Mixed-Reality in der Forensik: Können wir auf die Autopsie verzichten?

In der Rechtsmedizin werden immer häufiger Mixed-Reality-Brillen eingesetzt, um Verletzungsmuster und -hergang zu visualisieren. Braucht es da die klassische Autopsie noch?

Führt die MR-Brille zu einer Revolutionierung der Autopsie? 

In einer kürzlich publizierten Studie wurde eine MR-Brille bei verschiedenen Autopsien eingesetzt, um Forensiker bei der Visualisierung und Simulation von Autopsien zu unterstützen (Working with Forensic Practitioners to Understand the Opportunities and Challenges for Mixed-Reality Digital Autopsy; DOI: 10.1145/3544548.3580768).1 

Forensische Institute haben traditionell auf die Integration von Informationen aus verschiedenen Quellen wie physischen Beweismitteln von Tatorten und Autopsien sowie Polizeiberichten, Krankengeschichte und Bildgebung zurückgegriffen. Doch zunehmend werden diese Informationen digitalisiert, und 3D-Rekonstruktionen aus CT- und MRT-Bildgebung werden zum Mittelpunkt der Untersuchung. Derzeit werden solche Bilder auf 2D-Bildschirmen betrachtet. Diese Art der Interaktion hat jedoch ihre Grenzen. Erstens, um aus solchen 2D-Anwendungen am medizinischen Arbeitsplatz die Todesursache zu bestimmen, sind umfassendes Training, Erfahrung und anatomisches Wissen erforderlich, um die 3D-Realität mental zu rekonstruieren. Des Weiteren ist es umständlich, einen Computer während einer Körperuntersuchung zu verwenden, während die Hände mit Handschuhen bedeckt und mit Körperflüssigkeiten kontaminiert sind. 

Positive Studienergebnisse zu Mixed-Reality-Technologien in der Rechtsmedizin

Bei der obengenannten Studie waren die Nutzer begeistert. Die Mixed-Reality war eine immersive Erfahrung, bei der die Nutzer intuitiv und einfach die virtuellen Patienten aus CT-Daten rekonstruieren und die Todesursache besser nachvollziehen konnten. Darüber hinaus eignet sich die MR-Brille für das Teaching von jüngeren Kolleginnen und Kollegen in der Rechtsmedizin.  

Aufstrebende Mixed-Reality-Technologien bieten die Möglichkeit, diese digitalen Informationen in einem Kontext verfügbar zu machen, der einer traditionellen physischen Autopsie näher kommt und eine natürliche räumliche Zuordnung bietet, um mit den 3D-Daten zu visualisieren und zu interagieren. 

Neue Forensik-Technologien: Langfristig günstiger, aber unerforscht

Langfristig könnten Technologien, die die Genauigkeit der Autopsien genau replizieren oder sogar übertreffen, und Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenführen können, den Bedarf an physischer Sektion reduzieren. Die Sektion ist zeitaufwändig, teuer und belastend für Familien. In der Schweiz kostet eine Autopsie beispielsweise etwa 3000 Tausend Franken, während eine Computertomographie nur 900 Franken kostet.2 Allerdings ist die Inspektion des Körpers von außen und innen mit solchen Technologien noch unerforscht.

Referenzen: