Chiara Cumella – Ein Leben als Patientin und Ärztin zugleich

Die Medizinstudentin Chiara leidet an 13 seltenen Krankheiten und sieht sich immer wieder gezwungen, nicht nur gegen ihre Krankheit, sondern auch für ihren Traum, Ärztin zu werden, zu kämpfen.

Das Recht auf eine Diagnose

Übersetzt aus dem Italienischen

Chiara ist eine sizilianische Studentin im fünften Jahr ihres Medizinstudiums. Die 23-jährige möchte sich zukünftig auf Anästhesie und Reanimiation spezialisieren. Chiara kennt das Leiden erkrankter Menschen, nicht nur aufgrund dessen, was sie während ihrer Praktika an der Universität erlebt hat, sondern auch, weil sie selbst an einer Vielzahl von seltenen Erkrankungen leidet. Wir möchten Chiaras einzigartige Lebensgeschichte teilen, denn ihre Geschichte ähnelt der vieler anderer Patientinnen und Patienten, die an seltenen Krankheiten leiden – unsichtbare Geschichten von unsichtbaren Krankheiten.

esanum: Chiara, an welchen Krankheiten leiden Sie konkret?

Chiara: Die Liste ist lang: Ehlers-Danlos-Syndrom, Arnold-Chiari-Malformation, Tethered-Cord-Syndrom, kraniozervikale Instabilität, Fehlbildungen am kraniozervikalen Übergang, POTS, RSD, MCAS, Nebenniereninsuffizienz, mitochondriale Störungen, interstitielle Zystitis, endokranielle Hypotonie, neurogene Blase, Diabetes insipidus, Gastroparese.

esanum: Können Sie uns Ihre Geschichte von Anfang an erzählen?

Chiara: Ich wurde in Sizilien geboren, in einer Familie wie viele andere. Ich habe eine Schwester namens Laura, mit der ich den größten Teil meiner Kindheit verbracht habe. Bis zu einem gewissen Punkt erlebte ich eine normale, ruhige Kindheit, wie viele andere Kinder auch.

Etwa im Alter von sechs Jahren begannen bei mir die ersten gesundheitlichen Probleme: Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Kopfschmerzen, Sehstörungen. Die wichtigsten Symptome waren urologischer Natur: Mikrohämaturie, Oxalurie, Schmerzen in der Fossa iliaca. Meine Eltern und ich begannen, ganz Italien zu bereisen, um herauszufinden, an welcher Krankheit ich litt und wie man sie heilen konnte. Viele Ärzte schienen meinem Fall jedoch wenig Aufmerksamkeit zu schenken und gingen nicht auf meinen klinischen Zustand als Ganzes ein. So wurden zum Beispiel meine Harnwegserkrankungen unterschätzt. Heute trage ich einen suprapubischen Katheter, der vielleicht hätte vermieden werden können.

Je älter ich wurde, desto schlechter wurde meine klinische Situation. Die Reisen zu den unterschiedlichsten Ärztekoryphäen inner- und außerhalb Italiens gingen weiter, aber wir kehrten immer ohne eine klare Diagnose nach Hause zurück. Mein Symptombild brachte den Diagnoseprozess vieler Ärzte durcheinander, die oft nur wenig überzeugende Hypothesen aufstellten. Manchmal befürchteten einige sogar, dass das, was mit mir geschah, ein Hirngespinst war. Im Alter von 12 Jahren wurde ich wegen einer Überlaufblase notoperiert. Ich war vier Monate lang mit einem Blasenkatheter im Krankenhaus, ohne intermittierenden Katheterismus. Ich kam ohne Diagnose aus dem Krankenhaus, außer dass ich große, nicht näher bezeichnete psychische Probleme hatte. Auch der Chefarzt eines großen Zentrums vermutete, dass ich an einer wahrscheinlich unheilbaren neuropsychiatrischen Krankheit litt, die sehr schwer zu diagnostizieren war und wegen der ich auf unbestimmte Zeit im Krankenhaus bleiben müsste.

