Onkologie - Schwerere Voraussetzungen für Frauen?

Frauen haben es häufig schwer in der Medizin - so auch in der Onkologie. Die DGHO hat deswegen eine Studie zur Gender-Parität im Fachbereich durchgeführt.

Die genderspezifische Wahrnehmung von Wissenschaft

Selbst wenn formal einiges für die Gleichberechtigung der Geschlechter in jeglichen gesellschaftlichen Bereichen, auch in der Medizin, getan wird, gibt es auf die Frage, ob Wissenschaft genderspezifisch wahrgenommen wird, leider nur eine Antwort: ja. So Prof. Marie von Lilienfeld-Toal auf dem diesjährigen DGHO-Kongress.1 Gemeinsam mit Prof. Diana Lüftner und Maike Busson-Spielberger referierte sie über die Stellung von Frauen in der Hämatologie und Onkologie.2,3

Eine zentrale Belastung, die auf den Schultern von Frauen in der Wissenschaft liegt, ist die sogenannte Minority Tax. Da Frauen in der Wissenschaft unterrepräsentiert sind, werden sie anders als ihre männlichen Kollegen behandelt und müssen zusätzlich zu ihrer wissenschaftlichen Arbeit Zusatzaufgaben leisten, Anspielungen aushalten oder sich mit stereotypen Vorurteilen konfrontiert sehen. Das kann von unangebrachten E-Mails bis zur Nicht-Nennung als Urheberin an einer wissenschaftlichen Studie reichen. Daher verwundert es nicht, dass die große Mehrheit an Studien von männlichen Autoren veröffentlicht wird - und das im globalen Kontext. Das bringt natürlich nicht nur finanzielle Nachteile mit sich. Noch vollkommen außen vor gelassen wurde dabei der intersektionale Blick auf weitere Formen der Diskriminierung wie Rassimus oder Ableismus.Diese ungleiche Behandlung lässt sich auch in den Fachbereichen Hämatologie und Onkologie feststellen, wie auf dem DGHO berichtet wurde. 

Wie familienfreundlich sind die Arbeitsbedingungen in der Onkologie? 

Mit dieser Frage befasste sich eine 2021 durchgeführte DGHO-Studie zur Genderparität. Sie beschäftigte sich unter anderem mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im onkologischen Feld und wurde nun auf dem diesjährigen Kongress vorgestellt.3 Dabei wurden DGHO-Mitglieder sowie Mitglieder kooperierender Fachgesellschaften in Österreich und der Schweiz zum Stand der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern befragt und die Einstellung der Befragten zu themenrelevanten Inhalten untersucht. Nicht vergessen werden darf, dass Frauen in ihrer akademischen Karriere berufliche wie private Herausforderungen zeitgleich meistern müssen.

Zwar macht der Anteil von Ärztinnen in der Hämatologie und Onkologie fast die Hälfte der Praktizierenden aus (48,1 % im Jahr 2020), allerdings besteht hinsichtlich der Karriereentwicklung eine deutliche Diskrepanz zwischen den Geschlechtern: Professuren werden überwiegend mit Männern besetzt, der Frauenanteil bei Habilitationen in der Humanmedizin betrug 2020 lediglich 32 %.4

Als karrierehinderlich werden dabei unter anderem die karrierebezogenen Einschränkungen durch die Ausübung einer Teilzeitstelle wahrgenommen, insbesondere von Frauen. Innerhalb der Untersuchung gab circa ein Viertel der Frauen an, dass Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten Benachteiligung erfahren. Jedoch sind Frauen häufiger darauf angewiesen, ihre Arbeitsstunden zu reduzieren, um sich neben ihrer beruflichen Verantwortung privaten Herausforderungen zu stellen. Außerdem ist über die Hälfte der weiblichen Befragten der Meinung, Ärztinnen müssen sich in stärkerem Maße als ihre männlichen Kollegen legitimieren, häufig würden sie auf ihre Mutterrolle reduziert werden. Insgesamt wünschen sich sowohl Ärztinnen als auch Ärzte eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Onkologie. Allerdings identifiziert die vorgestellte Studie diverse zusätzliche Nachteile für Frauen des Fachbereichs. 

Wie können Frauen in der Onkologie gleichberechtigter werden? 

Obwohl institutionelle und gesellschaftliche Strukturen dafür verantwortlich sind, dass Frauen in der Humanmedizin – und damit auch in der Hämatologie und Onkologie – benachteiligt sind, können Frauen auch Maßnahmen auf individueller Ebene treffen, um ihre Karrieremöglichkeiten zu verbessern. So kann eine aktive Teilnahme an Mentoring-Programmen, der Austausch in berufsbezogenen Initiativen oder der Ausbau des beruflichen Netzwerks förderlich für die Karriere sein.1,3 

Nichtsdestotrotz müssen die Veränderungen auf institutioneller Ebene geschehen, wie beispielsweise die Ausweitung der institutionellen Betreuung von Kindern sowie die institutionelle Betreuung der Pflege von Angehörigen, die betreuungsbedürftig sind.3

Wirft man einen Blick auf die allgemeinen Arbeitsbedingungen im Arztberuf, unabhängig vom Geschlecht der Behandelnden, so konnte in der Studie gezeigt werden, dass die Gruppe der Ärzte und Ärztinnen mit kleinen Kindern Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlebt. Denn: Wenn der Arbeitsplatz in der Klinik familienfreundlich werden soll, ist Kinderbetreuung ein zentraler Punkt. Neben dem Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten wäre eine flexiblere Dienstplangestaltung wünschenswert.

Ebenso würde die Einführung bzw. Erweiterung von Home-Office-Regelungen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Doch abseits dieser institutionellen Maßnahmen ist auch ein Umdenken bei Vorgesetzten und Verantwortlichen notwendig. Es ist unerlässlich, auch Teilzeit-Kollegen und -Kolleginnen zu integrieren, die Weiterbildung in Teilzeitmodellen zu ermöglichen, ebenso Führungspositionen in Teilzeit anzubieten. Schlussendlich darf bei Personen in leitenden Positionen mit Personalverantwortung nicht vergessen werden, eigene, unbewusste Rollenstereotype bei sich selbst zu hinterfragen - denn diese können beeinflussen, wie mit Mitarbeitenden umgegangen wird. Das betrifft auch die, wenn teilweise auch unbewusste, unterschiedliche Behandlung der Geschlechter im Berufsleben.

Quellen:
  1. Prof. Dr. med. von Lilienfeld-Toal, M. (2022). Wird die Wissenschaft genderspezifisch wahrgenommen?, Jahrestagung der DGHO 2022, Wien, 7.-10. Oktober 2022. 
  2. Prof. Dr. med. Lüftner, D. (2022). Effizientes Zeitmanagement schafft Ressourcen, Jahrestagung der DGHO 2022 , Wien, 7.-10. Oktober 2022. 
  3. Busson-Spielberger, M. (2022). Ergebnisse der Umfrage der DGHO zur Erfassung von karriereförderlichen und -hinderlichen Faktoren von in der Onkologie und Hämatologie tätigen Ärztinnen und Ärzten, Jahrestagung der DGHO, Wien, 7.-10. Oktober 2022.
  4. Busson-Spielberger, M., Dr. phil. Giesler, M., & Dr. phil. Miemietz, B. (2022). Ergebnisse der Umfrage zur Erfassung der Parität von Ärztinnen in Führungspositionen und Gremien in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gesundheitspolitische Schriftenreihe der DGHO, Band 19.