Lokalisiertes Prostatakarzinom: Aktive Überwachung nicht schlechter als OP oder Radiatio

Bei frühem Prostatakrebs verhindert eine aktive Überwachung ebenso viele Todesfälle wie eine Operation oder Strahlentherapie. Dies bestätigen 15-Jahres-Daten der großen randomisierten 'ProtecT'-Studie.

Was ist die ProtecT-Studie?

Praxisverändernde Daten 

"Dies ist ein Wendepunkt in der Behandlung von Prostatakrebs; viele Wissenschaftler haben sie als die größte Studie aller Zeiten bezeichnet. [...] Sie zeigte keinen Unterschied im Überleben zwischen den verschiedenen Behandlungsgruppen, was eine essenzielle Erkenntnis für die Beratung von Patienten mit einer neuen Diagnose von Prostatakrebs ist", sagte Prof. Suneil Jain, Queen’s University of Belfast, ein international angesehener Experte auf dem Gebiet der Behandlung von Prostatakrebs mit den modernsten Strahlentherapien und systemischen Therapien.4

An der dreiarmigen ProtecT-Studie (Prostate Testing for Cancer and Treatment) nahmen 82.429 Männer im Alter von 50–69 Jahren teil, die sich zu einem PSA-Test bereit erklärt hatten. Bei 2.664 von ihnen wurde ein lokalisiertes Prostatakarzinom diagnostiziert und von dieser Gruppe stimmten 1.643 zu, per Zufallsprinzip einer aktiven Überwachung, radikalen Prostatektomie oder Radiatio zugewiesen zu werden. 

Nach 10 Jahren Nachbeobachtungszeit gab es keine Unterschiede hinsichtlich der krankheitsspezifischen Mortalität zwischen den Therapiearmen.

Welches ist die beste Vorgehensweise für Männer mit lokalisiertem Prostatakrebs?

Im Vergleich zur aktiven Überwachung reduzierten Operation und Strahlentherapie das Progressionsrisiko um die Hälfte. Aber diese Behandlungen gingen mit Schädigungen der Sexualfunktion und Kontinenz einher. Urinkontinenz und sexuelle Funktion waren in der Prostatektomie-Kohorte am schlechtesten. In der Strahlentherapie-Gruppe war das Sexualleben ebenfalls beeinträchtigt, aber nicht so häufig wie bei den Operierten. Allerdings war eine Stuhlinkontinenz nach Radiatio häufiger.

Etwas mehr als die Hälfte (55%) der Männer aus der "watch&wait"-Kohorte wechselte zu einer radikalen Behandlung, aber knapp die Hälfte (44%) blieb krankheitsfrei und konnte den Behandlungen und deren Nebenwirkungen aus dem Wege gehen.

Die Studie ergab, dass die langfristige Lebensqualität insgesamt in allen Gruppen ähnlich war.5 Bei den Männern unter aktiver Überwachung war, wie erwartet, eine allmähliche Abnahme der Urin- und Sexualfunktion mit der Zeit zu beobachten. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass eine längere Nachbeobachtung erforderlich ist, um die effektivste Behandlung für lokalisierten Prostatakrebs in Bezug auf die Lebensspanne zu ermitteln.

Neueste Daten nach 15 Jahren: geringe krebsspezifische Mortalität, unabhängig vom Prozedere

"Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 15 Jahren können wir nun die Ergebnisse dieser Herkules-Aufgabe bewerten", war 2023 in einem zugehörigen Editorial im New England Journal of Medicine zu lesen.6 Die in diesem Jahr veröffentlichten Daten bestätigten die Trends der vorangehenden Auswertungen. Auch nach 15 Jahren blieb die Zahl der Todesfälle durch Prostatakrebs in der 'ProtecT'-Studie niedrig, unabhängig davon, welcher Ansatz gewählt wurde: in der Gruppe mit aktiver Überwachung verstarben 3,1% an ihrem Prostatakrebs; in der Prostatektomie-Gruppe waren es 2,2%  und in der Strahlentherapiegruppe 2,9% (kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen). Dagegen starben 21,7% der Studienteilnehmer aufgrund anderer Ursachen und auch diese Anzahl war in allen drei Gruppen ähnlich hoch.2 Die krebsspezifische Mortalität von 3% ist auch von anderen Arbeiten zum Prostatakarzinom dokumentiert worden.7

"Ich wusste nicht, was zu erwarten war. Ich glaube, ich war auf jedes Ergebnis vorbereitet. Die Resultate sind jetzt wirklich hilfreich, wenn ich ein Gespräch mit Patienten und deren Partner führe, da wir nun konkrete Daten darüber haben, was bei einzelnen Behandlungsoptionen passieren könnte" sagte Erstautor Prof. Freddie Hamdy von der University of Oxford.4 Er betont, dass die Entscheidung immer von der Abwägung zwischen Nutzen oder Heilungschance und Therapienebenwirkungen bestimmt wird. "Jeder Mann wird andere Prioritäten haben, aber zumindest können wir ihm jetzt helfen, indem wir ihm Evidenz für seine Entscheidung liefern."
 

Quellen:
  1. ProtecT Study (Prostate testing for cancer and Treatment) Newsletter Issue 16, 2023.
  2. Hamdy, F. C. et al. Fifteen-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer. New England Journal of Medicine 388, 1547–1558 (2023).
  3. Hamdy, F. C. et al. Active monitoring, radical prostatectomy and radical radiotherapy in PSA-detected clinically localised prostate cancer: the ProtecT three-arm RCT. Health Technol Assess 24, 1–176 (2020).
  4. Active monitoring in early prostate cancer prevents as many deaths as surgery or radiotherapy, new research shows.
  5. Donovan, J. L. et al. Patient-Reported Outcomes 12 Years after Localized Prostate Cancer Treatment. NEJM Evidence 2, EVIDoa2300018 (2023).
  6. Sartor, O. Localized Prostate Cancer — Then and Now. New England Journal of Medicine 388, 1617–1618 (2023).
  7. Islami, F. et al. Annual Report to the Nation on the Status of Cancer, Part 1: National Cancer Statistics. JNCI: Journal of the National Cancer Institute 113, 1648–1669 (2021).

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