Was bringen Diabetes-Apps für die glykämische Kontrolle?

Bei all dem Hype um die Diabetes-Apps und ihren möglichen Nutzen hinsichtlich Therapieadhärenz und Selbstmanagement der Patienten: Bringen die wirklich etwas für eine bessere glykämische Kontrolle? Gibt es dafür Nachweise?

Bei all dem Hype um die Diabetes-Apps und ihren möglichen Nutzen hinsichtlich Therapieadhärenz und Selbstmanagement der Patienten: Bringen die wirklich etwas für eine bessere glykämische Kontrolle? Gibt es dafür Nachweise?

Haben Sie sich schon mal mit dieser Frage beschäftigt? Wir haben uns nach evidenzbasierten Antworten umgeschaut und sind vor allem auf asiatische Arbeiten gestoßen. Willkommen im Digitalzeitalter.

Chinesische Metaanalyse zur Handy-Intervention: signifikante Verbesserung

Chinesische Autoren haben sich bereits 2011 im Rahmen einer in Diabetic Medicine publizierten Metaanalyse1 mit dem Nutzen der Handy-Intervention befasst. Die Arbeit stammt aus der Abteilung für Evidenzbasierte Medizin des Chinese Academy of Medical Sciences & Peking Union Medical College, einer Top-Institution für moderne Medizin in Peking, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum feiert.

Ergebnis des Reviews: Die gepoolten Resultate aus 22 Studien sprechen für eine statistisch signifikante Verbesserung der Blutzuckerkontrolle und des diabetischen Selbstmanagements, besonders bei Patienten mit Typ-2-Diabetes.

Bei insgesamt 1.657 Studienteilnehmern bewirkte die Intervention mit dem Mobiltelefon über einen Beobachtungszeitraum von sechs Monaten eine Reduzierung des HbA1c-Werts um 0,5%. Dabei wurde in 11 Studien mit Typ-2-Diabetikern eine deutlich größere Absenkung dieses Parameters berichtet als in den Untersuchungen mit Typ-1-Patienten (0,8% vs. 0,3%). Der App-Effekt wurde weder durch andere Patienten-Charakteristika noch durch unterschiedliche Interventionsstrategien signifikant beeinflusst.

Koreanische App-Studie: Compliance-abhängige Effekte

In Korea wurde 2003 ein "Diabetes Phone" mit im Akkusatz integriertem Glucometer auf den Markt gebracht, das sich als ebenso effektiv für die Blutzuckerkontrolle erwies wie ein Internet-basiertes Monitoringsystem2. Die erste iPhone-Generation, mit der die Smartphone- und App-Entwicklung so richtig ins Rollen kam, erblickte übrigens erst im Jahr 2007, also genau vor einem Jahrzehnt, das Licht der Öffentlichkeit.

Im Rahmen einer koreanischen Masterarbeit3 wurde 2014 der Effekt einer App (Healthy-note app; CVnet, Suwon, Korea) auf das Diabetes-Management untersucht. Im mobilen Interventionsarm zeigten sich, anders als in der Kontrollgruppe mit konventionellem Vorgehen, Verbesserungen bei den HbA1c- und Gesamtcholesterin-Werten. Das HbA1c-Therapieziel (< 7%) wurde unter mobiler Intervention von einem größeren Prozentsatz an Gruppenteilnehmern erreicht.

Allerdings hingen auch beim Einsatz der Diabetes-App die klinischen Ergebnisse von der Compliance ab, die über die Zahl persönlicher Blutzucker-Aufzeichnungen evaluiert wurde. Zur Absenkung des HbA1c-Spiegels kam es nur in der Gruppe der „guten Anwender“, im Unterschied zu den Teilnehmern mit dürftigem Nutzungsverhalten und den Kontrollpersonen. Studien-Fazit: Mobile Apps sind wohl nicht für alle Diabetes-Patienten von Nutzen.

Fallbericht: zwei ähnliche Patienten, unterschiedlicher App-Erfolg

Aus demselben koreanischen Stall, angesiedelt am Kangbuk Samsung Hospital (steckt hier der Sponsor im Namen?), kommt eine weitere Arbeit, die diese Erkenntnis anhand eines Fallberichtes zu zwei Studienteilnehmern illustriert. Beide Patienten wiesen ähnliche Charakteristika auf: Sie waren männlich, in den 50igern, übergewichtig und litten seit mehr als zehn Jahren an Diabetes.

Die Patienten erhielten über die App allgemeine diabetologische Infos sowie persönlich zugeschnittene Empfehlungen und Erinnerungen, um sie beim Erreichen ihrer Lebensstilmodifikations-Ziele zu unterstützen (allerdings nicht zu diätetischen Maßnahmen, wie die Autoren in ihrer Diskussion bedauern). Bei Patient A hat das geklappt, bei Patient B nicht.

Nicht nur Tagebuch, sondern Hilfe bei der Lebensstilmodifikation

Patient A unternahm im sechsmonatigen Studienzeitraum 235 Selbstmanagement-Aktivitäten. Er konnte seinen HbA1c von 9,1% auf 6,4% senken und den Nüchternblutzucker von 343 mg/dL auf 112 mg/dL. Bei Patient B dagegen wurden nur 22 Selbstmanagement-Aktivitäten aufgezeichnet. Sein HbA1c stieg von 7,4% auf 8,4%, der Nüchternblutzucker von 149 mg/dL auf 159 mg/dL.

Bemerkenswert hierbei ist jedenfalls, dass es sich beim Nutzenpotenzial der Apps eben nicht nur um das Aufzeichnen und Monitoren von Glukose-Werten dreht, sondern auch um die Hilfe beim Erreichen von Lebensstilmodifikationen. Wenn das gelingt, kann es tatsächlich zu nachhaltigen Verbesserungen im Diabetes-Management der Patienten kommen.

Über den App-Einfluss auf das Hypoglykämie-Geschehen konnten wir bei unserer Recherche auf die Schnelle nichts finden. Dafür hat vor kurzem eine deutsche Versorgungsstudie über eine erhöhte Inzidenz an schweren Hypoglykämien "trotz neuer Medikamente" berichtet. Was es damit auf sich hat, wollen wir im nächsten Beitrag kurz näher beleuchten.

Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.

Referenzen:
1. Liang X et al. Effect of mobile phone intervention for diabetes on glycaemic control: a meta-analysis. Diabet Med 2011;28(4):455-63.
2. Cho JH et al. Mobile communication using a mobile phone with a glucometer for glucose control in Type 2 patients with diabetes: as effective as an Internet-based glucose monitoring system. J Telemed Telecare 2009;15(2):77-82.
3. Yoo SH. Effects of smartphone application on diabetes management: randomized controlled trial [master's thesis] Seoul: Ewha Womans University; 2014.