Rheumatologie trifft Onkologie: Neue Verbindung durch Checkpoint-Hemmer

Rheumatologen sehen immer mehr Krebspatienten in ihrer Praxis. Warum sich rheumatischen Symptome als Nebenwirkung der onkologischen Therapie entwickeln und wie man sie behandelt, waren spannende Themen auf dem diesjährigen DGRh-Kongress in Stuttgart.

Rheumatische Symptome als Nebenwirkung der Immuntherapie

Die Immuntherapie bei Krebs gilt als große Hoffnung in der Medizin und ihre bisherigen Erfolge sind eindrucksvoll. Doch die Stimulation der körpereigenen Abwehrkräfte bleibt nicht ohne Folgen: Rheumatologen sehen immer mehr Krebspatienten in ihrer Praxis. Warum sich rheumatischen Symptome als Nebenwirkung der onkologischen Therapie entwickeln und wie man sie behandelt, waren spannende Themen auf dem diesjährigen DGRh-Kongress in Stuttgart.

Paradigmenwechsel durch die Immunonkologie?

 "Die Immunonkologie hat einen echten Paradigmenwechsel in der Behandlung von Tumoren eingeleitet. Sie bedeutet eine echte Chance für unsere Patienten, aber auch eine große Herausforderung für uns Ärzte", betonte Prof. Dr. Michael von Bergwelt vom Universitätsklinikum Köln.

Schon im 19. Jahrhundert bemerkte der Sarkomchirurg Willem Coley aus Washington, dass bei Patienten, die ein Sepsis durchlitten hatten, Karzinome zurückgingen oder gar verschwanden. Er "impfte" seine Patienten mit Bakterienpräparationen und erzielte erstaunliche Erfolge. Viele Methoden zum "Scharfmachen" des Immunsystems kamen und gingen, bis der US-amerikanische Immunologe James P. Allison die T-Zell-Rezeptoren und vor allem die Checkpoint-Blockade durch die Hemmung des Proteins CTLA4 entdeckte.

Checkpoints verhindern die Immunantwort auf Krebszellen

Die Checkpoints sind inzwischen der zentrale Ansatzpunkt der Immunonkologie. Sie stellen sozusagen die Kontrollpunkte des Immunsystems dar, die sich auf den T-Zellen befinden und normalerweise eine überschießende Immunreaktion verhindern. Denn das Immunsystem muss sowohl zeitlich befristet als auch quantitativ abgestimmt auf Stimuli reagieren, um den Gesamtorganismus nicht zu schädigen. Zu diesem Zweck tragen T-Zellen inhibierende Rezeptoren, zum Beispiel PD-1 oder CTLA-4. Die Krebszellen können sich diesen Mechanismus jedoch für ihre Tarnung zunutze machen.

Die Checkpoint-Inhibitoren lösen die krebsbedingte Blockade wieder auf und stimulieren das Immunsystem um Tumorzellen zu erkennen und zu vernichten. "Das ist sicherlich auch für die Rheumatologie relevant. Nur ist es bei diesen Krankheitsbildern genau umgekehrt", bemerkte der Mediziner. Rheumatologen dämpfen das Immunsystem, Onkologen befeuern es.

Geringe Überlebenszeiten, massive Nebenwirkungen

Als erster Checkpoint-Hemmer wurde 2011 Ipilimumab für das maligne Melanom zugelassen. Nivolumab ist seit 2015 in Europa für Patienten mit fortgeschrittenem kleinzelligen Lungenkarzinom erhältlich. Damit erhöht sich die Lebenserwartung im Durchschnitt gerade mal um 3,2 Monate gegenüber der Standard-Chemotherapie. "Die Onkologen waren ganz begeistert, andere Ärzte fanden das nicht so berauschend", gab von Bergwelt zu. "Doch man muss bedenken, dass es sich dabei um sehr aggressive Tumore handelt".

Die Überlebenszeiten sind zwar gering, "aber die Nebenwirkungen sind beeindruckend, sowohl in ihrer Vielfalt als auch in ihrer Frequenz", stellte der Kölner Mediziner fest und zählte sie alle auf: Hypophysitis, Thyroiditis, Colitis, Neuropathien, Thrombosen, Hepatitis, Pneumonitis, sehr häufig Hautveränderungen, Erkrankungen des Nervensystems, des Knochenmarks, der Schilddrüse und der Augen, Myokarditis, rheumatologische Erkrankungen wie Vaskulitis, Pankreatitis etc.

Klinisch reagieren als erste jene Organe, die am stärksten mit der Umwelt kommunizieren - also Haut, Leber, Darm und Schilddrüse. "Fast alle Nebenwirkungen der Checkpoint-Blockade sind typische Symptome von onkologischen Therapien. Die Unterscheidung ist auch für den Onkologen oft schwierig", so von Bergwelt.

Behandlung der Nebenwirkungen

Immunantwort auf Autoantigene statt auf Tumorantigene

Warum treten bei der Immuntherapie so viele Nebenwirkungen auf? "Die Immuntherapien führen dazu, dass der Tumor zerstört wird", erläuterte von Bergwelt. "Dabei entsteht eine T-Zell-Antwort gegen viele Dinge. Wir Immunonkologen wünschen uns natürlich, dass sich diese nur gegen ganz spezifische Tumorantigene richtet. Das ist aber leider oft nicht der Fall und es entstehen Antworten auf Autoantigene, die dann wiederum eine Autoimmunerkrankung auslösen können."

Aber nicht nur die Nebenwirkungen bereiten den Medizinern Kopfzerbrechen, auch die Ansprechraten der Immuntherapien sind gering. Bisher ist nicht bekannt, warum sie bei einigen Patienten wirken und bei anderen nicht.

Hoffnung auf neue Therapieansätze

"Die Kombinationen von Checkpoint-Blockade-Molekülen verbessern die Überlebenschancen und die Ansprechraten, doch sie erhöhen dramatisch die Toxizität", gab der Onkologe zu bedenken. Als erfolgreiche Strategie könnte sich die adoptive T-Zell-Therapie erweisen. Hier werden T-Zellen aus dem Körper des Patienten entnommen um sie ex-vivo mit tumorspezifischen T-Zellrezeptoren anzureichern, damit sie wirksam gegen die Krebszellen vorgehen können.

Aussichtsreich sind auch die chimären Antigenrezeptor (CAR) Therapien, bei denen peripher-entnommene T-Zellen der Patienten gentechnisch mit einem chimären Antigenrezeptor modifiziert werden und die veränderten T-Zellen anschließend dem Körper des Patienten zurückgegeben werden. Dort "suchen" die veränderten T-Zellen nach dem entsprechenden Antigen, um darauf anzudocken und dieses zu zerstören.

"Besonders charmant" bezeichnete der Immunonkologe einen neuen Ansatz, der eine Checkpoint-Immuntherapie mit einer Radiotherapie verbindet. "Wenn man durch die Bestrahlung einen monogenen Zelltod auslöst, bewirkt man gleichzeitig eine systemische Immunantwort, die spezifisch ist für das Gewebe, das man zerstört hat". Von Bergwelt selbst hatte 130 Melanompatienten retrospektiv analysiert, die Ipilimumab bekommen hatten. Eine Hälfte ist zusätzlich lokal bestrahlt worden – eigentlich nur palliativ aufgrund von Schmerzen an der Haut. Diese Patienten hatten einen deutlichen Überlebensvorteil gegenüber den Nichtbestrahlten. Und überraschenderweise litten sie an keinen signifikanten Nebenwirkungen mehr. "Das ist ein spannender Ansatz und zurzeit laufen prospektive Studien dazu".

Herausforderungen für die Zukunft der Immuntherapie

Die größte Herausforderung für die Immuntherapie sind die Kosten. Die Patienten brauchen eine Dauertherapie, denn sonst kommt der Tumor wieder. Die Jahreskosten dafür belaufen sich auf 60.000 bis 90.000 Euro jährlich. Patienten informieren sich und möchten Therapien, auch wenn sie noch keine Zulassung haben. Das bedeutet einen täglichen Kampf mit den Kassen.

Ein gravierendes Problem sah der Immunonkologe im raschen Takt aufeinanderfolgender Kombinationstherapien: "Die Zulassungen purzeln nur so jede Woche. Aber wir wissen nicht, was die Kombinationen eigentlich bewirken. Sicher kann man damit mehr bewegen als mit Einzeltherapien, aber wir haben die Kontrolle völlig verloren".

Am Ende seines Vortrags forderte von Bergwelt: "Wir müssen uns jetzt hochauflösend die Patienten anschauen, um zu verstehen, was wir hier eigentlich machen. Wir brauchen eine mechanistische Rationale, um die Wirkungen und Nebenwirkungen der Immuntherapien richtig zu verstehen."

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