Akne zwischen Algorithmus und Evidenz: Die Bedeutung medizinischer Expertise im digitalen Diskurs über Akne.

Social Media ist ein Nährboden für Mythen und Trends rund um Akne. Was Dermatologen für die Versorgung von Akne-Patienten wissen sollten, erklärt Expertin Dr. Braun im Interview.

Interview mit Dr. Tatjana Braun

Kopfschütteln und gefährliche Mythen

Dr. Braun äußert sich kritisch zu einigen besorgniserregenden Trends. Besonders alarmiert sie die Darstellung von Influencern mit schwerer Akne, die suggerieren, ihre Erkrankung allein durch Hautpflege in den Griff bekommen zu haben, ohne die effektive Behandlungsoption Isotretinoin zu erwähnen.

"Das sehe ich sehr kritisch, weil wir ja auch wissen, dass, wenn die Behandlung nicht frühzeitig eingeleitet wird, dass diese Menschen dann auch mit lebenslangen Folgen zu kämpfen haben."

Ebenso warnt sie eindrücklich vor gefährlichen Mythen rund um den Sonnenschutz, wie der DIY-Herstellung mit unzureichendem Schutz oder dem bewussten Sonnenbaden zur "Wegbrennung" der Akne, was das Hautkrebsrisiko massiv erhöht.

Falsche Hoffnungen durch Ernährungs-Hypes

Ein weiteres kritisch beleuchtetes Thema ist der Bereich Ernährung. Während eine anti-entzündliche Ernährung unterstützend wirken kann, beobachtet Dr. Braun mit Sorge die Verbreitung von Heilsversprechen durch den alleinigen Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel wie Zucker oder Gluten oder den Konsum einzelner "Superfoods". Solche Behauptungen schüren falsche Hoffnungen und führen oft zu Frustration bei Betroffenen, die möglicherweise keinen Arzt konsultieren.

Die positive Kraft der Community und Skin Positivity

Doch Dr. Braun betont auch die positiven Seiten von Social Media. Sie hebt die wertvollen Communities hervor, in denen sich Akne-Betroffene austauschen, verstanden fühlen und gegenseitig unterstützen können. Besonders lobenswert findet sie die "Skin-Positivity"-Bewegung, in der sich Menschen ungeschminkt und ohne Filter präsentieren und damit ein realistischeres Hautbild vermitteln. Dies kann gerade im Zeitalter von Filtern sehr motivierend wirken.

Die Rolle des Arztes als Navigator und Informationsquelle

Angesichts der Informationsflut in den sozialen Medien sieht Dr. Braun eine veränderte, aber umso wichtigere Rolle für den behandelnden Arzt. Dieser wird zum "Navigator" durch den Social-Media-Dschungel. Sie plädiert dafür, dass Ärzte aktiver auf diesen Plattformen präsent sein sollten, um Fehlinformationen entgegenzuwirken und evidenzbasierte Expertise zu vermitteln. Die aktuelle Diskrepanz, bei der nur ein geringer Teil der Akne-Inhalte von Medizinern stammt, müsse dringend korrigiert werden.

Die Chance der digitalen Aufklärung

Dr. Braun selbst geht hier mit gutem Beispiel voran und nutzt verschiedene Social-Media-Kanäle und einen Podcast, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie betont die Chance, Menschen direkt in ihrem "Wohnzimmer" zu erreichen, insbesondere jene, die es aufgrund von Versorgungsproblemen nicht in die Arztpraxis schaffen.

Social Media als Datenquelle für die Forschung

Abschließend unterstreicht Dr. Braun das Potenzial von Social-Media-Daten für die medizinische Forschung. Stichworte wie "Real-World-Data" verdeutlichen, wie Informationen über Patientenwünsche, Behandlungserfahrungen und -zufriedenheit aus sozialen Medien extrahiert werden können, um die Versorgung in Zukunft zu verbessern. Angesichts der Milliarden Nutzer, die Social Media auch für Gesundheitstipps nutzen, stellt dies eine wertvolle Datenquelle dar.