Hypnose: Nur Hokuspokus oder doch medizinisch relevant?
Zwischen Bühnenshows und klinischer Anwendung: Was die Evidenz zur medizinischen Hypnose sagt und warum sie für Ihre Praxis relevant sein könnte.
Klinischer Einsatz von Hypnose
Die Geschichte der Hypnose reicht weit zurück und war zunächst mit einem religiösen oder rituellen Kontext verknüpft. Später wurde der Ansatz wissenschaftlich untersucht und über die Jahre wuchsen die Erkenntnisse durch Experimente und Studien. So entwickelte sich die medizinische Hypnose, die im klinischen Alltag ihren festen Platz gefunden hat. Besonders in Frankreich ist der Einsatz von Hypnose heute verbreitet und etabliert.1
Häufige Anwendung aufgrund nachgewiesener Wirksamkeit findet die Hypnose unter anderem in der:
- Zahnmedizin: zur Angstreduktion bei Patienten2
- Anästhesie: als Ergänzung oder teilweiser Ersatz konventioneller Anästhesieverfahren3
- Schmerztherapie: bei akuten und chronischen Schmerzen3
- Psychosomatischen Medizin: zur Stressreduktion und Symptomlinderung4
Geist über Körper: Auswirkungen auf die Physiologie
Die Wirkung der Hypnose beschränkt sich nicht nur auf die mentale Ebene. Studien zeigen, dass sie auch physiologische Prozesse beeinflussen kann. Hypnose beeinflusst nachweislich u.a. folgende physiologische Parameter:
- Aktivität des Herzens5
- Durchblutung5
-
Muskeltonus5
- Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung.3
Studie zur Muskelkraft
Eine aktuelle Studie mit 48 Probanden untersuchte den Einfluss hypnotischer Suggestionen auf die Muskelkraft. Die Teilnehmer, die eine 40-minütige Hypnosesitzung zur Kraftsteigerung erhielten, zeigten eine Woche nach der Intervention eine signifikante Steigerung ihrer Handgriffkraft (ca. 3 kg). Interessanterweise trat zunächst ein verbessertes subjektives Kraftgefühl auf, bevor messbare körperliche Veränderungen nachweisbar waren.6
Die Wissenschaftler vermuten, dass Hypnose zunächst auf mentale Prozesse wirkt und das Selbstbild sowie das subjektive Kraftempfinden verändert, was sich in einem zweiten Schritt auf den Körper auswirkt. Möglicherweise werden durch die Hypnose Kraftreserven aktiviert, die willkürlich nicht ohne Weiteres angesteuert werden können. Eventuell könnten dadurch mehr motorische Einheiten in den Muskeln rekrutiert werden, was zu der physiologischen Kraftsteigerung führt.
Neben Sportlern und Athleten, die ihre Leistung optimieren möchten, könnten von solchen nicht-invasiven Interventionen auch Rehabilitationspatienten und Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom (CFS, ME/CFS, LongCovid) profitieren, um wieder Vertrauen in den eigenen Körper und seine Kraftreserven zu erlangen.
Der Einfluss der Kommunikation
Bemerkenswert ist: Selbst ohne formale Hypnosesitzung und eine Einleitung in einen tranceartigen Zustand können ärztliche Formulierungen eine suggestive Wirkung haben.7 Patienten im klinischen Umfeld befinden sich durch Stress, Angst oder Unsicherheit oft in suggestiblen Zuständen. Studien zeigen, dass bereits die Art der Formulierung – etwa in Aufklärungsgesprächen oder bei der Erklärung von Behandlungen – messbaren Einfluss auf Behandlungsergebnisse haben kann.7
Konsequenzen für die Anwendung in der klinischen Praxis
Für die Genesung ist mitentscheidend, welche Formulierungen in der Kommunikation mit dem Patienten verwendet werden. Die Studien von Zech et al. zeigen, dass negative Suggestionen im klinischen Kontext die Armkraft verringern können, zum Beispiel wenn Symptome bewertet werden oder eine ungewisse Zukunft in Aussicht gestellt wird. Alternative Formulierungen beeinträchtigten die Muskelkraft dagegen nicht. Die Effekte zeigten sich verstärkt, wenn Patienten kurz vor einer Operation standen – die Situation also mit einem erhöhten Angstniveau (und damit einer erhöhten Suggestibilität) einhergingen.8 Die Formulierung in Aufklärungsbögen und Arztgesprächen haben also einen Einfluss auf die Patienten. Studien wie die von Zech et al. zeigen, dass sie Nocebo-Effekte hervorrufen können.9 Ein bewusster Umgang mit Aussagen gegenüber Patienten ist damit essentiell und kann einen erheblichen Einfluss auf die Genesung von Patienten haben.
Ob als eigenständige Intervention oder als Ergänzung zu konventionellen Therapien: Die bewusste Nutzung hypnotischer Techniken und suggestiver Kommunikation kann die Behandlungsergebnisse verbessern und das Patientenerleben positiv beeinflussen. Als Nebeneffekt kann sich die Arzt-Patienten-Beziehung verbessern und das Vertrauen in die Behandlung wachsen.
Quellen:
M.E.G. Kongress 2025, „Resilienz stärken, Ressourcen aktivieren: Die transformative Kraft der Hypnose“, 27.-30.03.2025 in Kassel
-
https://www.welt.de/gesundheit/article13553756/Operationen-unter-Hypnose-werden-immer-mehr.html
-
Wolf, T. G., Schläppi, S., Benz, C. I., & Campus, G. (2022). Efficacy of hypnosis on dental anxiety and phobia: a systematic review and meta-analysis. Brain sciences, 12(5), 521.
-
Moss, D., & Willmarth, E. (2019). Hypnosis, anesthesia, pain management, and preparation for medical procedures. Annals of palliative medicine, 8(4), 49803-49503.
-
Schmidt, B., Rohleder, N., & Engert, V. (2024). Post-hypnotic safety suggestion improves stress coping with long-lasting effects. Scientific reports, 14(1), 3548.
-
Haas, C. (2008). Ärztliche Hypnose mit Schwerpunkt im Herz-Kreislauf Bereich: Fallbeispiele und ausgedehnte Literaturrecherche. Medizinische Universität.
-
Nieft, U., Schlütz, M., & Schmidt, B. (2024). Increasing handgrip strength via post-hypnotic suggestions with lasting effects. Scientific Reports, 14(1), 23344.
-
Hansen, E., & Zech, N. (2019). Nocebo effects and negative suggestions in daily clinical practice–forms, impact and approaches to avoid them. Frontiers in Pharmacology, 10, 77.
-
Zech, N., Schrödinger, M., Seemann, M., Zeman, F., Seyfried, T. F., & Hansen, E. (2020). Time-dependent negative effects of verbal and non-verbal suggestions in surgical patients—a study on arm muscle strength. Frontiers in psychology, 11, 1693.
-
Zech, N., Seemann, M., Graf, B. M., & Hansen, E. (2015). Nocebo-Effekte–Negativwirkungen der Aufklärung. AINS-Anästhesiologie· Intensivmedizin· Notfallmedizin· Schmerztherapie, 50(01), 64-69.