärzte wird eine sehr hohe Versorgungsrate mit DMARDs von fast 80 Prozent erreicht. Dies zeigt: Je früher ein Rheumatologe in die Behandlung eingebunden wird, desto eher kommen DMARDs zum Einsatz. Eine frühzeitige Diagnose und schnelle Überweisung zu einem Spezialisten hat erheblichen Einfluss auf den Therapieverlauf.

Fazit

Für den Hausarzt stellt es eine Herausforderung dar, eine rheumatoide Arthritis schnell zu erkennen. Die Symptomatik kann insbesondere im Anfangsstadium der Erkrankung stark variieren; Röntgenbilder sind oft nicht eindeutig. Unzureichend behandelt führt die RA zu einer fortschreitenden Schädigung der Gelenkstrukturen einschließlich einer Organbeteiligung. Mit einer RA geht ein erhöhtes Risiko für zahlreiche Begleiterkrankungen einher, insbesondere für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch deshalb ist Austausch zwischen Haus- und Facharzt für Patienten ratsam.