Glücklicherweise haben meine Eltern nicht aufgegeben. Dank ihrer Hartnäckigkeit fanden wir Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome endlich jemanden, der über die Arnold-Chiari-Malformation zu sprechen begann. Das war ein erster Schritt, aber leider schienen viele meiner Symptome mit dieser Diagnose nicht vereinbar zu sein. Ich war ein junges Mädchen, als ich in Spanien operiert wurde, um das festgestellte Tethered-Cord-Syndrom zu behandeln. Den Ärzten zufolge sollte diese Operation entscheidend sein. Nach den ersten Monaten des Wohlbefindens ging es mir wieder schlechter. Ich hatte weiterhin Blasenprobleme, Kopfschmerzen, Momente der Abwesenheit, Diabetes insipidus. Ich brauchte eine nasogastrale Sonde, um essen zu können, und saß im Rollstuhl, weil ich nicht laufen konnte. Es war eine sehr harte Zeit für mich.

Dann kam die E-Mail von Dr. Paolo Bolognese, einem Neurochirurgen am Chiari EDS Center in New York. Er hatte die MRT-Scans erhalten, die meine Eltern geschickt hatten, und schlug eine Videokonferenz vor, um meinen Fall zu besprechen. An jenem Abend, während dieser Fernkonsultation, wurde erstmals die Hypothese aufgestellt, dass meine Symptome auf eine kraniozervikale Instabilität (CCI) im Zusammenhang mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom zurückzuführen seien. Die diagnostische Hypothese wurde durch den positiven zervikal-axialen Traktionstest bestätigt. Er schlug eine okzipito-zervikale Fusionsoperation vor, um den kraniozervikalen Übergang biomechanisch zu stabilisieren. Wir mussten nach New York fahren, es entstanden enorme Kosten, ich war benommen und verängstigt, aber ich hatte endlich meine Diagnose. Seit dem Beginn meines Leidensweges waren etwa 7 Jahre vergangen.

esanum: Woran erinnern Sie sich aus der Zeit, als Sie krank waren, aber nicht wussten, an welcher Krankheit Sie litten?

Chiara: Ich war ein Kind. Ich erinnere mich, dass wir ständig auf Reisen waren. Ich war körperlich krank und hatte es satt, als verwöhntes und kapriziöses Kind abgestempelt zu werden. Es war eine wirklich harte Zeit für mich und für meine ganze Familie. Ich hatte immer Vertrauen zu meinen Eltern. Sie haben nie den Mut verloren, sie haben nie aufgegeben, auch nicht, als man ihnen sagte, ich müsse weggesperrt werden. Alles änderte sich, als die Bestätigung meiner Diagnose eintraf, nach der Konsultation bei Dr. Bolognese. Am Tag nach der Diagnose änderte sich meine Krankheit nicht, meine Symptome änderten sich nicht, aber wir endeten mit diesem Gefühl des Verlorenseins, dem Alptraum, in einem dunklen Tunnel zu sein, in dem man läuft und läuft, aber nie das Licht findet. Nicht zu wissen, an welcher Krankheit man leidet, ist nicht nur psychologisch, sondern auch praktisch verheerend. Je später die Diagnose gestellt wird, desto später beginnt die Behandlung.

esanum: Welche Gefühle werden bei Ihnen wach, wenn Sie an Ihre erste Reise in die Vereinigten Staaten denken?

Chiara: Meine erste Reise in die Vereinigten Staaten ist eine Erfahrung, die ich nur schwer vergessen kann. Mir ging es überhaupt nicht gut, meine Familie hatte sehr hohe Kosten zu tragen: Reise, Gesundheit, Hotel, und niemand wusste, was nach der Operation passieren würde. Dank der Großzügigkeit meiner Stadt, die eine Spendenaktion organisierte, und der Intervention der Region Sizilien1, konnten wir das Geld für die Operation aufbringen. Ich war ein kleines Mädchen, ich war krank, ich war auf der anderen Seite der Welt, mit so viel Hoffnung, aber auch mit so viel Angst.

