Diabetes und Herzinsuffizienz – sind Sie fit?

Uns interessieren die Experten-Hinweise im Morgensymposium „Diabetes mellitus und kardiovaskuläres Risiko – Fallbeispiele mit TED (Teil 1)“. TED ist übrigens die Abkürzung für „Tele-Dialog“, Sie kennen das System ja.

Christi Himmelfahrt, morgens um fünf. Ein wunderschöner Tag bricht sich gerade Bahn, mit erstem Vogelgezwitscher, zarten Sonnenstrahlen und noch ganz taufrischer Luft – herrlich. Genau richtig, um sich auf den Weg nach Hamburg zum Diabetes-Kongress zu machen … Na gut, ein paar andere lohnende Optionen hätte es schon auch noch gegeben. Geschenkt. Mitgehangen, mitgefangen; und das Wetter passt immer, oder nie.

Der Anmarsch von Hamburg Dammtor durch Planten un Blomen hin zur Messe (Dank an den Schöpfer des kleinen handgeschriebenen Zettels mit Pfeil und „DDG“ zur Wegweisung!) macht Freude. Erstmal eingetaucht in die diabetologische Kongresswelt, sind Christi Himmelfahrt und Sonnenschein vergessen. Stattdessen füllen Vorträge, Diskussionen und Standbesuche den Tag. Alles in allem lohnend, wieder einmal.

Der frühe Vogel fängt den Wurm – jedenfalls beim Kongress

Der frühe Vogel fängt den Wurm. Die Universalgeltung dieser Weisheit muss zwar kritisch hinterfragt werden, auf medizinischen Kongressen wird sie aber immer wieder bestätigt: Die Industriemesse hat noch nicht geöffnet und in den Frühsessions tummeln sich die Hardcore-Interessierten, die zwischen Praxis- und Kongresstag keinen Unterschied machen. Kritische Wahrheiten sind um diese Tageszeit wohl noch am leichtesten auszusprechen und aufzuspüren.

TED-Symposium zum Thema „Diabetes und kardiovaskuläres Risiko“

Uns interessieren die Experten-Hinweise im Morgensymposium „Diabetes mellitus und kardiovaskuläres Risiko – Fallbeispiele mit TED (Teil 1)“. TED ist übrigens die Abkürzung für „Tele-Dialog“, Sie kennen das System ja.

Der kleine, Container-artige Raum „St. Georg“ in Halle A3 ist zwar nicht ganz leicht zu finden, dafür aber bis auf den letzten Sitz- und Stehplatz gefüllt. Die Kolleginnen und Kollegen sind mit ihrem TED-Gerät eifrig bei der Sache. Bei manchen Fragen besteht große Einigkeit zwischen Referent  und Publikum, manchmal streuen die Antwortergebnisse des Kollektivs aber auch beträchtlich. Wir stellen die Situation kurz nach. Wenn Sie sich testen möchten, überlegen Sie sich Ihre Antwort, bevor Sie weiterlesen.

Dem Thema „Diabetes und Herzinsuffizienz“ widmet sich  Dr. Katharina Schütt von der Kardiologie der Uniklinik RWTH Aachen (Klinikdirektor: Prof. Nikolaus Marx, Vorsitzender des Symposiums).

Der Fall: Diabetes-Patientin mit Dyspnoe und Schwindel

Eine 65-jährige Diabetes-Patientin stellt sich mit progredienter Dyspnoe und Gewichtszunahme mit peripheren Ödemen vor. Angina-pectoris-Beschwerden und Synkopen verneint sie, aber sie spürt immer wieder tachykarde Palpitationen. Sie klagt über einen in letzter Zeit aufgetretenen Schwindel bei eher hypotonen Blutdruckwerten.

Zu den Vorerkrankungen zählen neben dem Diabetes der Zustand nach Chemotherapie und Radiatio wegen Mammakarzinom  im Jahr 2012 und eine 50%ige Carotisstenose im Stadium II. Als kardiovaskulärer Risikofaktor wird zudem eine vorbeschriebene arterielle Hypertonie angeführt.

Die Vormedikation lautet: Amlodipin 10 mg/d, ASS 100 mg/d, Simvastatin 40 mg/d, Metformin 1.000 mg 2x/d.

Wie gehen Sie weiter vor?

  1. Sie bestimmen die natriuretischen Peptide und führen in Abhängigkeit von den Werten eine Echokardiographie durch.
  2. Sie führen gleich eine Echokardiographie durch.
  3. Bei fehlender Prätestwahrscheinlichkeit für eine Herzinsuffizienz führen Sie eine Lungenfunktion durch.
  4. Sie behandeln die Patientin diuretisch.
  5. Sie überweisen die Patientin zur Herzkatheter-Untersuchung.

Antworten Sie jetzt!

Ihre Kollegen taten dies folgendermaßen:

  1.    33%
  2.    44%
  3.      6%
  4.    17%
  5.      0%

Das leitliniengerechtere Vorgehen bei Verdacht auf Herzinsuffizienz ist es, vor dem EKG die natriuretischen Peptide zu bestimmen. Die klinische Routine sieht – wie das Antwortverhalten bestätigt – häufig anders aus.

Eine koronare Herzkrankheit kann bei der Patientin ausgeschlossen werden, dafür leidet sie an einer dilatativen Kardiomyopathie. Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) liegt unter 35%.

Mit welcher Therapie würden Sie nun behandeln?

  1. Calcium-Antagonist, ACE-Hemmer, Schleifendiuretikum.
  2. Calcium-Antagonist, ACE-Hemmer, kaliumsparendes Diuretikum, Schleifendiuretikum, Ivabradin.
  3. Betablocker, ACE-Hemmer, kaliumsparendes Diuretikum, Schleifendiuretikum, Ivabradin.
  4. Betablocker, ACE-Hemmer, kaliumsparendes Diuretikum, Schleifendiuretikum.
  5. Betablocker, ACE-Hemmer, kaliumsparendes Diuretikum, Schleifendiuretikum, Digitoxin.

Antworten Sie jetzt!

Ihre Kollegen taten dies folgendermaßen:

  1.      8%
  2.    13%
  3.    22%
  4.    54%
  5.      3%

Hier liegt die Mehrheit richtig. Gemäß der von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) erstellten und von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKG) übernommenen Leitlinie beginnt die Therapie der symptomatischen Herzinsuffizienz mit ACE-Hemmer und Betablocker. Als nächster Eskalationsschritt wird die Hinzunahme eines Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten empfohlen. Dazu Schütt: „Wir beginnen gleich mit einem Aldosteron-Blocker, da dies Vorteile gezeigt hat.“

Weiterer Verlauf:

In der Routinekontrolle nach 3 Monaten stellt sich die Patientin weiterhin mit Dyspnoe im Sinne einer NYHA III bei Ihnen vor. Im EKG zeigt sich unverändert eine schwer eingeschränkte Pumpfunktion (LVEV 26%).

Das aktuelle Therapieregime sieht folgendermaßen aus:

Bestehen weitere Therapieoptionen für die Patientin?

  1. Sie stellen sie in einer Herztransplantations-Sprechstunde vor.
  2. Bei voll ausdosiertem ACE-Hemmer stellen Sie auf einen ARNI um.
  3. Bei einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 60/min beginnen Sie eine Therapie mit Ivabradin.
  4. Sie erhöhen die Dosis des Diuretikums.
  5. Sie erklären der Patientin, dass weitere Therapieoptionen nicht zur Verfügung stehen.

Antworten Sie jetzt!

Ihre Kollegen taten dies folgendermaßen:

  1.      0%
  2.    32%
  3.    41%
  4.    27%
  5.      0%

Nur ein Drittel der anwesenden Kollegen scheint mit der Herzinsuffizienz-Leitlinie genauer vertraut zu sein. Seit dem vergangenen Jahr wird dort die Umstellung vom ACE-Hemmer auf einen Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) als Eskalationsschritt im Behandlungsalgorithmus empfohlen.

Natürlich referiert Schütt zu den jeweiligen Empfehlungen immer noch schnell die Daten der entsprechenden Studien. Das sparen wir uns hier und gehen lieber gleich zur nächsten Frage über.

Die Patientin fragt Sie nach der Notwendigkeit eines ICD. Was antworten Sie?

  1. Da bisher keine ventrikuläre Tachykardie dokumentiert wurde, ist eine Therapie mit einem implantierbaren Kardioverter-Defribillator (ICD) nicht notwendig.
  2. Nach neuester Studienlage scheint eine primärprophylaktische ICD-Implantation nicht mehr sinnvoll.
  3. Da bereits seit über 3 Monaten eine optimale medikamentöse Therapie durchgeführt wird, raten Sie der Patientin bei einer Ejektionsfraktion ≤ 35% zum ICD.
  4. Sie raten der Patientin zur ICD-Implantation, da diese grundsätzlich bei einer Ejektionsfraktion ≤ 35% indiziert ist.

Antworten Sie jetzt!

Ihre Kollegen taten dies folgendermaßen:

  1.      7%
  2.    40%
  3.    40%
  4.    13%

Und wie es streut … Diabetologen sind eben keine Kardiologen (denen immer noch ein besonderer Status zugesprochen wird, wie diverse Bemerkungen beim Kongress ahnen lassen).  Aber wenn man schon alles wüsste, müsste man sich ja auch nicht fortbilden. Richtig ist die Antwort Nr. 3.

Zum krönenden Abschluss nun die Frage für das diabetologische Fachpublikum:

Sie möchten zusätzlich die mit Metformin (1.000 mg, 2x/Tag) bestehende antidiabetische Therapie optimieren. Welches Medikament bevorzugen Sie in Hinblick auf die Herzinsuffizienz?

  1. Insulin
  2. Saxagliptin
  3. Glitazone
  4. Empagliflozin
  5. Liraglutid

Antworten Sie jetzt!

Ihre Kollegen taten dies folgendermaßen:

  1. Insulin:                        18%
  2. Saxagliptin                    6%
  3. Glitazone                      0%
  4. Empagliflozin             76%
  5. Liraglutid                       0%

Glitazone sind mit einem erhöhten Herzinsuffizienz-Risiko assoziiert. Liraglutid ist es nicht, wie man seit letztem Jahr weiß, und beim Insulin sind die Daten widersprüchlich.

Es empfiehlt sich, zusätzlich Empagliflozin zu geben. Denn der SGLT-2-Hemmer verringert das Risiko einer Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz – unabhängig davon, ob eine Herzinsuffizienz initial besteht oder nicht. Die – wie man sieht – weitgehend präsenten Ergebnisse der EMPA-REG-OUTCOME-Studie sprechen hier eine deutliche Sprache.

Fazit für die Praxis:

Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.

Referenzen:
Diabetes mellitus und kardiovaskuläres Risiko – Fallbeispiele mit TED (Teil 1). Symposium beim Diabetes Kongress 2017. Hamburg, 25. Mai 2017.