Pneumologische Ernährungstherapie: Tomaten & Co

Deutsche essen weniger Obst und Gemüse als Norweger. Sollten sie aber, auch ihren Lungen zuliebe.

Deutsche essen weniger Obst und Gemüse als Norweger. Sollten sie aber, auch ihren Lungen zuliebe.

Dass ein pneumologischer Blogbeitrag (Keine Angst vor dem Centaur) "fast Lust auf Salat" gemacht hat, liest man auch nicht alle Tage. Aus ernährungstherapeutischer Sicht ist das ein echtes Kompliment. Denn reichlich grünes Blattgemüse hilft gegen COPD, wie auch anderes Obst und Gemüse. Nicht nur die Liebe, auch die Lungengesundheit geht durch den Magen. Die Thematik wird kräftig beforscht.

Lungengesundheit geht (auch) durch den Magen

Gegen Lungenkrebs und für den Erhalt der Lungenfunktion wirken sich die enthaltenen Mikronährstoffe (Vitamine und Mineralien) und sekundären Pflanzenstoffe (Karotinoide und Phenole) ebenfalls günstig aus. Das betrifft einerseits die Lungenfunktion auf die ganze Lebensspanne gesehen bei günstiger Ernährung in frühen Lebensabschnitten, andererseits die Reduzierung drohender Schäden bei aktiven oder ehemaligen Rauchern und die Prävention von COPD und Lungenkrebs in der Gesamtbevölkerung.1

Ab und an mal eine Tomate oder einen Apfel zu essen, reicht natürlich nicht aus. Die bekannte Regel lautet 5 am Tag: "Ideal sind drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst. Das Maß für eine Portion ist dabei in etwa eine Handvoll. Säfte, Smoothies, Trockenfrüchte und Nüsse (ungesalzen und ungeröstet) gehören ebenfalls zur 5 am Tag-Regel. Optimal ist es, wenn dabei eine breite Palette an verschiedenen Arten abgedeckt wird. Auf wie viele Mahlzeiten Sie diese fünf Portionen verteilen, bleibt Ihnen überlassen."

5 am Tag – daran glauben weniger als 60% der Deutschen

Für diese Kampagne wurde eigens ein Verein gegründet, in dem sich laut eigenen Angaben "etwa 75 Partner aus Gesundheit, Wissenschaft und Wirtschaft" tummeln, unter Schirmherrschaft der Bundesministerien für Gesundheit und für Ernährung und Landwirtschaft. Auf der Website heißt es auch: "66% der Bevölkerung in Deutschland kennen die Ernährungsregel 5 am Tag. 58% halten sie für glaubwürdig."

Da scheint es noch Aufklärungspotenzial zu geben. In der Europäischen Studie zu Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen (ECRHS) wurden Ernährung und Lungenfunktion eines 680 Personen umfassenden Teilnehmerkollektivs im Abstand von zehn Jahren (2002 und 2012) untersucht. Die Probanden stammten aus Deutschland, Norwegen und Großbritannien. Der durchschnittliche Obst- und Gemüseverzehr lag bei knapp über 400g (vier Früchten). Den niedrigsten Konsum wies Deutschland auf mit 265g, den höchsten Norwegen mit 445g.

Mit Tomaten gegen Asthma und COPD

Die Studienergebnisse sprechen dafür, dass der Verzehr von Obst im Allgemeinen und von Äpfeln im Besonderen bei Erwachsenen im mittleren Alter mit einer langsameren FEV1-Abnahme assoziiert ist. Bei Äpfeln, Bananen, Tomaten, Kräutertee und Vitamin C war ein Zusammenhang mit einem verlangsamten FVC-Rückgang gegeben. Am stabilsten erwies sich die statistische Korrelation für Tomaten. Der lungenfunktionserhaltende Effekt machte sich besonders bei Ex-Rauchern bemerkbar, was auf einen Beitrag zu Reparaturmechanismen nach pulmonaler Vorschädigung hindeutet.

Tomaten sind das Nahrungsmittel mit dem höchsten Gehalt an Lycopen, einem Karotinoid ohne Vitamin-A-Aktivität. Für Vitamin A und Nahrungsmittel, die dieses Antioxidans enthalten, war in der Studie kein positiver Zusammenhang zu beobachten. Antiinflammatorische  Wirkungen von Tomatenextrakt bzw. -saft bei Asthma-Patienten sind dagegen nachgewiesen worden und bei COPD-Patienten wird Lycopen ein mortalitätsreduzierendes Potenzial zugeschrieben.

Gefragt, selbst wenn nicht danach gefragt wird: eine engagierte Ernährungsberatung

Die ECRHS-Ergebnisse bekräftigen jedenfalls die Notwendigkeit einer engagierten Ernährungsberatung mit konkreten Ernährungsempfehlungen, nach deren erfolgreicher Umsetzung sich der Arzt anschließend auch erkundigen sollte. Das gilt erst recht für Risikogruppen mit Raucheranamnese, geschwächten Lungen oder ersten Anzeichen einer chronischen Lungenerkrankung, Eine Ernährungsberatung, die sich nur mit der Wissensvermittlung, nicht aber mit den Rahmenbedingungen, Lebensum- und Gefühlszuständen des Patienten befasst, droht allerdings leicht ins Leere zu laufen …

Referenzen:
1. Zhai T et al. Potential Micronutrients and Phytochemicals against the Pathogenesis of Chronic Obstructive Pulmonary Disease and Lung Cancer. Nutrients. 2018;10(7):813.  doi:10.3390/nu10070813
2. Garcia-Larsen V et al. Dietary antioxidants and ten-year lung function decline in adults from the ECRHS survey. Eur Respir J 2017;50(6). pii:1602286. doi:10.1183/13993003.02286-2016

Abkürzungen:
ECRHS = European Community Respiratory Health Survey
FEV1 = forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde (Einsekundenkapazität)
FVC = forcierte exspiratorische Vitalkapazität