Doch alles verlief gut. Unmittelbar nach der Operation verbesserte sich mein klinischer Zustand rapide. Schon im Krankenhaus konnte ich wieder essen, ohne dass ich eine nasogastrische Sonde brauchte. Ich ging glücklich nach Hause, mit dem Gefühl, dass ich mein Leben wieder in die Hand genommen hatte. Ich konnte gehen, essen, hatte keine Schmerzen, die mich an einem normalen Leben hinderten, ich war endlich "gesund". Ich begann wieder zur Schule zu gehen. Das hielt etwa drei Jahre lang an.

esanum: Und dann?

Chiara: Meine neurologischen Blasenprobleme wurden nicht behoben. Ich unterzog mich mehreren Untersuchungen und Tests, und schließlich wurde mir die chirurgische Implantation eines sakralen Neuromodulationsgeräts angeboten. Die Ärzte, die mich operierten, wussten über meinen allgemeinen klinischen Zustand Bescheid, dennoch erlitt ich im Operationssaal einen Herzstillstand. Der Herzstillstand wurde wahrscheinlich durch ein falsches Intubationsverfahren verursacht, das in meinem Fall mit der nasotrachealen Technik durchgeführt werden sollte. Ich erholte mich von dem Herzstillstand ohne unmittelbare Folgen, aber nach kurzer Zeit traten eine Reihe von beunruhigenden Symptomen auf: hohes Fieber, Schluckstörungen, Kopfschmerzen. Der Neurochirurg teilte mir mit, dass die Fusion der Halswirbelsäule wahrscheinlich während des Intubationsmanövers und der kardiopulmonalen Wiederbelebungsmaßnahmen beeinträchtigt worden war. Es war notwendig, neu zu beginnen. Das Problem ist, dass ich seither nicht mehr über längere Zeiträume stabil bin. Das gleiche Muster wiederholt sich zyklisch: eine neue Reise in die USA, eine neue Operation, eine Phase des Wohlbefindens und dann der Rückfall. Immer wieder kommen die Symptome zurück.

esanum: Wie sah Ihr Leben zu dieser Zeit aus?

Chiara: Ich war am Gymnasium, aber mein Leben war nicht das eines Mädchens, das das Gymnasium besucht. Ich schaffte es nur, die ersten beiden Jahre zu besuchen. Dann begann ich, ständig in die USA zu reisen und konnte nicht mehr regelmäßig am Unterricht teilnehmen. Als ich in Italien war, habe ich oft an einem Hausunterrichtsprogramm teilgenommen. Meine Lehrer kamen zu mir nach Hause und gaben mir Privatunterricht. Sie waren mir in dieser Zeit so nahe, dass es menschlich gesehen eine wunderbare Erfahrung war.

Menschlich habe ich so viel erhalten. Auch die von meiner Gemeinde organisierte Spendenaktion war eine wirklich einzigartige Erfahrung, die mir immer im Herzen bleiben wird. Die Einwohner von Caltanissetta haben mir ihr Herz geöffnet und mir geholfen. Noch heute erinnern sie sich an diesen Moment, wenn sie mich auf der Straße treffen. Es war ein intensiver Moment für die ganze Gemeinde.

esanum: Welche Rolle hat Ihre Familie in dieser Phase Ihres Lebens gespielt?

Chiara Cumella and mother.jpegChiara: Wenn ich hier bin und kämpfe, verdanke ich das hauptsächlich meiner Mutter und meinem Vater. Sie haben nie aufgegeben, trotz der vielen schwierigen Momente und der vielen Türen, die mir vor der Nase zugeschlagen wurden. Meine Mutter ist sehr religiös, sie findet so viel Kraft in Gott. In unserer Familie sind wir alle gläubig, aber ich glaube, die größte Stärke, die wir haben, ist die Stärke, die wir uns gegenseitig geben. Mama und Papa sind immer bei mir, bei allem, was ich tue.
Sie haben auch einen Verein gegründet, "The Wings of Hope", um mir und all denen zu helfen, die wie ich mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom und allen damit verbundenen Krankheiten leben.

