Scheitern von Epacadostat regt Debatte darüber an, wie Immuntherapien getestet werden

Wissenschaftler aus verschiedenen Projekten weltweit äußern ihre Bedenken. Bewegt sich das ganze Feld eventuell zu schnell?

Wissenschaftler aus verschiedenen Projekten weltweit äußern ihre Bedenken. Bewegt sich das ganze Feld eventuell zu schnell?

Wir stießen auf einen interessanten Artikel in der November-Ausgabe der Nature, der zum Nachdenken anregt...1

Eine der zahlreichen, einst vielversprechenden Immuntherapien war Epacadostat – ein oral verfügbarer Inhibitor eines Proteins namens IDO1, dessen potentielle immunmodulierende und antineoplastische Aktivität sich leider in klinischen Studien nicht bestätigte. In Kombination mit bereits verfügbaren Therapien, die das eigene Immunsystem dazu anfachen sollen, den Tumor zu bekämpfen, hatte man sich eine effektive Waffe gegen fortgeschrittene Neoplasien erhofft.
Nachdem der Wirkstoff keinerlei Nutzen zeigte, wurde eine große kontrollierte Studie im April eingestellt. Auch andere Hersteller brachen daraufhin ihre Programme zur Entwicklung von IDO‑Inhibitoren ab – ein komplettes, zuvor heiß gehandeltes, Feld löste sich in Rauch auf. Mehr als 1.000 Patienten waren einst in verschiedene Studien zu IDO‑Hemmern eingeschlossen.

Eile ist ein schlechter Ratgeber

Die überwältigende Pleite dieser weiteren, mit Aufregung beobachteten, Krebstherapie lässt von Seiten einiger Forscher Stimmen laut werden, das Prozedere, welches dazu geführt hat, zu überdenken.
Einer der Wissenschaftler, der an den initialen Studien zu Epacadostat mitgearbeitet hat, ist Jason Luke, Onkologe an der Universität Chicago. Er äußert, dass die Entwicklung zu schnell in Richtung großer, klinischer Studien vorangetrieben wurde. Es besorgt ihn, bei wie vielen Wirkstoffen dies noch der Fall sein mag.

Rückblickend sagt er, dass die Forscher über kein solides Verständnis des Wirkmechanismus von Epacadostat verfügten. Auch hatten sie keinen Test finden können, um Patienten zu selektieren, die am wahrscheinlichsten auf die Behandlung ansprechen. Es gab spärliche Daten dazu, wie gut Epacadostat allein wirkte und auf Grundlage von Ergebnissen aus Untersuchungen ohne Kontrollgruppe schritt man zu großen Studien voran.

Scheitern solcher Studien sollte ein Weckruf sein

"Wir waren viel zu voreilig", sagt Luke. "Ich glaube, wir haben die fundamentalen Prinzipien der Arzneistoff-Entwicklung irgendwie aus den Augen verloren. Wir wollen schnell arbeiten, aber unter der Geschwindigkeit darf die Genauigkeit nicht leiden."

In unserem Beitrag der vergangenen Woche berichteten wir über einen Fall mit anderen Begleitumständen, aber ähnlichem Ausgang.
"Die Übereile der Unternehmen hin zu großen klinischen Studien wird zum Teil von dem knallharten Wettkampf angeheizt, der Nächste zu sein, der einen Immuntherapie-Hit entwickelt", meint Chris Shibutani, Analyst einer Investment-Bank in Boston, der sich mit den Forschungs- und Entwicklungsausgaben von Pharmakonzernen beschäftigt.

"Leute fragen mich derzeit, worauf ich gespannt bin", sagt Luke, der seine Bedenken kürzlich bei einem Treffen der 'Society for Immunotherapy of Cancer' in Washington äußerte. "Ich antworte: leider auf wenig bis gar nichts, weil kaum etwas von alldem wirklich korrekt gemacht wird."

Wettrennen in der Immunonkologie besonders ausgeprägt

Bei dieser Veranstaltung wurde ein experimenteller Wirkstoff der Firma Nektar aus Kalifornien vorgestellt (NKTR‑214). Demnächst beginnt eine große randomisierte Studie, die zur Beantragung der Zulassung verwendet werden könnte. Luke hofft auf Erfolg, aber sieht einige der gleichen Warnzeichen wie damals bei der Erfahrung mit dem IDO‑Hemmer.

Auch Shibutani sieht Parallelen zwischen Epacadostat und NKTR‑214. Bisher wurde es ebenfalls nur in Studien ohne Kontrollkohorte erprobt. In einer initialen kleinen Untersuchung erzielte es in Kombination mit einer anderen Immuntherapie eine gute Ansprechrate, doch die nächste, etwas größere Studie fiel wesentlich schlechter aus.
In der Vergangenheit führten Wissenschaftler zuerst eine kleine, kontrollierte Studie durch, bevor sie zu größeren Arbeiten ausholten. Inzwischen greifen sie stattdessen zunehmend zu schnelleren, kleineren, unkontrollierten Studien.
"Der Wettbewerb ist es, was dieses Maß an Hektik erzeugt – und zu einem gewissen Grad auch die Tendenz der Industrie, sehr aggressiv zu sein – mit dem Risiko, übermäßig aggressiv zu sein".

Referenzen:
1. Ledford, H. Cancer drug’s stumbles prompt calls to rethink how immune therapies are tested. Nature (2018). doi:10.1038/d41586-018-07445-3