Umsetzung von Reformbemühungen: Noch immer Streit um Paragraf 219a

Lange wurde um den Kompromiss zur Schwangerenkonfliktberatung gerungen. Mitte der 1990er Jahre war es endlich so weit. Die katholische Kirche machte zuerst mit, stieg dann aber aus der staatlichen Beratung wieder aus. Sie vergibt keine Beratungsscheine.

SPD setzt Koalitionspartner Ultimatum

Lange wurde um den Kompromiss zur Schwangerenkonfliktberatung gerungen. Mitte der 1990er Jahre war es endlich so weit. Die katholische Kirche machte zuerst mit, stieg dann aber aus der staatlichen Beratung wieder aus. Sie vergibt keine Beratungsscheine.

Die SPD fordert eine Reform des Paragrafen 219a. Dieser verbietet Ärzten, dafür zu "werben", dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Es handelt sich nicht um Werbung, sondern um Information, sagt die SPD. Für betroffene Frauen sei eine Information über Ärzte, die solche Eingriffe vornehmen, wichtig. Die Gegner sagen, es habe mit den Paragrafen 218, der den Schwangerschaftsabbruch regelt, und 219a im Gesamtpaket seit Jahrzehnten ganz gut geklappt. Und im übrigen bekämen die Frauen bereits auf diesem Wege die nötigen Informationen an die Hand.

Die SPD hat nun dem Koalitionspartner eine Frist gesetzt. Bis Herbst muss eine Entscheidung zum 219a her, ansonsten werde man andere Mehrheiten suchen. Hier die rechtlichen Grundlagen der Debatte.

Wie ist die allgemeine Rechtslage in Deutschland?

Generell gilt: Wer in Deutschland eine Schwangerschaft abbricht, verstößt gegen geltendes Recht. Der vor allem in den 1970er Jahren heftig diskutierte und reformierte Paragraf 218 des Strafgesetzbuches (StGB) sieht jedoch Ausnahmen vor: Eine Abtreibung bleibt straffrei, wenn sie binnen drei Monaten nach der Empfängnis vorgenommen wird und zwingend eine Konfliktberatung vorausgegangen ist. Ohne rechtliche Folgen bleibt sie auch, wenn es medizinische Gründe für den Abbruch gibt oder wenn die Frau durch eine Vergewaltigung schwanger wurde.

Wie viele Schwangerschaftsabbrüche gibt es hierzulande?

Das Statistische Bundesamt zählte rund 101.200 Abtreibungen im vorigen Jahr - eine Zunahme von 2,5 Prozent im Vergleich zu 2016. Fast drei Viertel der betroffenen Frauen waren zwischen 18 und 34 Jahre alt, 17 Prozent zwischen 35 und 39, 8 Prozent 40 und älter. 3 Prozent waren unter 18. 96 Prozent der gemeldeten Abbrüche ging eine Beratung voraus, in 4 Prozent der Fälle spielten medizinische oder kriminologische Gründe eine Rolle.

Wer darf beraten?

Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen brauchen eine 
besondere staatliche Anerkennung. Sie müssen über genug qualifiziertes Personal verfügen. Ratsuchende können aus verschiedenen Beratungsanbietern - mit unterschiedlichem Weltbild und Selbstverständnis - auswählen. Das stellen die Länder sicher.

Neben öffentlichen Trägern wie kommunalen Gesundheits- oder Jugendämtern geben auch freier Träger Rat. Dazu zählen die Wohlfahrtsverbände oder religiös ausgerichtete Vereine. Katholische Einrichtungen wie Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen stellen keinen Beratungsschein für eine Schwangerschaftskonfliktberatung aus.

Wieso Beratungsschein?

Der Beratungsschein wird von den zugelassenen Einrichtungen nach der Schwangerschaftskonfliktberatung ausgestellt. Er ist die Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch. Denn grundsätzlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen wollen, in einer Konfliktsituation sind und dringender Beratung und Hilfe bedürfen. Die Bescheinigung enthält den Namen der Schwangeren und das Datum der Beratung, jedoch keine Angaben über den Inhalt des Beratungsgesprächs. Sie muss mindestes drei Tage vor dem Abbruch ausgestellt sein (dreitägige Bedenkzeit).

Wo kann ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden?

Die Länder haben dafür ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen vorzuhalten. Hier muss auch eine Nachbehandlung gewährleistet sein. Die gesetzliche Schwangerschaftskonfliktberatung gibt auch Auskünfte über erreichbare Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Können sich auch Ärzte strafbar machen?

Ja - wenn sie quasi für eine Abtreibung werben. Wer nämlich "Dienste" oder "Verfahren" zum Abbruch einer Schwangerschaft öffentlich anbietet, wird nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft. Kritiker sehen hier dringenden Reformbedarf. Die Union nicht.

Die Bundesärztekammer schlug nun als Kompromiss vor, eine Liste von Ärzten zu erstellen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery geht es dabei auch um die Rechtssicherheit der Ärzte.