Dann ist da noch meine Schwester Laura. Meine Schwester und ich stehen uns sehr nahe. Aufgrund meiner ständigen Reisen in die Vereinigten Staaten gibt es lange Zeiträume, in denen wir uns nicht sehen. Ich leide, sie leidet – aber wir bleiben immer in Kontakt, das hilft uns, uns weniger distanziert zu fühlen. Sie hat ein ähnliches Krankheitsbild wie ich, aber glücklicherweise hat sie im Moment keine größeren Symptome und leidet nicht an der gleichen Behinderung wie ich.

esanum: Was war Ihrer Meinung nach die größte Schwierigkeit bei der Diagnose Ihres Falles?

Chiara: Meine Krankheit ist selten, wahrscheinlich eine der seltensten Krankheiten überhaupt. Es ist nicht einfach, in einem Fall wie dem meinen eine schnelle Diagnose zu stellen, aber jahrelanges Warten ist nicht akzeptabel. Wir brauchen Forschung, wir brauchen eine adäquate Ausbildung der Ärzte, wir brauchen gemeinsame Leitlinien, wir brauchen ein effektives Kommunikationsnetz. In erster Linie müssen seltene Krankheiten den Status einer behandlungswürdigen Krankheit erhalten – wie jede andere Krankheit auch. Hätte man mir die Diagnose früher gestellt, wäre mein Leben heute vielleicht anders, besser.

Das Recht zu studieren

esanum: Wann haben Sie beschlossen, Ärztin zu werden?

Chiara: Ich träume davon, Ärztin zu werden, seit ich fünf Jahre alt bin. Genauer gesagt, träume ich davon, Anästhesistin zu werden. Meine Mutter erinnert sich immer daran, dass ich als Kind immer gesagt habe, ich wolle Anästhesist werden. Ich weiß nicht, wo ich dieses Wort zum ersten Mal gehört habe, und ich weiß auch nicht, warum es mich so sehr fasziniert hat. Ich weiß aber, dass es mich über die Jahre hinweg ständig begleitet hat.

Nach dem Abitur ging ich für medizinische Untersuchungen in die Vereinigten Staaten. Ich erinnere mich, dass ich mich jeden Abend auf einer Internetplattform einloggte, um für den Medizinertest zu üben. Ich habe in dieser Zeit hart gelernt, um den Test zu bestehen und zum Medizinstudium zugelassen zu werden.

esanum: Haben Sie eine besondere Erinnerung im Zusammenhang mit dem Medizinstudium?

Chiara: Eine sehr schlechte Erinnerung. Kurz vor dem Termin der Medizinprüfung begann ich unter Diplopie zu leiden. Ich habe dann darum gebeten, während der Prüfung von einem Tutor unterstützt zu werden, damit ich Hilfe bekommen konnte, wenn ich Schwierigkeiten beim Lesen der Fragen hatte. Leider steckte der Tutor am Ende der Prüfung meinen Test in den falschen Ordner, nämlich in den mit den biografischen Formularen. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses sagte, dass die Behälter nicht geöffnet werden könnten, um den Fehler sofort zu beheben, aber mir wurde gesagt, dass mein Test trotzdem korrigiert werden würde. Die Prüfung wurde nie korrigiert und letztendlich für ungültig erklärt.

Um kein Jahr zu verlieren, schrieb ich mich an der Zweigstelle Enna der Universität "Dunarea de Jos" ein, wo ich jetzt das fünfte Jahr des Studiengangs Medizin und Chirurgie besuche.

esanum: Können Sie uns etwas über Ihr Universitätsleben erzählen?

Chiara Cumella_2.jpegChiara: Ich erinnere mich gut an meine ersten beiden Jahre an der Universität. Alles lief gut, es ging mir gut und ich konnte jeden Tag am Unterricht teilnehmen. Schon im ersten Jahr begannen wir mit dem Praktikum im Krankenhaus, und ich hatte keine Probleme, auf die verschiedenen Stationen zu gehen. Ich mochte es, den Kittel zu tragen, es war ein kleines Stück meines großen Traums, der in Erfüllung ging. Es war nicht leicht, den Unterricht zu besuchen, ins Krankenhaus zu gehen, zu studieren, Prüfungen abzulegen und meine Krankheit zu bewältigen. In meinem Zustand ist nichts einfach. Aber ich habe immer mutig versucht, jedes Hindernis zu überwinden.

Wenn ich ehrlich bin, hat mich die Haltung einiger Professoren am meisten in Schwierigkeiten gebracht. Sie gaben mir manchmal unmissverständlich zu verstehen, dass ich die Universität verlassen müsse, dass ich die Idee, Arzt zu werden, aufgeben müsse, weil mein einziger Platz im Krankenhaus der eines Patienten sei. Zum Glück waren es nur wenige, aber sie haben ihre Spuren hinterlassen.

esanum: Haben Sie jemals etwas Ähnliches mit Ihren Klassenkameraden erlebt?

Chiara: Es gab gar keine Probleme mit meinen Klassenkameraden. Sie sind immer für mich da gewesen. Auch heute noch stehen sie mir sehr nahe, ich hatte noch nie irgendwelche Konflikte mit ihnen.

esanum: Was geschah nach den ersten beiden Jahren an der Universität?

Chiara: Das war dann die COVID-19-Pandemie, die Abriegelung, die Fernkurse. Es war für alle ein schwieriges Jahr, aber ich habe es trotzdem geschafft, am Unterricht teilzunehmen und mich auf meine Prüfungen vorzubereiten. Es ging mir nicht gut, aber ich habe mein Bestes gegeben, um nicht in Rückstand zu geraten.

Letztes Jahr im September, zu Beginn meines fünften Studienjahres, bat ich darum, am Fernunterricht teilnehmen zu dürfen. Mein Gesundheitszustand hatte sich wieder verschlechtert. Leider verweigerte mir die Universität diese Möglichkeit. Die Begründung: "Wenn wir Sie dazu zwingen, müssen wir alle dazu zwingen". Meiner Meinung nach eine unvernünftige Begründung, denn ich sitze im Rollstuhl und ernähre mich über eine nasogastrische Sonde. Das ist nicht der Zustand aller Studierenden.

Nach der letzten kraniozervikalen Fusionsoperation im November 2021 ging es mir einige Monate lang gut, aber dann kehrten die Symptome zurück. Wieder kann ich nicht gehen, nicht essen und habe Schmerzen. Ich werde mich erneut einer Operation unterziehen müssen, in der Hoffnung, dass sich mein Zustand dadurch für einen längeren Zeitraum verbessert. An der Universität habe ich um eine befristete Erlaubnis gebeten, online am Unterricht teilzunehmen – und zwar aus einem Grund, den ich für gerechtfertigt halte. Ich habe nicht darum gebeten, von der praktischen Ausbildung befreit zu werden, die ich ja nachholen kann, wenn es mir besser geht.

Ich werde erneut operiert werden, die kraniozervikale Fusion wird wahrscheinlich nach unten verlegt werden müssen, ich bin zuversichtlich, dass es mir besser gehen wird. Von September bis heute hat die Universität ihre Meinung nicht geändert. Deshalb haben wir die Angelegenheit vor Gericht gebracht und warten nun auf eine Entscheidung des Richters.

esanum: Und in der Zwischenzeit?

Chiara: In der Zwischenzeit besuche ich den Unterricht, mit vielen Schwierigkeiten. Ich wohne in Caltanissetta, die Universität ist in Enna. Jeden Tag muss ich 40 Minuten mit dem Auto fahren. Theoretisch müsste ich mich ausruhen, um meine Wirbelsäule nicht zu belasten. Trotzdem gehe ich zum Unterricht, unter großen Opfern und ohne, dass ich die Ernährung über die Sonde so handhaben kann, wie ich es sollte, denn ich bin nicht zu Hause, sondern im Unterricht.

Ein großes Opfer nicht nur für mich, sondern auch für meine Eltern, die mich jeden Tag fahren und wieder abholen. Sie haben einen Job, eine Familie, viele Probleme, auch sie müssen Hindernisse überwinden, die in einer gerechten Welt keinen Sinn machen würden. Ich habe keine Alternative, denn es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel, die für meine Verhältnisse geeignet sind und es mir ermöglichen würden, mich unabhängig zu bewegen. Es gibt sie nicht und niemand denkt daran, sie zu schaffen. Ich versuche, die Mühe meiner Eltern zu erwidern, indem ich kämpfe, indem ich mein Bestes gebe. Leider ist das nicht nur nicht einfach, sondern dieser Zustand droht auch, mein Krankheitsbild zu gefährden.

