Wenn der Arzt zum Patient wird

Studien verdeutlichen den Ernst der Lage: Viele Ärzte können dem Druck ihres beruflichen Alltages nicht mehr standhalten und erkranken am Burn-out-Syndrom oder entwickeln Depressionen. Aus Angst sich die Karriere zu verbauen, nimmt ein Großteil der Ärzte dies stillschweigend hin.

Ärzte haben höheres Suizidrisiko als der Rest der Bevölkerung

Studien verdeutlichen den Ernst der Lage: Viele Ärzte können dem Druck ihres beruflichen Alltags nicht mehr standhalten und erkranken am Burn-out-Syndrom oder entwickeln Depressionen. Aus Angst, sich die Karriere zu verbauen, nimmt ein Großteil der Ärzte dies stillschweigend hin.

Ärzte werden tagtäglich mit Leid und Krankheit konfrontiert. Die Behandlung und Heilung von Patienten ist ihre Berufung. Nicht selten rückt dabei ihr eigenes Wohlbefinden in den Hintergrund. Laut einer Studie der Harvard University leiden 29 Prozent der Ärzte unter Depressionen. Die Mayo Clinic warnt, dass rund 46 Prozent der Ärzte mit Symptomen, die auf ein Burn-out-Syndrom hindeuten, zu kämpfen haben. Weitere Untersuchungen beleuchteten suizidale Tendenzen als Folge eines Burn-outs oder einer Depression. Forscher kamen zu dem Entschluss, dass Ärzte ein höheres Suizidrisiko haben als der Rest der Bevölkerung. Hierbei ist es wichtig, zwischen Ärzten und Ärztinnen zu unterscheiden. Mit einem um bis zu 5,6-fach höherem Suizidrisiko sind Ärztinnen deutlich gefährdeter als ihre männlichen Kollegen, die mit einem um 2,4-fach höherem Risiko auch nicht außer Acht gelassen werden sollten.

Die Bandbreite der Faktoren, die die psychische Gesundheit der Ärzte negativ beeinflussen, ist weit gefächert. Der Ärztealltag sieht vor, ständig Überstunden zu machen. Eine Erhebung aus dem Jahr 2014 zeigt, dass der niedergelassene Arzt in der Woche durchschnittlich 56 Stunden arbeitet. In der Folge verbleibt nicht viel Zeit für Familie und Freunde - die soziale Isolation droht. Mit der Arbeitsbelastung gehen auch wenig Schlaf und Müdigkeit einher. Studien legen nahe, dass ein Schlafmangel das Risiko für Depressionen um ein Dreifaches erhöht. Zudem tragen Ärzte ein hohes Maß an Verantwortung, da Patienten ihnen ihr Leben anvertrauen. Diesem Druck kann nicht jeder standhalten, folglich dienen Rauschmittel wie Zigaretten oder Alkohol oftmals als Auslassventil.

Bereits im Medizinstudium auf psychische Belastung des Arztberufes vorbereiten

Auch dramatische Ereignisse, wie schlimme Schicksale oder der Tod eines Patienten, bringen Ärzte an ihre psychische Belastungsgrenze. Ein Zusammenspiel dieser Bedingungen ruft körperliche, seelische und geistige Erschöpfung hervor. Wird dieser Zustand durch Belastung im beruflichen Alltag verursacht, so ist von einem Burn-out die Rede. Die European General Practice Research Network Burnout Study Group hat mit ihrer Forschungsarbeit herausgefunden, dass rund 43 Prozent der Ärzte mit einer schwerwiegenden emotionalen Erschöpfung zu kämpfen haben. Im Medizinstudium werden für gewöhnlich inhaltlich relevante Kompetenzen vermittelt. Wie solche Krisen bewältigt werden können, bleibt jedoch auf der Strecke. Aus Angst ihre Zulassung zu verlieren lehnt der Großteil professionelle Hilfe ab, wenn sich erste Symptome, die auf ein Burn-out-Syndrom oder Depressionen hindeuten, bemerkbar machen. Auch Professor Dr. Christian T. konnte diesem Druck nicht standhalten. Der Arzt aus Ulmen, der gestand, eine Operation unter Alkoholeinfluss durchgeführt zu haben, beging kurz darauf Suizid.

Die Justus-Liebig-Universität Gießen hat den Ernst der Lage erkannt und bereitet nun angehende Mediziner bereits im Rahmen ihres Studiums auf die psychische Belastung vor. Somit werden auch Präventions- und Bewältigungsmaßnahmen thematisiert. Zudem werden die Studenten mit dem Bereich "gesunde Lebensführung" vertraut gemacht, der vor allem körperliche Aktivität, Entspannung, einen gesunden Schlaf und eine ausgewogene Ernährung umfasst. Eine Metaanalyse der Universität Gießen betont die Notwendigkeit einer "Distanz und klarer Grenzziehung" zwischen beruflichem Alltag und Privatleben. Zum einen, um die psychische Gesundheit der Ärzte zu schützen und zum anderen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten.