Herzinsuffizienz bleibt größte Herausforderung der Kardiologie

Wie kann der derzeitigen "Herzinsuffizienz-Epidemie" entgegengewirkt werden? Prof. Dr. Lars Maier liefert einen Überblick zum aktuellen Stand der Dinge.

Herzinsuffizienz-Epidemie überwinden: Wie kann es gelingen?

Die Herzinsuffizienz stellt in der Bevölkerung ein breit vertretenes Krankheitsbild dar. Sie gilt als häufigste Einzeldiagnose für eine Klinikeinweisung in Deutschland – Tendenz steigend. Daher sei der Begriff “Epidemie” angemessen, wenn wir über die Krankheit sprechen, gibt Prof. Dr. Lars Maier, Tagungspräsident der 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, auf dem DGK 2023 zu verstehen. 

Dieser Umstand sei vor allem auf zwei Entwicklungen zurückzuführen: Einerseits werden dank medizinischer Fortschritte kardiovaskuläre Erkrankungen wie der Herzinfarkt heutzutage immer häufiger überlebt – die Entwicklung einer Herzinsuffizienz werde durch die Folgeschäden, die diese Erkrankungen hinterlassen, allerdings begünstigt. Andererseits spiele der demografische Wandel eine große Rolle. Das Risiko, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken, steige ab einem Alter von 65 Jahren erheblich an. Zusammengefasst: Je mehr Bevölkerungsmitglieder dieses Alter erreichen, desto größer werde auch die Zahl an Patienten, die an Herzinsuffizienz erkranken. 

Herzinsuffizienz-Therapie: Hoffnungsträger in der Pipeline

Positiv zu betrachten sei hingegen, dass die Sterblichkeit in der Kardiologie aufgrund moderner medikamentöser Therapien und interventioneller Behandlungsmethoden in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen sei, etwa bei der koronaren Herzerkrankung. Durch Erkenntnisse aus der  Grundlagenwissenschaft und aus klinischen Studien habe man in den vergangenen Jahrzehnten viele krankmachende Mechanismen des Herzens besser verstanden. Die Erkenntnis etwa, dass eine hohe Herzfrequenz bei Herzinsuffizienz nicht dazu führt, dass sich das Herz besser zusammenziehen und so mehr Blut in den  Kreislauf pumpen kann, habe in den 90er-Jahren zur Entwicklung von Beta-Blockern geführt – heute eines der am häufigsten verordneten Medikamenten in Deutschland.

Doch wie steht es um medizinische Hoffnungsträger konkret in puncto Herzinsuffizienz? Hier nennt Maier vor allem SGLT2-Hemmer – eigentlich speziell für die Therapie des Diabetes entwickelt. Prognose und Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen könnten bei allen Formen der Herzinsuffizienz durch die Hemmer dramatisch verbessert werden. Neueste Erkenntnisse zeigten zudem, dass sie sich auch auf den  Natriumhaushalt und infolgedessen auf den Calciumhaushalt der Herzmuskelzellen auswirken, der für die Kontraktionskraft entscheidend ist. Im Rahmen einer Phase II Studie befinde sich darüber hinaus bereits ein höchst innovativer Ansatz einer Arbeitsgruppe aus Hannover in klinischer Erprobung, bei dem micro-RNA 132 inhibiert wird, um die Herzfunktion nach Herzinfarkt direkt zu stärken.

Herzinsuffizienz auch als Folgeerscheinung anderer Krankheitsbilder verstehen

Die Herzinsuffizienz sollte Maier zufolge niemals isoliert betrachtet werden, sondern auch als Folgeerscheinung anderer Krankheiten. Bekäme man etwa Bluthochdruck oder Diabetes besser in den Griff, so habe dies auch positive Auswirkungen auf die Prävalenz der Herzinsuffizienz. Der Mediziner betont jedoch eindringlich: Eigenverantwortliche Prävention sollte von jedermann früh gelernt und gelebt werden. Nicht nur die medikamentöse Behandlung sei wichtig, bewusste Ernährung und regelmäßige sportliche Betätigung spielten dabei ebenfalls eine sehr wichtige Rolle.

Physician Assistant: Mittelweg zwischen Pflegekraft und Arzt

Natürlich habe auch die Kardiologie mit wirtschaftlichen Faktoren und Personalmangel zu kämpfen. Einerseits müssten oftmals viele Patientinnen und Patienten in kurzer Zeit behandelt werden, andererseits herrsche Personalmangel sowohl im Blick auf die Ärzteschaft als auch hinsichtlich Pflegepersonal. Neue Konzepte seien also dringend erforderlich. Als guten Ansatz sieht Meier hierbei den Beruf des Physician Assistants: Hierbei handle es sich um einen neuen Studiengang mit praktischem Anteil, der eine Art Mittelweg zwischen Pflegekraft und Arzt darstellt. Unter Supervision könnten bestimmte ärztliche Tätigkeiten übernommen werden, PAs könnten außerdem für Grenzbereiche in der medizinischen Behandlung eingesetzt werden – etwa in der Echokardiographie oder im Katheterlabor –, was Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte gleichermaßen entlasten könnte. 

Herzinsuffizienz: zukünftig häufiger, aber immer besser behandelbar

Zusammenfassend bleiben zwei gegenläufige Trends bei der Herzinsuffizienz zu beobachten: Zum einen werde die Behandlung immer besser, zum anderen werde aber auch die Zahl der an Herzinsuffizienz leidenden Patienten in Zukunft deutlich zunehmen. Sicher sei auf jeden Fall, dass Herzinsuffizienz für die nächsten Jahre oder sogar Jahrzehnte die  größte Herausforderung in der Kardiologie und weiterhin der Hauptgrund für die Aufnahme in deutschen Krankenhäusern bleiben werde. Medikamentöse Therapien liefern immer bessere Therapieansätze, aber auch eigenverantwortliche Prävention sei wichtig, um verschiedenen Krankheitsbildern und infolgedessen auch der Herzinsuffizienz Einhalt zu gebieten. Patientinnen und Patienten sollten immer als Ganzes geheilt werden, Ansätze wie etwa der Beruf des Physician Assistant könnten dazu beitragen, dass Patienten besser versorgt und sich Ärzte auch mehr auf menschlicher Ebene wieder mehr um sie kümmern könnten.

Weitere Highlights des DGK Kongresses 2023 finden Sie in unserer Kongressberichterstattung.

Quelle:

L. S. Maier (Regensburg): "Herzinsuffizienz-Epedemie – Mechanismen erforschen, Herzen heilen"; 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Mittwoch, 12. April 2023 (Pressekonferenzraum Ravel) 11:30-12:30