Das Recht zu träumen

esanum: Wie wird Ihr Leben nach dem Abschluss des Medizinstudiums aussehen?

Chiara: Ich hoffe immer, dass die nächste Operation die entscheidende sein wird, die es mir ermöglicht, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Zumindest für mehr als eine Handvoll Monate. Ich stelle mir ein normales Leben vor, weg von zu Hause zu leben, warum auch nicht? Ich würde gerne eine Facharztausbildung machen können, auch in einer anderen Stadt. Ins Krankenhaus gehen, studieren, lernen, Ärztin zu werden. Jetzt, wo ich an den Rollstuhl gefesselt bin und nur mit Mühe essen kann, scheint das unmöglich, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.

esanum: Glauben Sie, dass es neben einigen Professoren auch zukünftige ärztliche Kollegen gibt, die der Meinung sind, dass Sie die Idee, Arzt zu werden, aufgeben sollten?

Chiara: Ich möchte Ärztin werden, Anästhesistin und Reanimatologin. Ich gebe mir Mühe, nicht darüber nachzudenken, was andere sagen. Solange es auch nur die geringste Chance auf Erfolg gibt, werde ich hart arbeiten. Ich möchte das zurückgeben, was mir so viele gegeben haben, und ich glaube, dass der Arztberuf mir dabei helfen wird. Ich glaube, ich kann eine gute Ärztin werden. Ich möchte meinen kleinen Beitrag dazu leisten, dass jeder eine Diagnose bekommt und bestmöglich behandelt wird.

Ich glaube daran, dass diejenigen, die wie ich so sehr unter ihren Krankheiten gelitten haben, der medizinischen Gemeinschaft eine andere Sichtweise vermitteln und vielleicht dazu beitragen können, den Umgang mit kranken Menschen zu verbessern, insbesondere mit denen, die sich nicht so leicht in ein bestimmtes Schema pressen lassen.

Die Tatsache, dass ich krank bin, dass ich im Rollstuhl sitze, erlaubt es niemandem, zu entscheiden, was ich tun kann oder nicht. Für mich wird es wahrscheinlich schwieriger und anstrengender sein als für jemanden, der gesund ist. Denjenigen, die mit einer Krankheit wie der meinen leben, sollte man helfen, nicht, sie behindern. Selbst wenn es nur mit Worten ist, sollten sie ermutigt werden. Jeder hat das Recht, sich seine eigene Zukunft aufzubauen.

esanum: An der Wand Ihres Zimmers steht der Satz: "Machen Sie Ihr Leben zu einem Traum und Ihren Traum zu einer Realität". Ist es das, was Sie tun?

Chiara: Das ist es, was ich zu tun versuche. Ich glaube, wenn wir aufhören zu träumen, können wir kaum über die Grenzen hinausblicken und über das Limit hinausgehen. Ich hatte so viele Schwierigkeiten in meinem Leben, und wenn ich aufgehört hätte, die Realität der Dinge zu betrachten, hätte ich nur schwer die Kraft gefunden, jeden Morgen die Augen zu öffnen.

Alles, was ich tue, die Energie, die mich durchdringt, kommt aus meinen Träumen. Ich stehe jeden Morgen auf, weil ich einen Traum habe, weil dieser Traum mir die Kraft gibt, weiterzumachen. Der Wunsch, diesen Traum zu verwirklichen, hilft mir – trotz allem. Manche Träume sind dazu bestimmt, Träume zu bleiben. Ich weiß nicht, was aus mir wird, aber was ich jeden Tag tue, ist, meine Träume zu verwirklichen.

Anmerkungen:
  1. In Italien gibt es Regionalparlamente, die für bestimmte Fragen, darunter auch für Gesundheitsfragen, zuständig sind.

Rare Disease Day

230124-Rare-Disease-Day-Bann..Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.